(Rom) Kardinal Francesco Coccopalmerio, bis April 2018 Vorsitzender des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte, bezeichnete in einem Interview alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe, Teil der Homo-Lobby im Vatikan zu sein, als „falsch“. Mit einem Lächeln habe er auf jede Frage geantwortet, auch auf die Frage, warum die Vorwürfe gegen ihn erhoben werden: „Um vor allem mir zu schaden und um dem Papst zu schaden.“
Der Kirchenjurist Coccopalmerio verdankt seinen Aufstieg in die hohe kirchliche Hierarchie dem „Ante-Papa“ Carlo Maria Kardinal Martini SJ, dessen Weihbischof in Mailand er war. Mit seiner Selbstbezeichnung „Ante-Papa“ in bewußter Anlehnung an „Anti-Papa“ (Gegenpapst) verdeutlichte der Jesuit Martini seinen Anspruch als Gegengewicht zu Johannes Paul II. und als „künftiger Papst“. Dazu kam es zwar nicht. Martini starb im Sommer 2012, nicht ohne zuvor noch energisch von Papst Benedikt XVI. den Rücktritt zu verlangen. Was ihm persönlich nicht gelang, sollte 2013 einem anderen Jesuiten gelingen, den Martini bereits 2005 als Alternative zur Verhinderung von Kardinal Joseph Ratzinger unterstützt hatte: Jorge Mario Kardinal Bergoglio.
Über welche Kanäle auch immer: Es war Benedikt XVI., der Coccopalmerio 2007 nach Rom holte, wo sich dieser sehr unauffällig verhielt. Das ändert sich unter Papst Franziskus. Die neue Linie sagte dem Priester des Erzbistums Mailand offensichtlich mehr zu, wie seine öffentlichen Verteidigungen umstrittener Entscheidungen belegen.
Im Juni 2017 wurde Coccopalmerios Sekretär, Msgr. Luigi Capozzi, von der vatikanischen Gendarmerie bei einer Drogen-Homo-Party in seiner Wohnung erwischt. Pikant daran war nicht nur die Situation, sondern auch der Umstand, daß sich die Wohnung im Palast der Glaubenskongregation befand. Mit der hatte das Ganze zwar nichts zu tun, dafür aber mit der Tatsache, daß der Palast sowohl vom Vatikan als auch von Italien zugänglich ist. Offenbar eine Sicherheitslücke, die geeignet war, Drogen und Homo-Gespielen ins Gebäude zu schleusen.
Papst Franziskus ignorierte das Ereignis, das auch für Coccopalmerio keine erkennbaren Folgen hatte. Allerdings trat der Kardinal seither in der Öffentlichkeit nicht mehr mit Stellungnahmen in Erscheinung.
Im Oktober 2018, als der großteils homosexuelle Mißbrauchsskandal von Minderjährigen durch Kleriker und die Affäre McCarrick die Schlagzeilen, beherrschten, wurden weitere Details herumgereicht, die erklären könnten, warum es um den Kardinal so still geworden ist: Die kanadische Nachrichtenagentur LifeSiteNews meldete, daß nicht nur der Sekretär des Kardinals bei der Drogen-Homo-Party erwischt wurde. Die Gendarmen hätten auch Coccopalmerio selbst in der Wohnung angetroffen, diesen aber aus Gründen der Staatsräson schnell aus den Räumen geschoben und den Schleier des Schweigens darübergelegt. Entsprechende Berichte über den Vorfall erreichten auch den Papst, der Coccopalmerio aber bis zu dessen 80. Geburtstag im April 2018 im Amt beließ. Nach den Berichten wurde die Frage laut, ob der Purpurträger länger Kardinal bleiben könne. Papst Franziskus ignorierte die ganz Sache aber weiterhin.
In einem heute von InfoVaticana veröffentlichten Interview erklärte der Kardinal ein Gegner der heutigen „weiblichen Mode“ zu sein. Die steht allerdings derzeit nicht unbedingt im Mittelpunkt des Geschehens. Zum hingegen „heißen Eisen“ Homosexualität, gab sich der Kardinal recht zurückhaltend.
