Von Antonio Socci*
Angesichts der Kriegswinde, die über die Welt wehen, brauchte es nur das in unseren Breitengraden sehr seltene Phänomen der Nordlichter am Sonntagabend, um die Prophezeiungen von Fatima in Erinnerung zu rufen.
Es wurde daran erinnert, daß die Gottesmutter am 13. Juli 1917 einen Krieg voraussagte, der noch schlimmer sein würde als der Erste Weltkrieg, wenn sich die Menschheit nicht bekehrte, und daß der neue Konflikt durch eine Nacht angekündigt würde, „die von einem unbekannten Licht erhellt wird“. In der Tat gab es am 25. Januar 1938 das Polarlicht. Und das Phänomen wiederholte sich in den Morgenstunden des 23. August 1939, jenes Tags, an dem der Ribbentrop-Molotow-Pakt unterzeichnet wurde, der den Weg für den Krieg ebnete (der am 1. September begann). Heute befürchtet Papst Franziskus einen „stückweisen dritten Weltkrieg“, der die Welt in Brand zu setzen droht. Es ist kein Zufall, daß der Papst am 25. März 2022, nach der russischen Invasion in der Ukraine, Rußland (und die Ukraine) dem Unbefleckten Herzen Mariens weihte, worum die Gottesmutter in Fatima zum Schutz der Menschheit gebeten hatte.
Der Zeitpunkt
In bezug auf diese prophetische Botschaft fragt man sich, ob es etwas gibt, das – wie einige spekuliert haben – noch nicht enthüllt wurde. Um diese ganze Angelegenheit zu erhellen, kommt heute [gestern] mit providentieller Pünktlichkeit Saverio Gaetas Essay: „I segreti di suor Lucia. Fatima, la verità mai detta“ („Die Geheimnisse von Schwester Lucia. Fatima: Die Wahrheit, die nie gesagt wurde“, Piemme, 272 Seiten, Euro 19,90) in den Buchhandel, von dem wir einige der sensationellsten Inhalte vorwegnehmen. Gaeta war in der Lage, Dokumente zu lesen, die jahrzehntelang im Vatikan vergraben waren und die wichtige Enthüllungen enthalten. Bevor wir uns einige von ihnen ansehen, wollen wir uns die Geschichte in Erinnerung rufen.
Die Marienerscheinungen von Fatima – vom 13. Mai bis zum 13. Oktober 1917 – wurden von der Kirche sehr früh anerkannt, wahrscheinlich wegen des beeindruckenden öffentlichen Sonnenwunders am 13. Oktober. Die Botschaft von Fatima ist prophetisch. Die Gottesmutter hat nämlich – am 13. Juli 1917 – das baldige Ende des Ersten Weltkriegs, die bolschewistische Revolution in Rußland und die Kriege und Verfolgungen (gegen Christen), die sie auslösen würde, vorausgesagt; und schließlich (wenn die Menschheit ihren Kurs nicht ändern sollte) die Ankunft eines zweiten Weltkriegs, der schlimmer ist als der erste („ein atheistischer Krieg gegen den Glauben, gegen Gott, gegen das Volk Gottes. Ein Krieg, der das Judentum ausrotten wollte, aus dem Jesus Christus, die Gottesmutter und die Apostel stammen“, schrieb Schwester Lucia vor vierzig Jahren). All dies – mit der Vision der Hölle – ist in den ersten beiden Teilen des Geheimnisses enthalten. Der dritte Teil blieb lange in den Mauern des Vatikans verborgen, was tausend apokalyptische Gerüchte über katastrophale Ereignisse für die Menschheit und schwere Krisen des Glaubens und der Kirche genährt hat.
Die Fragen
Schließlich beschloß Johannes Paul II. im Heiligen Jahr 2000, den Inhalt bekannt zu machen. In diesem dritten Teil beschreibt Lucia die Vision vom 13. Juli 1917: eine verwüstete Stadt mit vielen Leichen, durch die ein alter Papst schreitet, bis er ein Kreuz erreicht, an dessen Fuß er zusammen mit einer großen Zahl von Priestern und Gläubigen den Märtyrertod erleidet.
