(Managua) Die Verfolgung der Kirche in Nicaragua, „einschließlich der Inhaftierung von Bischöfen und Priestern, sieht aus wie eine Kopie des chinesischen Modells“, so die mittelamerikanische Internetzeitung Centroamérica360°. Die Zeitung stellt die Frage in den Raum, ob das sandinistische Ortega-Regime das chinesische Modell der Religionspolitik verwirklichen will, vielleicht auch bei den Bischofsernennungen.
Seit Jahren ist es über Nicaragua immer düsterer geworden: „verschwundene Priester, unterbrochene Prozessionen, inhaftierte Bischöfe, Sprengstoffanschläge gegen katholische Pfarreien, von Sicherheitskräften belagerte Kirchen, Ausweisung des Apostolischen Nuntius…“ Wo passiert das? In zwei Ländern, die eine strategische Allianz anstreben: in der Volksrepublik China und in Nicaragua.
„Beide Diktaturen haben ihre Verfolgungspolitik gegenüber der katholischen Kirche fast synchronisiert.“
Zur selben Zeit, da in China Bischöfe oder Priester verhaftet werden, geschieht das auch in Nicaragua. Damit soll keine direkte Absprache behauptet werden, jedoch die Parallelität der Ereignisse, die eine Geistesverwandschaft voraussetzt.
Am 21. Dezember, kurz vor Weihnachten, ließ der sandinistische Diktator Daniel Ortega den Bischof von Siuna, Msgr. Isidoro del Carmen Mora allein deshalb inhaftieren, weil er öffentlich erklärt hatte, für einen anderen inhaftierten Bischof, Msgr. Rolando Álvarez, zu beten. Das Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte verlangt Auskunft von der nicaraguanischen Regierung über die Verhaftung und den Verbleib von Bischof Mora. Bischof Álvarez war wegen „Hochverrats“ zu 26 Jahren Gefängnis verurteilt worden.
In den vergangenen zwei Wochen ließ Ortega auch mehrere Priestern festnehmen und in das berüchtigte Gefängnis für politische Gefangene in Tipitapa bringen, ohne sie einem Richter vorzuführen und ohne ihnen den Grund der Verhaftung zu nennen
Genau am selben Tag, an dem Bischof Mora verhaftet wurde, gab das Ortega-Regime zudem bekannt, seine Beziehungen zur Volksrepublik China zu einer „strategischen Partnerschaft“ ausbauen zu wollen.
Im Jahr 2022, als Bischof Álvarez verhaftet wurde, inhaftierten die kommunistischen Machthaber in China Kardinal Joseph Zen. Der emeritierte Bischof von Hongkong gilt trotz seines hohen Alters noch immer als graue Eminenz der chinesischen Untergrundkirche. Am kommenden 13. Januar wird er 92 Jahre alt.
Die verstärkte Annäherung an Peking begann, als gegen Ortega, seine Frau und Vizepräsidentin Rosario Murillo, seine Kinder und eine lange Liste weiterer Sandinisten von den USA, Großbritannien und der EU Wirtschaftssanktionen verhängt wurden.
Die heute im Exil lebende nicaraguanische Rechtsanwältin Martha Patricia Molina dokumentiert seit 2018 die Angriffe des Regimes gegen die katholische Kirche. Mehr als 700 wurden von ihr registriert, 307 davon allein im Jahr 2023. Die staatliche Unterdrückung werde immer schärfer, so Molina.
China, das Ortegas „strategischer Partner“ werden soll, ist für seine Kirchenverfolgung bekannt. Am 2. Januar wurde Msgr. Peter Shao Zhumin, der Bischof von Wenzhou in der Provinz Zhejiang, verhaftet. Der 61jährige kirchentreue Prälat wurde an einen unbekannten Ort verschleppt, weil er sich weigert, den von den Kommunisten zur Kontrolle der Kirche geschaffenen Parallelinstitutionen beizutreten. Bischof Zhumin war bereits 2018 und dann wieder 2021 für mehrere Monate bzw. Wochen verschleppt worden, um ihn durch „Gehirnwäsche“ zur Unterwerfung zu bringen. Alle drei Verhaftungen erfolgten nach der Unterzeichnung des Geheimabkommens zwischen dem Heiligen Stuhl und China, wurden also durch dieses nicht verhindert.
Die chinesische Methode
Bischof Mora in Nicaragua wurde kurz vor Weihnachten inhaftiert in der offensichtlichen Absicht, ihn an der Zelebration des Hochfestes zu hindern.
„Ich habe keinen Zweifel daran, daß die Verschärfung der Verfolgung der katholischen Kirche in Nicaragua ein Versuch der Diktatur ist, das Modell der Kommunistischen Partei Chinas und, in geringerem Maße, auch das kubanische Modell zu kopieren“, zitiert Centroamérica360° den nicaraguanischen Oppositionsführer Felix Maradiaga, der Vorsitzender der Fundación Libertad ist.
