
(Rom) Das Geheimabkommen über Bischofsernennungen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Volksrepublik China, das in diesem Monat ausläuft, soll verlängert werden. Vom Vatikan wurde bestätigt, daß von Papst Franziskus grünes Licht dazu gegeben wurde. Während Santa Marta die Annäherung sucht, sehen andere im kommunistischen Regime sogar einen unfreiwilligen „Verbündeten“ der Missionierung Chinas.
Im September 2018 war das auf zwei Jahre befristete Geheimabkommen unterzeichnet worden. Das Abkommen ist umstritten und wird von Kritikern als Neuauflage der vatikanischen Ostpolitik gesehen, die in den 60er und 70er Jahren gegenüber dem damaligen kommunistischen Ostblock betrieben wurde. An diese Kritik erinnerte gestern auch der Bergoglianer und Vatikankorrespondent von Reuters Philip Pullella.
Für Kardinal Joseph Zen, emeritierter Bischof von Hongkong und graue Eminenz der chinesischen Untergrundkirche, habe sich die Kirche damit sogar an das kommunistische Regime verkauft. Zudem lastet der Schatten des ehemaligen Kardinals Theodore McCarrick auf dem Abkommen, dem wegen seines homosexuellen und pädophilen Doppellebens kurz vor der Unterzeichnung die Kardinalswürde aberkannt und der später sogar laisiert wurde. McCarrick hatte im Auftrag von Papst Franziskus die ersten Fäden nach Peking gezogen.
Pullella bestätigte gestern die schon seit Wochen in Rom kursierenden Stimmen, daß der Heilige Stuhl eine unveränderte Verlängerung des bestehenden Vertragswerkes wünscht. Vatikandiplomaten machen inoffiziell kein Hehl daraus, daß Verhandlungen mit einem „atheistischen kommunistischen Regime, das Religion als Einmischung betrachtet”, äußert schwierig sind.
Anders als von Santa Marta erhofft, brachten die beiden zurückliegenden Jahre keine weitere Annäherung, die eine Erweiterung des Abkommens ermöglichen würde. Vielmehr will die vatikanische Diplomatie möglichst nicht am Abkommen rühren, um zumindest das Bestehende über das Ablaufdatum hinaus zu bewahren. Pullellas vatikanische Quelle brachte die zurückgeschraubten Erwartungen so auf den Punkt:
„Was wir haben, ist besser als gar kein Abkommen.”
Kurz nach dem Reuters-Bericht bestätigte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin offiziell gegenüber SIR, der Presseagentur der Italienischen Bischofskonferenz, daß das Geheimabkommen verlängert werden soll. Der Kardinalstaatssekretär bestätigte, daß die erzielten Ergebnisse der vergangenen zwei Jahre „nicht besonders aufregend” gewesen seien. Das Abkommen sei Ausdruck der Bemühungen, die Beziehungen zur Volksrepublik China und das Leben der Kirche dort zu „normalisieren”. Wörtlich sagte Kardinalstaatssekretär Parolin in der Sprache des Diplomaten:
„Mit China ist es unser Interesse, das Leben der Kirche so weit wie möglich zu normalisieren, um sicherzustellen, daß die Kirche ein normales Leben führen kann, was für die katholische Kirche auch darin besteht, die Beziehungen zum Heiligen Stuhl und zum Papst aufrechtzuerhalten. (…) Unsere Perspektive ist auf diesen kirchlichen Ansatz gerichtet, im Rahmen eines friedlichen Zusammenlebens Frieden zu suchen und Spannungen zu überwinden.”

Was unter dieser „Normalisierung” zu verstehen ist, darüber gehen die Meinung zwischen Santa Marta und den kirchentreuen chinesischen Untergrundkatholiken allerdings weit auseinander. Das Abkommen brachte zwar eine gewisse Gesprächsbereitschaft auf diplomatischer Ebene, auf die Parolin anspielte, aber keinen Nutzen für Chinas Katholiken. Diese werden weiter unterdrückt. Ihre Kinder dürfen in mehreren Provinzen eine Kirche nicht einmal betreten, und die Kirche darf keinerlei Aktivitäten für und mit Minderjährigen anbieten. Trotz des Abkommens wurden weiterhin Kirchen und Klöster zerstört und religiöse Symbole beseitigt. Chinas Katholiken wollen diese „Normalität” nicht. Sie wollen auch keine „Sinisierung” der Kirche, wie sie vom Regime verlangt wird, wenn das bedeutet, daß das Kreuz und andere religiöse Symbole durch Sichel und Hammer und Bilder von Mao Tse-tung und Xi Jinping ersetzen werden müssen.
Auch weiterhin soll der genaue Inhalt des Abkommens geheim bleiben.
Der Kardinalstaatssekretär spielte indirekt den Kritikern des Geheimabkommens in die Hände, indem er selbst einen Zusammenhang mit der vatikanischen Ostpolitik herstellte. Seine Stellungnahme erfolgte nämlich gestern am Rande einer Veranstaltung an der Italienischen Botschaft beim Heiligen Stuhl im Gedenken an den vor einem Jahr verstorbenen Achille Kardinal Silvestrini, an der auch Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte teilnahm. Silvestrini war nicht nur dessen Förderer, sondern auch ein „subtiler Interpret“ der Ostpolitik, wie Kardinal Parolin in seiner Rede sagte. Was der Kardinalstaatssekretär nicht erwähnte: Kardinal Silvestrini war auch Mitglied des Geheimzirkels von Sankt Gallen (siehe auch Kardinal Silvestrini – ein großer Gegner von Benedikt XVI.).
Die Partei kann auf die Wahrheitsfrage keine Antwort geben
Unterdessen veröffentlichte China Source, ein evangelikales Missionswerk in den USA, unter dem Pseudonym Steve Z., mutmaßlich ein chinesischer Pastor, einen Beitrag über die Zukunftsaussichten des Christentums in der Volksrepublik China. Der Autor beschreibt, daß die Chinesen im Christentum die Antworten auf Fragen und Bedürfnisse finden, die von der Kommunistischen Partei Chinas aufgeworfen und geweckt, aber nicht beantwortet und befriedigt werden.
Das kommunistische Regime verfolgte die Christen bis in die 70er Jahre mit großer Grausamkeit, schwieg sie dann tot oder stellte sie noch in seiner Erhebung von 2010 als letzten Rest dummer Bauern in unterentwickelten Gegenden dar. Die Wirklichkeit sieht ganz anders aus, wie Steve Z. darlegt. Laut seinen Erhebungen sind die Christen Chinas vorwiegend weiblich, urban und gut gebildet. Der Weg zum Christentum erfolgt über die Suche nach der Wahrheit.
Laut Brent Fulton, dem Gründer von China Source, werde das kommunistische Regime paradoxerweise und unfreiwillig zum „besten Verbündeten” des Christentums. In der kommunistischen Erziehung werde großer Wert auf die Betonung der „Wahrheit” gelegt. Die Partei sei aber nicht imstande auf die Wahrheitsfrage und die letzten Dinge überzeugende Antworten zu geben. Die Antworten können die Menschen aber im christlichen Glauben finden.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Tempi/Vatican.va (Screenshot)