Was ihn persönlich betrifft, bestritt er alle homosexuellen Anschuldigungen gegen seine Person. Wäre er übrigens Papst, so Coccopalmerio, hätte er die Dubia-Kardinäle „zum Aperitif“ eingeladen.
Das Interview der Journalistin Almudena Martínez-Bordiú wurde zufällig vor dem jüngsten Flug nach Rom vereinbart und kurz vor dem Mißbrauchsgipfel im Vatikan geführt, an dem Kardinal Coccopalmerio, nicht teilnahm. Das eingangs veröffentlichte Foto des Kardinals wurde anläßlich des Interviews aufgenommen.
Einige Auszüge:
Martínez-Bordiú: Wer ist Francesco Coccopalmerio?
Kardinal Coccopalmerio: Ich kann mich als Christ definieren, der an Jesus glaubt und auf ihn hofft.
Im Alter von 13 Jahren verspürte der heutige Kardinal erstmals den Ruf zum Priestertum.
Martínez-Bordiú: Hatten Sie seither Glaubenskrisen?
Kardinal Coccopalmerio: Vielleicht nicht während meines Lebens… während der vergangenen Jahre, obwohl ich nicht sagen kann, daß ich eine Krise hatte, aber ich hatte Versuchungen.
Martínez-Bordiú: Versuchungen?
Kardinal Coccopalmerio: Ja, zu denken, daß unser Glaube nicht wahr ist. Ich glaube, daß wir alle diese Momente der Versuchung haben, die mit der Gnade des Heiligen Geistes überwunden werden müssen. Ich habe kürzlich einen sehr guten Priester getroffen, einen Missionar, der mir erzählte, daß er große Glaubenskrisen hatte, und ich glaube, daß der Herr sich dieser Erfahrung nicht entzieht. Wir haben große Heilige wie Mutter Teresa von Kalkutta … oder zuerst würde ich die heilige Therese vom Kinde Jesus nennen, die diese Erfahrungen mit der „Nacht des Glaubens“ gemacht hatte, eine Verdunkelung, als ob der Herr sich vollständig aus ihrem Leben zurückgezogen hätte. Jesus hatte diese Erfahrung auch am Kreuz.
Martínez-Bordiú: Die Kardinäle Brandmüller und Burke haben einen Brief an die Teilnehmer des Gipfels über den sexuellen Mißbrauch von Minderjährigen geschrieben. Sie weisen darin auf „das homosexuelle Übel hin, das sich innerhalb der Kirche ausgebreitet hat“ und rufen die Bischöfe auf, beim Treffen „das Schweigen zu brechen“. Erzbischof Charles Scicluna sagte, daß 80 Prozent der sexuellen Mißbrauchsopfer männlich sind. Glauben Sie, daß es einen Zusammenhang zwischen der Homosexualität und dem klerikalen Mißbrauch gibt?
Kardinal Coccopalmerio: Ich bin kein Psychologe, das hat viele Probleme und ist schwer zu beurteilen. Ich könnte es nicht einmal, wenn ich ein Psychologe wäre. Ich müßte ein Spezialist in diesem Bereich sein, daher kann ich kein Urteil abgeben. Es ist wahr, daß Homosexualität verbreitet ist, das ist eine notorische Tatsache. Daß zwischen Homosexualität und Mißbrauch ein Zusammenhang besteht, kann sein, aber ich kann es nicht mit Sicherheit sagen, weil ich kein Fachexperte bin.
Martínez-Bordiú: Denken Sie, daß dieses Thema beim Gipfel behandelt werden sollte?
Kardinal Coccopalmerio: Ich denke, daß sie darüber reden könnten, ja. Aber ich weiß nicht, worüber sie reden werden.
Martínez-Bordiú: Welche Maßnahmen müßten Ihrer Meinung nach im Hinblick auf das Übel des Mißbrauchs, an dem die Kirche leidet, ergriffen werden? Welche Lösungen kann es für die Auswahl der Priesteramtskandidaten geben?
