„Das sieht nach viel Blut aus“

Das große Nordlicht, Fatima und der Krieg


In der Nacht auf heute wurde in der Gegend von Odessa wie in weiten Teilen Europas ein großes Nordlicht beobachtet. Im Kriegsgebiet im Süden der Ukraine und Rußlands zeigte es sich in tiefem Rot.
In der Nacht auf heute wurde in der Gegend von Odessa wie in weiten Teilen Europas ein großes Nordlicht beobachtet. Im Kriegsgebiet im Süden der Ukraine und Rußlands zeigte es sich in tiefem Rot.

Auf der Son­ne toben der­zeit gewal­ti­ge Stür­me. Trotz der rie­si­gen Ent­fer­nung beka­men beacht­li­che Tei­le Euro­pas in der ver­gan­ge­nen Nacht etwas mit, weil der Him­mel sich in ganz unge­wöhn­li­che Far­ben tauch­te. Die­ses Phä­no­men wird Auro­ra Borea­lis genannt und ist auch unter dem Begriff Nord­licht oder Polar­licht bekannt. Die Wis­sen­schaft kann die­ses Natur­phä­no­men erklä­ren, doch die Fra­ge ist, ob es ein Zei­chen mit einer ganz bestimm­ten Bedeu­tung ist.

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Nord­lich­ter sind, wie der Name besagt, auf Island und im Nor­den Skan­di­na­vi­ens kei­ne Sel­ten­heit und ein begehr­tes Foto­mo­tiv. Tre­ten sie jedoch gut sicht­bar auch wei­ter im Süden auf, sor­gen sie, da so außer­ge­wöhn­lich, für gro­ßes Auf­se­hen, mit dem ein Schau­der ver­bun­den ist. 

In der Nacht auf heu­te zeig­te der Him­mel über Schott­land, Irland und Eng­land, über Däne­mark, Sach­sen, Bay­ern und Nord­ita­li­en, über Öster­reich, Polen, der Ukrai­ne und Ruß­land ein fas­zi­nie­ren­des Schau­spiel. Das Fir­ma­ment zeig­te sich trotz der Dun­kel­heit in Gelb‑, Grün‑, Blau- und Pink-Tönen. Beson­ders ein­drucks­voll sind jedoch die Rot-Töne über der Ukrai­ne. Zwi­schen Char­kow und Odes­sa, über dem gesam­ten Kriegs­ge­biet, ver­färb­te sich der Him­mel rot, blutrot.

Hat das etwas zu bedeuten?

Blut­rot erin­nert unwei­ger­lich an Krieg. Der­zeit toben unter den vie­len zwei, die auch den Westen in Atem hal­ten, da bei­de die Gefahr in sich ber­gen, zu eska­lie­ren und zum Flä­chen­brand zu wer­den. Das gilt sowohl für den Krieg in der Ukrai­ne als auch für den Krieg im Gaza­strei­fen, der auf den Hamas-Angriff auf Isra­el folgte.

Fatima, die Prophezeiung und das Nordlicht 1938

Das atmo­sphä­ri­sche Schau­spiel der ver­gan­ge­nen Nacht erin­nert vor allem an ein histo­ri­sches Ereig­nis und stellt es dadurch in einen Bezug damit. In Fati­ma war es bei der letz­ten Mari­en­er­schei­nung am 13. Okto­ber 1917 zu sei­nem Son­nen­wun­der gekom­men, das vor Ort von über 30.000, ins­ge­samt aber in der Umge­bung wohl von über 70.000 Men­schen gese­hen wur­de. Im Zusam­men­hang mit Fati­ma war auch eine War­nung ergan­gen. Soll­ten sich die Men­schen nicht bekeh­ren, wer­de es zu einem noch schreck­li­che­ren Krieg als dem Ersten Welt­krieg kom­men. Die­ser wer­de durch ein Him­mels­zei­chen angekündigt.