Die Veröffentlichung dieses Textes warf jedoch neue Fragen auf. Es erschienen Bücher, die auf der Grundlage verschiedener Elemente spekulierten, daß nicht das gesamte dritte Geheimnis enthüllt worden sei, sondern ein Teil fehle, der offensichtlich einen brisanten Inhalt haben müsse. Nun konnte Gaeta viele Dokumente einsehen und analysieren, die im Rahmen des Heiligsprechungsprozesses von Schwester Lucia gesammelt wurden, und hat einige durchschlagende Bestätigungen gefunden. Vor allem der bisher unbekannte Brief, den Schwester Lucia an Paul VI. schrieb, nachdem sie sich in Fatima nicht persönlich getroffen hatten. Der Brief, so Gaeta,
„beweist unwiderlegbar, was wir seit einiger Zeit vermuten, indem er wichtige Hinweise zusammenstellt: Der Inhalt des dritten Teils des Geheimnisses von Fatima, der vom Heiligen Stuhl am 26. Juni 2000 bekanntgegeben wurde (…) ist tatsächlich das, was die Rosenkranzmadonna der Hirtin während der Erscheinung vom 13. Juli 1917 in der Cova da Iria mitgeteilt hat“.
Aber zu dieser Vision, so Gaeta weiter,
„fügte die Jungfrau (…) Details und Klarstellungen hinzu, die die Bedeutung jener erschütternden Bilder erhellt haben: sehr wichtige übernatürliche Offenbarungen, die immer noch vertraulich behandelt werden, deren Existenz bereits in der Verbreitung des Hinweises der Jungfrau deutlich wurde, als sie Schwester Lucia am 3. Januar 1944 erlaubte, endlich den dritten Teil des Geheimnisses zu schreiben, wobei sie sich jedoch auf das beschränkte, „was sie dir befehlen, aber nicht, was du von seiner Bedeutung zu verstehen bekommen hast“.
Hier also der Text des Briefes, den Schwester Lucia am 22. August 1967 an Papst Paul VI. schrieb:
„Eine der Fragen, die mir in letzter Zeit gestellt wurden, lautet: Ist die gesamte Botschaft bereits der Kirche übergeben worden? Ich habe mit Ja geantwortet. Ich hätte sagen sollen: In bezug auf die Fakten ja, aber in bezug auf die Perspektive und die besonderen Aspekte nein. Aber ich habe diese Antwort nicht gegeben, um keine weiteren Fragen aufkommen zu lassen, deren Beantwortung unangenehm wäre. Die wichtigsten Punkte der Botschaft sind: 1. Das unermeßliche Licht, das Gott war und am 13. Juni 1917 manifestiert wurde. Ich sagte, daß dieses Licht gezeigt wurde, aber nicht seine Entwicklung. 2. Die Worte der Muttergottes: ‚In Portugal wird das Glaubensdogma immer bewahrt werden‘, am 13. Juli 1917. Ich habe sie gesagt und diese Worte sind veröffentlicht, aber nicht ihre Bedeutung. 3. ‚Am Ende wird mein Unbeflecktes Herz triumphieren‘. Ich habe diese Worte gesagt und sie sind veröffentlicht, aber nicht ihre Bedeutung,“
Dieses Schreiben, so Gaeta, sei „ein Grabstein für die Darstellung des Vatikans“ und insbesondere für „die sich daraus ergebende Folgerung des ‚alles ist offenbart‘, die die Haltung des Heiligen Stuhls stets geprägt hat“.