Kardinal Coccopalmerio: Dieses Thema sollte untersucht und vertieft werden. Zum Beispiel habe ich immer die Notwendigkeit unterstützt, daß alle, die ins Priesterseminar eintreten wollen, um zu Priestern oder Diakonen geweiht zu werden, einer ernsthaften psychologischen Untersuchung unterzogen werden müssen.
Der Kodex des Kirchenrechts besagt nur: Wenn der Regens oder der Bischof eine Person zum Seminar zuläßt, können nur sie die psychische und körperliche Gesundheit des Bewerbers bezeugen. Das physische Gesundheitszeugnis kann von einem Arzt abgegeben werden, aber der psychische Test muß von einem Psychologen, von einem Arzt der Psyche, durchgeführt werden. Es ist daher notwendig, daß diese Prüfung existiert. Es reicht nicht zu sagen: „Ja, es ist eine Person, die gut scheint“. Die Psyche muß mit einer gewissen Aufmerksamkeit untersucht werden, das habe ich immer vertreten.
Meine Position, die ich für fair halte, wurde immer abgelehnt: „Es ist nicht notwendig, Mancher kann diesen Test machen, aber nicht alle …“ Es ist notwendig, daß dieser Test durchgeführt wird, und daß die Aspekte jeder Persönlichkeit angeschaut werden.
Martínez-Bordiú: Und was passiert, wenn irgendwann entdeckt wird, daß die Person psychische Probleme hat?
Kardinal Coccopalmerio: Sie können zu ihm sagen: „Schauen Sie, Sie sind nicht für das Priestertum geeignet, und wir dispensieren Sie davon“. Jeder Fall muß betrachtet werden, denn es gibt einfache Fälle, die mit einer Therapie gelöst werden können, und komplexere Fälle. Falls es nicht heilbar ist, können wir auch sagen: „Es ist nicht Ihr Platz, nicht Ihr Dienst“.
Martínez-Bordiú: Im Februar 2018 haben Sie ein Buch über das achte Kapitel des Apostolischen Schreibens Amoris Laetitia veröffentlicht. Warum fanden Sie es notwendig, über diesen Abschnitt zu sprechen?
Kardinal Coccopalmerio: Ich habe über dieses Kapitel geschrieben, weil es das ist, das eine engere Beziehung zu meiner Spezialisierung hat. Arbeitsrecht, Verhalten, Absichten, Praxis. Meine Aufmerksamkeit lege ich besonders auf dieses Kapitel, weil es ein sehr reiches und ziemlich verwirrendes Kapitel ist.
Martínez-Bordiú: Warum verwirrend?
Kardinal Coccopalmerio: Verwirrend in dem Sinne, daß es Dinge gibt, die klarer oder mit größerer logischer Ordnung gesagt werden hätten können. Manchmal wird etwas gesagt, was vorher gesagt werden hätte können, anderes, das später gesagt werden hätte können. Ich wollte eine Anleitung für die Lektüre schaffen, um den Text lesbarer und klarer zu machen. Aber ich wollte weder meinen Kommentar zum achten Kapitel abgeben noch etwas dem Kapitel hinzufügen. Ich wollte nur eine klärende Anleitung für die Lektüre dieses Textes schaffen.
Martínez-Bordiú: Im September 2016 haben vier Kardinäle eine Stellungnahme von Papst Franziskus zu Amoris laetitia gefordert. Was meinen Sie, warum der Heilige Vater bis heute nicht auf die Dubia geantwortet hat?
Kardinal Coccopalmerio: Das ist seine Entscheidung. Ich an seiner Stelle hätte die vier angerufen und gesagt: Brüder, laßt uns einen Kaffee, einen Aperitif oder ein gemeinsames Abendessen einnehmen, um zu reden. Ich hätte so gehandelt, aber er scheint anders darüber zu denken.
