
(Rom) Unterstützt Papst Franziskus seinen Glaubenspräfekten Victor Manuel „Tucho“ Fernández nicht im Skandal um Fiducia supplicans? Oder steht vielmehr schon der nächste Schock bevor? Ersteren Eindruck erweckt zumindest ein Artikel in der französischen Tageszeitung La Croix, die den französischen Bischöfen gehört. Was ist dran an der Sache? Was steht bevor?
Der Artikel stammt vom Rom-Korrespondenten von La Croix, dem Bergoglianer Loup Besmond de Senneville, und ist Glaubenspräfekt Victor Manuel „Tucho“ Fernández gewidmet: „Der andere Argentinier, der den Vatikan aufrüttelt“. Am Ende seines Beitrags schreibt Besmond de Senneville unter Berufung auf einen anonym bleibenden Freund von Kardinal Tucho Fernández, daß Papst Franziskus den Präfekten des römischen Glaubensdikasteriums im Skandal, der durch die Veröffentlichung der Erklärung Fiducia supplicans entstanden ist, „nicht wirklich unterstützt“. Die Erklärung, mit der Homo-Segnungen eingeführt werden, hat die Kirche in eine tiefe Krise gestürzt.
Loup Besmond de Senneville beschreibt Tucho Fernández unter Berufung auf eine lateinamerikanische Quelle an der Römischen Kurie als einen „Zug, den nichts aufhalten kann“. Fernández habe mit Fiducia supplicans ein von Franziskus begonnenes Projekt „fortgesetzt“, aber, so der Eindruck, den der La-Croix-Korrespondent vermittelt, dies auf eigene Initiative und ohne wirkliche Unterstützung von Franziskus getan. Diese fehlende Unterstützung werde in Fernández’ Umfeld beklagt.
Glaubwürdig ist der Hinweis allerdings nicht. Tucho Fernández hält sich seit einem Vierteljahrhundert im Umfeld von Jorge Mario Bergoglio auf und ist seit etwa 20 Jahren sein engster Vertrauter und Redenschreiber. Fiducia supplicans trägt die Unterschrift von Franziskus. Selbst wenn dem nicht so wäre, ist auszuschließen, daß Fernández einen solchen Schritt ohne seinen Vorgesetzten wagen würde.
Loup Besmond de Senneville streut hier Sand in die Augen der Leser, indem er Franziskus von Fiducia supplicans zum Schein ein wenig trennt und zugleich Tucho Fernández, dem der wohlwollende Artikel gewidmet ist, ein wenig zum Opfer stilisiert.
„Heute gibt es eine enorme Freiheit, alles zu sagen, auch innerhalb der Kirche“
Interessanter ist der Hinweis, daß Tucho Fernández im Auftrag von Franziskus ein Dokument „über die Menschenwürde“ vorbereitet, das Ende März veröffentlicht werden soll. Ein solches Papier hatte der Glaubenspräfekt bereits am 13. Januar in einem Interview mit der spanischen Presseagentur EFE angekündigt. Damals tat Kardinal Fernández die Kritik von Kardinal Robert Sarah, dem emeritierten Präfekten der römischen Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, daß Homo-Segnungen eine Häresie sind, salopp mit der Bemerkung ab:
„Heute gibt es eine enorme Freiheit, alles zu sagen, auch innerhalb der Kirche.“

Auf die Frage, ob es weitere Themen gebe, die Fernández klären möchte, weil sie Verwirrung stiften, meinte der Kardinal abwiegelnd:
„Ich muß sagen, daß ich nicht glaube, daß ich in Zukunft in den Nachrichten sein werde, da wir im Dikasterium keine Themen geplant haben, die sehr kontrovers sein könnten, wie die letzten. Wir bereiten ein sehr wichtiges Dokument zur Menschenwürde vor, das nicht nur soziale Themen umfaßt, sondern auch eine starke Kritik an moralischen Themen wie Geschlechtsumwandlung, Leihmutterschaft, Geschlechterideologien usw. enthält. In diesem Sinne können die am meisten besorgten Menschen zur Ruhe kommen.“
Das Dokument wurde von Tucho Fernández „von Grund auf überarbeitet“
Die Aussage klingt durch und durch widersprüchlich, was leider ein Charakteristikum des derzeitigen Pontifikats ist. Im herablassenden Ton, wie schon zur Sarah-Kritik, erklärte Tucho Fernández, daß sich die innerkirchlichen Kritiker entspannen sollten, denn er habe in naher Zukunft keine kontroversen Themen auf seiner Liste, weshalb er in Zukunft wohl nicht mehr in den Nachrichten sein werde. Doch gleichzeitig kündigte er ein „wichtiges Dokument“ an, das sich mit dem zentralen Thema der Menschenwürde befassen und eine „starke Kritik“ an der Genderideologie, Geschlechtsumwandlung und Leihmutterschaft enthalten werde. Das sind Top-Themen der ausufernd grassierenden globalistischen Agenda. Ist eine deutliche Kritik an dieser durch den bergoglianischen Vatikan denkbar? Es wäre die erste in diesem Pontifikat. Wie aber könnte der Glaubenspräfekt dann davon ausgehen, „in Zukunft“ nicht mehr in den Nachrichten zu sein?
Das Dokument über die Menschenwürde wurde von einer Gruppe römischer Theologen vorbereitet, die fünf Jahre lang daran gearbeitet haben. Das Dokument aber, das demnächst veröffentlicht wird, wird ein ganz anderes sein. Auf „ausdrücklichen Wunsch des Papstes“ wurde es von Kardinal Tucho Fernández „von Grund auf überarbeitet“, so La Croix unter Berufung auf Tuchos Umfeld.
Das Ziel des Dokuments sei es nun, „zentrale Themen des Pontifikats, wie Migration und Menschenwürde“, zu behandeln. Die ursprüngliche Fassung befaßte sich hingegen mit bioethischen Fragen. Das sei Franziskus zu eng gewesen, wie es Rom heißt. Es ist bekannt, daß die Bioethik, obwohl die größte Herausforderung unserer Zeit, nicht zu den Prioritäten von Franziskus zählt. Gleich in seinem ersten großen Interview im September 2013 ließ er die staunende Öffentlichkeit wissen, daß man „nicht endlos“ über Abtreibung & Co. sprechen müsse, womit er einen Paradigmenwechsel vollzog und auf Distanz zu seinen Amtsvorgängern ging. Anders ausgedrückt: Er hißte die weiße Fahne und verordnete der Kirche, den Widerstand gegen den globalistischen Mainstream aufzugeben. Die Folgen zeigten sich in den schwachen Reaktionen des Vatikans einerseits auf das Jahrhunderturteil in den USA, mit dem das Urteil Roe gegen Wade gekippt wurde, andererseits auf den französischen Tabubruch, daß von einem Staat erstmals in der Menschheitsgeschichte die Tötung von Menschen in seiner Verfassung festgeschrieben wurde. Es ist in diesem Bereich also schwerlich mit einer Kurskorrektur zu rechnen.
Trotz der gegenteiligen Beteuerung von Tucho Fernández, es seien keine kontroversen Themen vorgesehen, weshalb er in nächster Zukunft nicht in den Nachrichten sein werde, bemerkt Loup Besmond de Senneville, daß „das fast fertige Dokument einen neuen Schock auslösen könnte“.
Mit diesem ist voraussichtlich noch vor Ostern zu rechnen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Votocatolico.org/La Croix (Screenshots)