Andere Schreiben
Es gibt noch andere Schreiben von Schwester Lucia, „sogar in den Unterlagen, die den Theologen zur Verfügung gestellt wurden, die die Aufgabe hatten, den heroischen Tugendgrad der Karmelitin zu ermitteln“, in denen, so Gaeta, „offensichtliche Lücken und unverständliche Zensuren zu finden sind“. Das „auffälligste Beispiel“, so Gaeta, „betrifft einen Vorfall im Sommer 1977, nachdem die Ordensfrau am 31. Mai an Paul VI. geschrieben hatte, um ihn zu ermutigen, ein Dokument zu veröffentlichen, das den möglichen Einfluß linksextremer Bewegungen auf die Kirche entschieden zurückweisen sollte:
„Wir müssen unsere kommunistischen und marxistischen Brüder lieben, für sie zu Gott beten und ihnen alles Gute wünschen, denn sie sind wie wir Kinder Gottes. […] Aber wir können uns nicht an ihre Ideologien halten oder sie akzeptieren, da sie auf Atheismus, Ungerechtigkeit und Gewalt beruhen. […] Der Pluralismus rechtfertigt vor Gott nicht den Unglauben, die Ungerechtigkeit und die Gewalt, auch nicht den Mangel an Wahrheit, mit dem sie die Menschen täuschen, indem sie etwas versprechen, was sie weder geben noch tun. Die Verzögerung bei der Veröffentlichung dieses Dokuments gibt Anlaß zu noch mehr Verwirrung und Mißverständnissen über die Position, die wir einnehmen müssen. Das Schweigen kann für bare Münze genommen werden.“
Gaeta [der nicht die Originale, sondern für den Seligsprechungsprozeß angefertigte Abschriften zu sehen bekam] schreibt dazu:
„Am 3. September notierte (Lucia) in ihrem Tagebuch, daß der Bischof von Coimbra ihr im Namen des Heiligen Stuhls zwei Fragen gestellt hatte: ‚Ob der Brief, den ich an den Heiligen Vater gerichtet habe, durch eine übernatürliche Intervention motiviert war? Und zweitens, ob er durch das Eingreifen anderer Personen motiviert war? Ich antwortete, daß es aus zwei Gründen war’. Seltsamerweise erscheinen jedoch nach diesem Satz eckige Klammern mit den verdächtigen Punkten, die darauf hinweisen, daß der klärende Texte unerfindlicherweise nicht wiedergegeben wurde.“
Diese Klarstellung wäre angesichts der zentralen Rolle, die der Kommunismus und Rußland in der Fatima-Botschaft spielen, sehr wichtig gewesen. Und die im übrigen auch in der Geschichte unserer Tage weiterhin eine zentrale Rolle spielen.
Noch wertvoller wären die „inspirierten“ Klarstellungen, die Schwester Lucia in dem (unveröffentlichten) Brief an Paul VI. aufgeführt hat, den ich zitiert habe.
Sie wären besonders nützlich, um die Vision des dritten Geheimnisses zu entschlüsseln, die der Vatikan im Jahr 2000 veröffentlicht hat – und die sich nach Gaeta offenbar nicht auf das Attentat auf Johannes Paul II. im Jahr 1981 bezieht.
Die Ausführungen von Schwester Lucia in diesem Schreiben legen nahe, daß das, was noch immer geheim ist, sowohl das Schicksal der Kirche als auch das Schicksal der Welt betrifft. Die Dringlichkeit, diese Botschaft zu übermitteln, und ihre Besorgnis geben Anlaß zum Nachdenken.
Die Beklemmung
Das „dritte Geheimnis“ wird von Anfang an von der Beklemmung der Seherin begleitet. Gaeta schreibt:
„Eine Frage, die sich Pater Alonso bereits 1976 gestellt hatte, betraf den Grund für die Schwierigkeiten, auf die die Seherin beim Schreiben des dritten Teils des Geheimnisses gestoßen war, nachdem sie bereits andere, äußerst schwierige Dinge mitgeteilt hatte: ‚Wenn es sich einfach um die prophetische Ankündigung neuer und großer Katastrophen gehandelt hätte, wären Schwester Lucia sicher nicht solche Schwierigkeiten entstanden, deren Überwindung ein besonderes Eingreifen des Himmels erforderte. Wenn es sich jedoch um interne Streitigkeiten in der Kirche selbst und um schwerwiegende pastorale Nachlässigkeiten seitens hoher Hierarchen handelte, ist es verständlich, daß Lucia eine Abneigung empfand, die auf natürlichem Wege kaum zu überwinden war‘.“
Welches „Eingreifen des Himmels“ die Seherin dazu bewegte, das Dritte Geheimnis zu schreiben, wurde vor zehn Jahren mit der offiziellen Biografie entdeckt, die vom Karmel von Coimbra veröffentlicht wurde, wo Schwester Lucia lebte und 2005 starb.
