Ein Gastkommentar von Hubert Hecker.
Die gemeinsame Erklärung von Papst Franziskus und dem Kairoer Großimam Ahmad Mohamad Al-Tayyep in Abu Dhabi ist als Ergebnis von einem halben Dutzend Konferenzen zwischen katholischen und muslimischen Expertengruppen anzusehen. In dem vorliegenden Dialogdokument werden vor allem die gemeinsamen sozialen Perspektiven fortgeschrieben – etwa im Verweis auf die „Familie als grundlegender Kern der Gesellschaft“ oder den „Schutz der Kinderrechte, in einer familiären Umgebung aufzuwachsen“. Die Werte von Gerechtigkeit und Frieden werden beschworen. Man wiederholt die Bedeutung von Toleranz und Dialog der Religionen.
Neu jedoch und geradezu revolutionär ist die Aussage: „Die Freiheit ist ein Recht jedes Menschen: ein jeder genießt Bekenntnis‑, Gedanken‑, Meinungs- und Handlungsfreiheit“. Mit diesem Satz werden erstmals von muslimischer Seite die universalen Menschenrechte anerkannt. Die Bedeutung der Menschenrechtsanerkennung ist vergleichbar mit den Selbstverpflichtungen von 35 Ost- und West-Staaten in der KSZE-Schlussakte von 1975 in Helsinki, auf die sich damals Dissidenten im Sowjetblock berufen konnten. Im Fall von Abu Dhabi dürfen Christen auf Respekt und Toleranz von ihren muslimischen Nachbarn hoffen. Wichtiger noch ist das Versprechen voller staatsbürgerlicher Gleichberechtigung: Bürgerrechte in Gleichheit mit allen Staatsbürgern, also für Muslime und Christen.
Allerdings spiegelt die Gemeinsame Erklärung nur einen kleinen Sektor der sunnitischen Welt wieder – etwa von Ägypten und den Emiraten. Das mindert ihre Bedeutung und Reichweite. In Saudi Arabien und seinen wahabitischen Dependenzen in Afrika und Asien, in Pakistan und Indonesien werden Christen weiterhin als Bürger zweiter Klasse behandelt, schikaniert und verfolgt. Der schiitische Islam im Iran und Irak zeigt sich ebenfalls aggressiv-dschihadistisch.
Noch schwerwiegender ist die Einschränkung, dass die Erklärung an zwei weiteren Stellen die unantastbaren Menschenrechte von Natur aus wieder negiert. Sie definiert die Grundfreiheiten zu göttlichen Gnadengaben um, wie das in der Kairoer Menschenrechtserklärung des Islam von 1990 vorgeprägt war. Menschliche Freiheit und Würde werden als Geschenk Gottes behauptet. Nach muslimischer Auffassung stehen alle Gottesgaben unter dem Scharia-Vorbehalt: Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gilt nur insofern, als die Koran-Vorgaben nicht das Gegenteil festlegen. Das Geschenk des Lebens beinhaltet eben kein Recht auf Leben. Eine göttliche Gabe kann auch wieder genommen werden.
Darin besteht der fundamentale Unterschied zwischen dem islamischen Kulturkreis und dem christlich geprägten Europa. Die naturrechtlich begründete Menschenwürde und Menschenrechte gehören zur DNA des Abendlandes. Basierend auf der Philosophie der Stoa, in Ansätzen in der Scholastik enthalten, von spanischen Dominikanern zur Völkerrechtstheorie ausgebaut, wurden die gleichen Rechte aller Menschen von Natur aus von den europäischen Frühaufklärern Grotius, Pufendorf, Thomasius und John Locke allgemeingültig formuliert. Diese Entwicklung zeichnete Papst Benedikt XVI. in seiner Bundestagsrede nach. Franziskus dagegen opfert leichtfertig eine zentrale Dimension der europäischen Identität für seine Dialogpolitik. Seine Islamisierung der Menschenrechte ist ein Verrat am christlichen Abendland.
Eine Anpassung an islamische Regeln ist auch bei der Passage über die Stellung der Frau festzustellen. Der Text vermeidet den menschenrechtlichen Grundsatz, dass Männer und Frauen die gleichen Rechte haben. Bekanntlich legen Koran und Scharia fest, dass die Frau in sozialen und familienrechtlichen Fragen eine minderrechtliche Stellung hat und stets einer männlichen Person untertänig zu sein hat. Das wird von den Muslimen und auch in der Erklärung als eigenständige „Würde der Frau“ kaschiert.