Die Ordens­frau Lucia dos San­tos, das ein­zi­ge damals noch leben­de Seh­erkind von Fati­ma, deu­te­te am 31. August 1941 das gro­ße Nord­licht, das Anfang 1938 über dem Groß­teil Euro­pas bis hin­un­ter nach Spa­ni­en und Por­tu­gal zu sehen war, als das ange­kün­dig­te Zei­chen des bevor­ste­hen­den Krie­ges. Sie tat dies in einem Brief an den Bischof von Lei­ria, dem sie das soge­nann­te Drit­te Geheim­nis von Fati­ma mit­teil­te. Die­se Deu­tung des Nord­lichts am 25. Janu­ar 1938 war kei­ne Pro­phe­zei­ung, son­dern eine Deu­tung der Pro­phe­zei­ung. In Ber­lin war das Nord­licht wegen dich­ter Bewöl­kung und Regen nicht zu sehen.

Das­sel­be Nord­licht wur­de auch bei Rostow am Don in Süd­ruß­land beobachtet

Der 1925 gebo­re­ne Alfred Pietsch beschreibt für Wien die­ses Nord­licht, das auch Sr. Lucia im fer­nen Spa­ni­en beob­ach­tet hat­te. In sei­nen 2004 im Wie­ner Mol­den-Ver­lag ver­öf­fent­lich­ten Memoi­ren: „Es reg­ne­te Haken­kreu­ze: Ein jun­ger Wie­ner über­lebt das Drit­te Reich“ berich­tet er das Erleb­te. Als Zeit­punkt des Gesche­hens nennt er „Janu­ar 1936“, für den jedoch kein sol­ches Phä­no­men über­lie­fert ist, wes­halb sich das Beschrie­be­ne mit größ­ter Wahr­schein­lich­keit viel­mehr auf den Janu­ar 1938 bezie­hen dürfte:

„Im Janu­ar 1936 [1938] erleb­te unse­re Fami­lie eines Nachts vom Fen­ster aus ein beein­drucken­des Natur­schau­spiel. Über län­ge­re Zeit war am gan­zen Him­mel ein herr­lich schil­lern­des Licht zu sehen. Die­ses Licht glänz­te in einem gran­dio­sen Far­ben­spek­trum. Die Far­ben Oran­ge, Blau, Vio­lett und Rot schim­mer­ten über den nord­west­li­chen Him­mel Wiens. Mit Span­nung beob­ach­te­ten wir die­ses Ereig­nis. Die Nach­rich­ten im Radio berich­te­ten dann über ein gro­ßes Nord­licht. Am näch­sten Tag bespra­chen wir mit Nach­barn und Freun­den auf­ge­regt und beein­druckt die­ses ein­ma­li­ge Gesche­hen. Unter den älte­ren Leu­ten gab es eini­ge, die sag­ten: ‚Das ist ein Zei­chen des Him­mels! Ein Nord­licht kün­digt immer Unheil oder gro­ße Ereig­nis­se an!‘“

Die Deu­tung der Wie­ner Fami­lie Pietsch unter­schei­det sich im Kern nicht von jener der Ordens­frau Lucia dos San­tos. Erste­ren ist der Zusam­men­hang nicht bekannt, den sie jedoch intui­tiv zu erah­nen schei­nen. Der Histo­ri­ker Rober­to de Mat­tei schrieb 2017 zum hun­dert­sten Jah­res­tag der ersten Mari­en­er­schei­nung in Fatima:

„Fati­ma lehrt uns, auf den Him­mel zu achten“.

Sr. Lucia deu­te­te 1941 das Nord­licht des 25. Janu­ar 1938 als die ange­kün­dig­te War­nung des Him­mels, daß es zu einem gro­ßen Krieg kom­men wer­de. Die­ser Krieg brach dann tat­säch­lich am 1. Sep­tem­ber 1939 aus. Dazwi­schen lie­gen aller­dings mehr als 19 Mona­te. Eine doch sehr lan­ge Zeit. War am 25. Janu­ar 1938 ein gro­ßer Krieg erkenn­bar, zu einem Zeit­punkt, als die pol­ni­sche Staats­füh­rung in Paris und Lon­don für einen Angriff auf NS-Deutsch­land warb und der Mei­nung war, das Deut­sche Reich im Zwei­fel auch im Allein­gang mili­tä­risch nie­der­rin­gen zu können?