Martínez-Bordiú: Im Juni 2017 berichteten die Medien, daß die vatikanische Gendarmerie eine Homo-Orgie mit Drogen in den vatikanischen Räumen von Msgr. Luigi Capozzi, ihrem damaligen Sekretär, aushob. Einige Monate später versicherte ein nordamerikanisches Medium, daß auch sie in jener Nacht in der Wohnung ihres Sekretärs angetroffen wurden. Waren Sie wirklich dort?
Kardinal Coccopalmerio: Alles was gesagt wurde, ist falsch. Das Unglaubliche ist, daß sie sich alles erfunden haben.
Martínez-Bordiú: Auch das von Capozzi?
Kardinal Coccopalmerio: Er hat nichts Schlimmes getan. Sie haben erfunden, daß es in seiner Wohnung ein Treffen zwischen Homosexuellen gab, mit Drogen, und daß ich das nicht wissen hätte können… Alles falsch, alles erfunden! Und warum ist das so? Um in erster Linie mir zu schaden und um dem Papst zu schaden.
Wie soll ich sagen… Sie schauen in die Kurie, in den Vatikan: Wer ist dort? Es gibt einen wie Coccopalmerio, der ein Freund des Papstes ist, und dann… Verstehen Sie das? Leider kommen die Dinge so. Wenn ihnen einer auf der Straße begegnet, die Pistole zieht und sie erschießt, was können sie dagegen tun? Was können sie dann tun, wenn sie tot sind?
Das Problem ist, daß sie es nicht glauben wollen. Es wurde dementiert, aber von Zeit zu Zeit kommt diese Sache wieder hoch. Vor einigen Monaten gab es Nachrichten zu diesem Fall, und jetzt gab es ein offizielles Dementi. Aber während die falschen Nachrichten immer groß gebracht werden, werden Richtigstellungen nur klein gebracht.
Martínez-Bordiú: Haben Sie Maßnahmen ergriffen gegen die, die das Gegenteil behaupten?
Kardinal Coccopalmerio: Wir haben nichts dergleichen gemacht… Aber es ist traurig, daß es so ist.
Martínez-Bordiú: Was halten Sie von der Gender-Ideologie, dieser Strömung, die die Existenz biologischer Unterschiede zwischen Männern und Frauen und der sogenannten LGBT-Gruppe bestreitet?
Kardinal Coccopalmerio: Diese Gender-Theorie ist sehr komplex. Wie ich bereits sagte, bin ich kein Psychologe oder Experte auf diesem Gebiet. Das gleiche kann ich jetzt zu diesem Thema sagen. Es gibt Dinge, die von mehreren Experten untersucht und vertieft werden müssen. Aber ich denke, es gibt einige Dinge, die nicht einfach akzeptiert werden können. Daß Sie zum Beispiel ein Mann sind und dann erklären, daß Sie eine Frau sind, das scheint mir so eine Sache zu sein … Oder zu leugnen, daß es einen Unterschied gibt, zumindest körperlicher Art, zwischen einem Mann und einer Frau. Einige Dinge, wie ich meine, können nicht geleugnet werden. „Ich entscheide, daß es keinen Unterschied gibt, dann muß es so sein“, das ist nicht richtig.
Ich war in den letzten Monaten in einem Land in Lateinamerika, wo mir etwas gesagt wurde, was ich nicht wußte, und ich war überrascht, daß es diese Theorie des „Macho“ gibt: der Mann, der die Frau dominiert. Und sie erklärten mir das Beispiel eines Mannes, der mit einer Frau zur Bank kommt, und der Bankbeamte war, wenn er mit ihm sprach, respektvoll und herzlich. Sobald die Frau ihren Mund öffnete, drehte sich der Beamte weg und hörte nicht zu. Eine erstaunliche Sache. Dieser ganze Teil sollte studiert werden.
Ich nutze die Gelegenheit auch, um zu sagen, daß ich sehr besorgt bin und denke, daß wir etwas wegen der weibliche Mode tun müssen.