Dort wird nämlich eine Seite aus dem Tagebuch der Seherin wiedergegeben, in der sie berichtet, daß ihr, während sie verweilte und betete, „die Mutter des Himmels“ erschien und zu ihr sagte: „Sei ruhig und schreibe auf, was sie dir befehlen, aber nicht, was du von ihrer Bedeutung zu verstehen bekommen hast“ (d. h. nur die Vision und nicht ihre Bedeutung, die ihr von der Jungfrau erklärt wurde). Unmittelbar danach, so Schwester Lucia,
„fühlte ich, wie mein Geist von einem geheimnisvollen Licht durchflutet wurde, das Gott ist, und in ihm sah und hörte ich: die Spitze des Speers als eine Flamme, die ausbricht, die Achse der Erde berührt und sie erbeben läßt: Berge, Städte, Ortschaften und Dörfer mit ihren Bewohnern werden begraben. Das Meer, die Flüsse und die Wolken geraten außer Rand und Band, treten über die Ufer, überschwemmen und reißen in einem Wirbelsturm Häuser und Menschen in nicht zu zählender Zahl mit sich, es ist die Reinigung der Welt von der Sünde, in die sie eingetaucht ist. Haß, Ehrgeiz, provozieren den zerstörerischen Krieg. Danach hörte ich in meinem pochenden Herzen und in meinem Geist eine sanfte Stimme, die sagte: ‚In der Zeit: ein Glaube, eine Taufe, eine Kirche, heilig, katholisch, apostolisch. In der Ewigkeit: der Himmel!‘. Dieses Wort ‚Himmel‘ erfüllte mein Herz mit Frieden und Glück“.
Es ist offensichtlich, daß etwas Wichtiges noch nicht bekannt gemacht wurde: die Erklärung der Vision. Benedikt XVI. sagte während seiner Pilgerreise im Mai 2010 in Fatima:
„Wer glaubt, daß die prophetische Mission Fatimas beendet sei, der irrt sich“.
Und er sagte auch, daß durch die Botschaft von Fatima „Realitäten der Zukunft der Kirche aufgezeigt (werden), die sich nach und nach entfalten und zeigen“, und „daher werden Leiden der Kirche angekündigt“.
Gaetas aufsehenerregendes Buch wird eine Debatte auslösen und dazu führen, den Heiligen Stuhl aufzufordern, alles, was noch verborgen ist, bekannt zu machen. Es ist richtig, daß alle wissen und entscheiden, ob sie der Prophezeiung Unserer Lieben Frau von Fatima glauben und ihrem Ruf folgen wollen.
*Antonio Socci studierte Literaturwissenschaften; bis zu seiner Bekehrung war er in der radikalen Linken aktiv; seit 1984 Journalist, mit Ausnahme von drei Jahren, in denen er die Kulturabteilung seiner Heimatprovinz Siena leitete, Vater von drei Kindern, kurzzeitig Chefredakteur der Monatszeitschrift 30giorni, Kolumnist der Tageszeitungen Il Giornale, Libero, Il Foglio, 2002–2004 Chefredakteur-Stv. der Nachrichtenredaktion des staatlichen Fernsehsenders RAI 2, 2004–2020 Direktor der Hochschule für Fernsehjournalismus an der Universität Perugia (eine Stelle, von der er nach Polemiken zu seiner Kritik an Papst Franziskus zurücktrat), Autor zahlreicher Bücher.
Der Aufsatz wurde heute zeitgleich auch in der Tageszeitung Libero und auf Antonio Soccis Blog „Lo Straniero“ veröffentlicht.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Telegram/MiL (Screenshot)