Ein bedeutender Anteil in dem Dialog-Dokument nimmt die Absage an Gewalt, Feindseligkeit und Terrorismus im Namen der Religionen ein. Damit setzt sich der gemäßigte Islam gegen die vielen dschihadistischen Strömungen ab. Das ist zu begrüßen. Dann allerdings kommt eine sehr zweifelhafte Begründung: Das Phänomen der religiös motivierten Gewalt in Vergangenheit und Gegenwart sei ein Missbrauch, der „nichts mit der Wahrheit der Religion zu tun“ habe. Für das Christentum stimmt diese Aussage, denn in seiner Grundschrift gibt es keine Basis für Gewalttätigkeiten von christlicher Seite. Im Koran dagegen rufen zahlreiche Stellen zu Feindschaft, Hass, Abwertung und Kampf gegen Ungläubige auf – auch gegen Juden und Christen: „Ihr Gläubigen, kämpft gegen die Ungläubigen, die in eurer Nähe sind. Sie sollen von eurer Seite Härte erfahren“ (Sure 9,123). 200 Mal wir das Wort „Töten“ im Koran als Imperativ gebraucht. „Wenn die heiligen Monate abgelaufen sind, dann tötet die Polytheisten, wo immer ihr sie findet. Greift sie an, belagert sie und lauert ihnen auf jedem Wege auf (Sure 9,5).“ Der Islam wird auf die Dauer nicht davor herumkommen, eine kritische Distanz zu den Gewaltpassagen des Koran herauszuarbeiten. Wenn aber – wie in der Erklärung – die Schwertverse des Korans und die aggressive Kriegsführung Mohammeds einfach geleugnet werden, hilft das den gemäßigten Muslimen nicht weiter. Denn der Rückgriff auf die aggressiven Passagen der islamischen Grundschrift wird immer wieder neue dschihadistische Gruppen hervorbringen. Eine Friedensstrategie ohne Aufarbeitung der koranischen Schwertverse kann nicht dauerhaft sein. Papst Franziskus fördert die islamische Wahrheitsvertuschung.
Der Satz mit dem größten Verwirrungsfaktor lautet: „Der Pluralismus und die Verschiedenheit in Bezug auf Religion, Hautfarbe, Geschlecht, Ethnie und Sprache entsprechen einem weisen göttlichen Willen, mit dem Gott die Menschen erschaffen hat.“ Mit der These, der Pluralismus der Religionen sei Gottes Wille, hat Papst Franziskus einen häretischen Satz unterschrieben. Er leugnet damit die Wahrheit des Christentums, die sich auf den einzig wahren Erlöser Jesus Christus gründet: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater außer durch mich“ (Joh 14,6). Die Apostel und Kirchenväter hatten nie den Auftrag, das Christentum als weiteren Kult in den Kosmos der antiken Religion einzugliedern, sondern alle Völker und Religionen für den einen wahren Glauben zu gewinnen. Das Konzil lehrte: „Christus allein ist Mittler und Weg zum Heil, der in seinem Leibe, der Kirche, uns gegenwärtig wird.“ Zuletzt hat das kirchliche Lehramt in dem Milleniumsdokument „Dominus Jesus“ ausdrücklich die Pluralismustheorie der Religionen verurteilt, als wenn die Kirche nur ein Heilsweg neben denen anderer Religionen wäre.
In dem Bekenntnis zum religiösen Relativismus wird letztlich der Grund klar, warum sich Franziskus stets gegen christliche Mission ausspricht. Denn nach der Pluralismustheorie hätten die Anhänger aller Religionen und sogar Atheisten ihren eigenen Heilsweg zu Gott. Sie würden ebenso in den Himmel kommen wie Christen, wenn sie nur ihrem Gewissen folgten. Das sagte der Papst gegenüber dem Gottesleugner Eugenio Scalfari.
Text: Hubert Hecker
Bild: Vatican.va (Screenshot)
„Der schiitische Islam im Iran und Irak zeigt sich ebenfalls aggressiv-dschihadistisch“ — Würde der Author Kriege des Westens nicht mal als „gerechter Krieg“ im christlichen Sinn nennen?
Es gibt nur eine Religion, das ist das Christentum mit dem dreieinigen Gott: Gott Vater Gott Sohn und heiliger Geist. Jesu ist der Weg, die Wahrheit und das Leben, nur durch ihn kommen wir zur Ewigkeit.
Genau. Es gibt drei Etappen der Offenbarung:
1) in der Feuersäule, die Israel begleitet.
2) in Gesetz und Propheten
Bei 1) und 2) bleibt Gott noch außerhalb des Menschen.
3) Bis er endlich in Jesus Christus, also im Menschen selbst, Gestalt annimmt und Wohnung (an-)nimmt.
@ Inge
Da haben Sie völlig Recht, leider teilt der Klerus, bis in höchste Ämter Ihre Meinung nicht mehr!