Martínez-Bordiú: Die weibliche Mode?
Kardinal Coccopalmerio: Ja. Jetzt, wenn der Sommer beginnt, kann man auch auf dem Petersplatz sehen, daß allgemein alle Mädchen so gekleidet sind, als wären sie am Strand. Für mich ist das keine akzeptable Sache, weil sie verschiedene Reaktionen bei den Männern hervorrufen, die mit Intelligenz, Güte und Tugend überwunden werden können. Aber warum sollen die Menschen in Schwierigkeiten gebracht werden? Sie sollten wissen, daß es auch „nicht normale“ Menschen gibt, die nicht die Intelligenz und nicht die Tugend haben und leicht fallen. Hier muß etwas getan werden. Die Mädchen können nicht so ausgehen, sie sollten sich nicht provokant kleiden, damit sie beim anderen Geschlecht keine Reaktionen dieser Art provozieren. Das sollte gesagt werden. Meine Meinung mag populär oder unpopulär sein, sie scheint mir aber fair zu sein.
Martínez-Bordiú: An diesem Donnerstag [21. Februar] erscheint das Buch „Sodoma“ des französischen Soziologen Frédéric Martel, der nach Interviews mit höchsten Würdenträgern des Vatikans behauptet, daß 80 Prozent der geweihten Menschen im Vatikan Homosexuelle sind. Was sagen Sie zu dieser Behauptung?
Kardinal Coccopalmerio: Ich weiß es nicht … Ich finde es eine Behauptung, die nicht überzeugt. Es mag Homosexuelle geben, die diese Tendenz haben und gleichzeitig diesen Zustand überwinden. Und es kann andere geben, die von Zeit zu Zeit in diese Situation geraten. Aber ich denke, es ist eine übertriebene Behauptung, die eines Beweises bedarf.
Martínez-Bordiú: Ex-Kardinal McCarrick wurde laisiert. Ist der sexuelle Mißbrauch ein Beispiel, daß die Barmherzigkeit durch die Gerechtigkeit überwunden werden muß?
Kardinal Coccopalmerio: Das ist ein Thema des Strafrechts. Wenn sie sagen: „Ich muß vergeben, muß ich auch Barmherzigkeit gegenüber denen üben, die schwere Sünder sind“. Gleichzeitig muß die Kirche auch sagen, daß sie nicht einverstanden ist, daß diese Art von Handlungen nicht gut ist, sie kann nicht akzeptiert werden. Es muß eine Reaktion auf das Böse geben, die sofort gegen die Person erfolgt, die Unrecht getan hat.
Wenn sie einer Person eine offizielle Position, eine Aufgabe zuweisen, liegt dies daran, daß diese Person die ihnen übertragene Funktion ausüben soll. Wenn diese Person nicht in der Lage ist, dem nachzukommen, was ihr übertragen wurde, gibt es eine Reaktion gegen eine begangene Verfehlung, aber auch eine Sanktion, beispielsweise die Unmöglichkeit, die Arbeit in derselben Funktion fortzusetzen.
Man kann gegenüber der Person barmherzig sein, aber man muß auch dem Bösen ein Ende setzen und die Person aus der Position entfernen, die sie erhalten hat. Dies widerspricht nicht der Barmherzigkeit, denn die Barmherzigkeit kann auch der Person mit Nähe, Gebet und auch Freundschaft gezeigt werden. Dies wäre auf der persönlichen Ebene.
Strafrechtliche und verwaltungsrechtliche Sanktionen sind öffentlich. Freundschaft, Nähe und Gebet sind etwas Privates. Sie müssen diese Unterscheidung treffen. Aber wenn die Kirche sieht, daß dieser Priester Mißbrauch begangen hat, und nichts dagegen getan wurde, würde es schnell heißen, daß die Kirche dieses Verhalten billigt. Die Reaktion zeigt, daß dieses Verhalten falsch ist.
Martínez-Bordiú: Denken Sie, daß man jene zur Verantwortung ziehen sollte, die wußten, was passiert ist, aber geschwiegen haben?