Aller­dings: Im März 1938 wur­de Öster­reich an das Deut­sche Reich ange­schlos­sen, im Okto­ber des­sel­ben Jah­res das Sude­ten­land, im März 1939 löste sich die Tsche­cho­slo­wa­kei auf und das Reichs­pro­tek­to­rat Böh­men und Mäh­ren wur­de errich­tet, eben­falls im März wur­de von Litau­en die Rück­ga­be des Memel­lan­des an Deutsch­land erzwun­gen. Jede genann­te Etap­pe, ob im Sin­ne des Selbst­be­stim­mungs­rechts der Völ­ker legi­tim oder nicht, hät­te zu einem Krieg füh­ren kön­nen. Ita­li­en ließ im März 1938 mit dem Wohl­wol­len der West­mäch­te vier Divi­sio­nen an der Gren­ze zu Öster­reich auf­mar­schie­ren, doch dann erkann­te Mus­so­li­ni die Legi­ti­mi­tät des Wun­sches nach Wie­der­ver­ei­ni­gung zwi­schen Öster­reich und dem Deut­schen Reich an. Die Tsche­cho­slo­wa­kei war in den 30er Jah­ren ein hoch­ge­rü­ste­ter Staat, der dem von den Sie­ger­mäch­ten nach dem Welt­krieg abge­rü­ste­ten Deut­schen Reich mili­tä­risch hart­näcki­gen Wider­stand hät­te lei­sten können.

Die Deu­tung von Sr. Lucia, die selbst das Nord­licht am 25. Janu­ar 1938 in Spa­ni­en gese­hen hat­te, erscheint also durch­aus legi­tim, sofern man sie als War­nung mit Schon­frist sieht, die den Men­schen die Mög­lich­keit bot, die vom Him­mel erwar­te­te Bekeh­rung zu vollziehen.

Das große Nordlicht 1939 und der Zweite Weltkrieg

Dabei soll­te jedoch ein wei­te­res gro­ßes Nord­licht nicht über­se­hen wer­den, das bis­her in der Betrach­tung von Fati­ma wenig beach­tet wur­de. Die­ses zwei­te Nord­licht ereig­ne­te sich in den frü­hen Mor­gen­stun­den des 23. August 1939. Der Völ­ki­sche Beob­ach­ter, die Par­tei­zei­tung der NSDAP, mel­de­te in der Abend­aus­ga­be jenes Tages:

„Am Diens­tag­mor­gen von 2.45 Uhr an wur­de von der Stern­war­te Son­nen­berg am nord­west­li­chen und nörd­li­chen Him­mel ein sehr gro­ßes Nord­licht beobachtet.“

Die­ses Nord­licht war auch in Ber­lin zu sehen. Für die wei­te­ren Ereig­nis­se viel bedeut­sa­mer und aus­führ­li­cher ist die Schil­de­rung von Albert Speer, der damals offi­zi­ell Gene­ral­bau­in­spek­tor für die Reichs­haupt­stadt, fak­tisch aber Adolf Hit­lers Lei­b­ar­chi­tekt war und spä­ter auch Reichs­mi­ni­ster wur­de. Speer berich­te­te in sei­nen „Erin­ne­run­gen“, die 1969 im Pro­py­lä­en Ver­lag her­aus­ge­ge­ben wur­den, über das Natur­phä­no­men, das Hit­ler und des­sen eng­ster Mit­ar­bei­ter­stab, dar­un­ter auch Speer, am Ober­salz­berg im Berch­tes­ga­de­ner Land von der Ter­ras­se des Berg­ho­fes aus beob­ach­te­ten. Sei­ne „Erin­ne­run­gen“ ver­faß­te Speer wäh­rend der Kriegs­ge­fan­gen­schaft in den Jah­ren 1946–1966 in dem von den alli­ier­ten Sie­ger­mäch­ten betrie­be­nen Kriegs­ver­bre­cher­ge­fäng­nis Span­dau (Ber­lin).