Maradiaga weiß, wovon er spricht: Er wollte bei den Präsidentschaftswahlen 2021 gegen Daniel Ortega kandideren und wurde deshalb kurz vor dem Urnengang inhaftiert und von der Kandidatenliste gestrichen.
„Heute kann die katholische Kirche in China und auf Kuba nur mit Genehmigung und unter Aufsicht des Staates tätig sein. Mit anderen Worten: Es gibt eine staatlich anerkannte Kirche. Und es gibt in China und auf Kuba auch Priester und Missionare, die ihren pastoralen Auftrag weitgehend im Verborgenen ausüben müssen“, so Maradiaga.
Der chinesische Fall sei noch extremer, da dort Bischöfe direkt von der Kommunistischen Partei, ohne Zustimmung des Vatikans, ernannt werden.
„Es scheint, daß das sandinistische Regime von Ortega Ambitionen hat, eine ähnliche Kontrolle über die katholische Kirche zu erlangen“, so Maradiaga.
Spionage gegen die Kirche
Das Hauptziel in China wie in Nicaragua ist die Kontrolle über die Kirche und ihre Ausschaltung als eigenständiger Akteur. Die Kommunisten und Sandinisten bedienen sich des Staates, seiner Machtinstrumente und seines Gewaltmonopols, um jede unabhängige Regung in der Kirche auszuschalten.
Wer nicht spurt oder einfach im Weg steht, wird beiseitegeräumt. So geschehen am 18. August 2022, als die neugotische Kirche von Beihan im Distrikt Wanbailin in der Erzdiözese Taiyuan samt ihrem 40 Meter hohen Glockenturm gesprengt wurde, um der „Stadterweiterung“ Platz zu machen.
Mit Razzien, Geldstrafen, Schikanen und der Verweigerung von Rechten wird von der Polizei gegen Pfarreien, Klöster und Diözesen vorgegangen. Staatsbeamte schrecken nicht davor zurück, Messen, Taufen, Hochzeiten oder Wallfahrten zu stören. Auch Internetübertragungen von Gottesdiensten werden vom Regime gezielt gestört. Durch Einschüchterung und Repression sollen Priester und Gläubige gefügig gemacht werden.
Chinesischer Rat an Ortega?
Exportiert das kommunistische China sein „Modell“ der Religionspolitik in andere Länder? Birma und Äthiopien sind zwei Länder mit repressiver Religionspolitik. Die Vorgehensweise der dort herrschenden Regime ähnelt jener Chinas. Tatsächlich unterhalten beide Staaten enge Beziehungen zu Peking. Wie in China, so werden auch in diesen Ländern Baugenehmigungen als Waffen gegen die Kirche eingesetzt und wie in China nicht nur mit dem Abriß von Kirchen, Klöstern und anderen kircheneigenen Gebäuden gedroht, sondern dieser auch durchgeführt.
Die Mächtigen dieser drei Staaten wollen die völlige Kontrolle über die Kirche und verlangen von dieser, das Regime zu stützen.
Ob China direkt Nicaragua berät, lasse sich in der Sache nicht sagen, so Evan Ellis, Professor für Lateinamerika-Studien am US Army War College. Es sei aber offensichtlich, daß Nicaragua vom chinesischen Modell lerne. In anderen Bereichen sei die Kooperation sehr wohl nachzuweisen:
„Die Interaktionen zwischen Nicaragua und China im Bereich der elektronischen Medien und der Spionage haben sich vertieft“, so Ellis.
Der im Exil lebende Weihbischof von Managua, Msgr. Silvio Báez, forderte in seiner Predigt am Dreikönigsfest die internationale Staatengemeinschaft auf, die Sanktionen gegen das Ortega-Murillo-Regime zu verschärfen. Die Kirche stelle dem „Haß“ des Regimes den Frieden entgegen, so Msgr. Báez.
Auch Papst Franziskus nahm gestern bei seinem traditionellen Neujahrsempfang für das Diplomatische Corps zur Lage in Nicaragua Stellung:
„Noch immer gibt die Situation in Nicaragua Anlaß zur Sorge: eine anhaltende Krise mit schmerzhaften Folgen für die gesamte nicaraguanische Gesellschaft und insbesondere für die katholische Kirche. Der Heilige Stuhl hört nicht auf, zu einem respektvollen diplomatischen Dialog zum Wohle der Katholiken und der gesamten Bevölkerung aufzurufen.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Centroamérica360° (Screenshot)
Wir Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH) wurden vor vielen Jahren von unserem Dienstherrn aufgerufen, freiwillig auf die Centbeträge unseres monatlichen Gehaltes zugunsten Nicaraguas zu verzichten, da die Hansestadt offenbar freundschaftliche Beziehungen zu den Sandinisten unterhielt.
Gottlob habe ich dem Ansinnen der FHH seinerzeit und bis dato widerstanden.