Kardinal Coccopalmerio: Das kann ich Ihnen nicht sagen, weil ich den Fall nicht geprüft habe. Ob sie es wußten oder nicht: Ich kann es nicht sagen. In Bezug auf diese Dinge, dieses Problem, solche Verhaltensweisen gedeckt zu haben, kann auch gesagt werden… Wenn man ein Kind hat… Sind Sie verheiratet?
Martínez-Bordiú: Nein …
Kardinal Coccopalmerio: Nun, wenn Sie ein Kind hätten, das Schlimmes tut, etwas Schwerwiegendes, was ist Ihre unmittelbare Reaktion? „Hoffentlich weiß es keiner, denn ich möchte, daß mein Sohn respektiert wird“. Damit meine ich, daß das keine Verschleierung ist, die die schlechte Handlung rechtfertigt. Es kann auch zugedeckt werden, weil das vielen Gläubigen ein Ärgernis wäre. Dann sagt der Hirte, der Bischof: „Wir hoffen, daß es nicht bekannt wird, um einen Skandal zu vermeiden“.
Martínez-Bordiú: Aber es wurde zugelassen, daß McCarrick weiter Böses tun konnte…
Kardinal Coccopalmerio: Wenn Zudecken heißt, daß man weitermachen kann, das nicht… Man muß eingreifen und sagen: „Sieh mal, du kannst nicht weiter machen, was du tust, ich nehme dir dein Amt weg“. In diesem Sinn darf man nicht zudecken. Es kann jedoch auch so verstanden werden, daß es auch Arten von Vertuschungen geben kann in dem Sinn, zu sagen: „Wir hoffen, daß es nicht bekannt wird, damit es es keinen Skandal gibt“. Es kann auch so verstanden werden, daß es auch Vertuschungen in diesem Sinne gegeben hat. Wenn es aber bedeutet, daß es weiterhin erlaubt ist, das Böse fortzusetzen, dann ist es offensichtlich nicht richtig. Sie müssen von Fall zu Fall sehen, was passiert ist.
Martínez-Bordiú: Papst Franziskus sagte am Mittwoch bei der Generalaudienz, daß „man nicht wie Papageien beten soll“. Wie beten Sie als Kardinal?
Kardinal Coccopalmerio: Ich habe, wie wohl alle Menschen, eine tägliche Gebetsroutine. Als Priester feiere ich die heilige Messe und auch das Stundengebet. Dann lege ich viel Wert auf die Lectio Divina, einen Teil der Heiligen Schrift, und ich lese sie nicht, als wäre es irgendein Buch, sondern als das Wort Gottes, als etwas, das Jesus mir in diesem Moment erzählt. Ich lege auch großen Wert auf den Besuch beim Allerheiligsten. In der Regel bleibe ich 15 Minuten vor Jesus, weil es eine Freundschaft erlaubt von Angesicht zu Angesicht. Und ich widme immer eine Zeit des Gebetes der Jungfrau, indem ich den Rosenkranz bete. Und dann gibt es die Beichte, zu der ich – ich weiß nicht – einmal im Monat gehe.
Die Journalistin Almudena Martínez-Bordiú fügte am Ende der Veröffentlichung des Interviews noch eine persönliche Einschätzung hinzu, die auch angefügt werden soll:
„Es heißt, daß der Blick das Spiegelbild der Seele ist, und selbst wenn nur Gott es weiß, scheinen seine Augen die Wahrheit zu sagen“.
Der ehemalige Apostolische Nuntius in den USA, Erzbischof Carlo Maria Viganò, nennt Kardinal Coccopalmerio in seinem Dossier als Angehörigen der Homo-Lobby. Um so befremdlicher war es, daß Papst Franziskus ausgerechnet ihn Anfang September 2018 damit beauftragte, rechtliche Schritt gegen Erzbischof Viganò zu prüfen, obwohl der Kardinal direkt Betroffener war.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: InfoVaticana