Das gro­ße Nord­licht, wie es sich gestern nacht in der Süd­ukrai­ne und Süd­ruß­land zeigte

Am 22. August hat­te Hit­ler am Berg­hof die Mili­tär­füh­rung des Rei­ches ver­sam­melt. Vor rund 50 Gene­rä­len eröff­ne­te er sei­ne wei­te­ren Absich­ten bezüg­lich Polen. In der Nacht ereig­ne­te sich das Nord­licht, das Speer beschreibt:

„In der Nacht stan­den wir auf der Ter­ras­se des Berg­ho­fes und bestaun­ten ein selt­sa­mes Natur­schau­spiel. Ein über­aus star­kes Polar­licht über­flu­te­te den gegen­über­lie­gen­den, sagen­um­wo­be­nen Unters­berg für eine lan­ge Stun­de mit einem roten Licht, wäh­rend der Him­mel dar­über in den ver­schie­den­sten Regen­bo­gen­far­ben spiel­te. Der Schluß­akt der Göt­ter­däm­me­rung hät­te nicht effekt­vol­ler insze­niert wer­den kön­nen. Die Gesich­ter und Hän­de eines jeden von uns waren unna­tür­lich rot gefärbt. Unver­mit­telt sag­te Hit­ler: ‚Das sieht nach viel Blut aus. Die­ses Mal wird es nicht ohne Gewalt abgehen.‘“

Mehr noch: Hit­ler habe, so Speer, das Nord­licht als „Mord­licht“ bezeichnet.

Am 23. August 1939 fan­den dann in Mos­kau die ent­schei­den­den Ver­hand­lun­gen des von Hit­ler dort­hin ent­sand­ten Reichs­au­ßen­mi­ni­sters von Rib­ben­trop mit dem sowje­ti­schen Außen­mi­ni­ster Molo­tow statt. Sie führ­ten zum Durch­bruch für den Hit­ler-Sta­lin-Pakt (Rib­ben­trop-Molo­tow-Abkom­men). Das Abkom­men, das in einem gehei­men Zusatz­ab­kom­men die Auf­tei­lung Polens zwi­schen dem Deut­schen Reich und der Sowjet­uni­on und die Auf­tei­lung der Inter­es­sensphä­ren im öst­li­chen Euro­pa von den bal­ti­schen Staa­ten bis zum Schwar­zen Meer ent­hielt, öff­ne­te den Weg zum Krieg, der am 1. Sep­tem­ber durch den Ein­marsch deut­scher Trup­pen in Polen begann.

Die­ses Nord­licht scheint weit mehr das Zei­chen des Him­mels gewe­sen zu sein, mit dem der „gro­ße Krieg“ ange­kün­digt wur­de; weit zutref­fen­der als das Nord­licht vom Janu­ar 1938, das zwar auch in Spa­ni­en zu sehen war, aber nicht in Ber­lin. Wäh­rend es vom ersten Nord­licht kei­ne Über­lie­fe­rung gibt, daß Hit­ler in irgend­ei­ner Form Notiz davon nahm, spricht der Speer-Bericht über das zwei­te Nord­licht eine erschüt­tern­de Sprache.

Vor allem ereig­ne­te sich das zwei­te Nord­licht tat­säch­lich unmit­tel­bar vor Kriegs­aus­bruch. Es war ein „Kriegs­bo­te“. So ver­stand es auch Hit­ler. Acht Tage spä­ter wur­de geschossen. 

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Tele­gram-Kanä­le (Screen­shots)

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