Generalmajor Piero Laporta, ehemaliger Leiter des Amtes für Wehrpolitik des italienischen Generalstabs, bietet einen Blick auf die aktuelle Lage, in der sich manche an den Krieg in Europa zu gewöhnen scheinen. Der Katholik und Familienvater ist bekannt für seine nüchternen, schnörkellosen und direkten Analysen, die dabei helfen, das Blickfeld jenseits der Propagandaabteilungen von wem auch immer zu erweitern.
Von Piero Laporta
Es ist notwendig, auf den Krieg zwischen der NATO und Rußland zurückzukommen. Ich höre, daß Generäle, die ich schätze, beim ehrwürdigen Bergoglio [Papst Franziskus] für einen „Waffenstillstand“ eintreten. Leider ist das grotesk. Italien trägt wie die meisten kontinentaleuropäischen Staaten keine Verantwortung für diesen Krieg, außer der politischen, daß es sich dem Aufstieg der US-amerikanischen Öl- und Finanzoligarchie nicht widersetzt hat, die davon überzeugt ist, daß die Welt dem Dollar ohne Gegenleistung zu huldigen hat. Italien hat vielmehr kein Interesse am „Waffenstillstand“, ganz im Gegenteil.
Italien hatte nach dem Tod von Aldo Moro nie wirklich die Fähigkeit und Möglichkeit, auf das Außenministerium und die herrschenden Kreise in Washington, auf jene Paläste also, in denen S.H. Pius XII., Alcide De Gasperi, Aldo Moro und Amintore Fanfani noch respektvoll Audienz gewährt wurde, Einfluß zu nehmen. Die anderen zählten dagegen weit weniger, als sie zugeben wollten. Nach dem Tod von Aldo Moro waren sie nur noch erpreßbarer.
Zum besseren Verständnis: Das Todesurteil gegen Aldo Moro, den italienischen Staatsmann aus Apulien, wurde unterzeichnet, als der christdemokratische Parlamentsabgeordnete und mehrfache Minister Carlo Donat Cattin erklärte: „Die Christdemokraten haben nur zwei Vollblüter: Aldo Moro und Amintore Fanfani“. Neid ist ein satanisches Gefühl, das den schlimmsten Verrat hervorruft.
Heute haben wir mit Giorgia Meloni ein Vollblut als Ministerpräsidentin, hinter der eine schwache und oft schlecht repräsentierte Partei steht. Dennoch hat Meloni sich selbst und Italien einen Bekanntheitsgrad und ein Ansehen verschafft, das bis vor wenigen Monaten noch undenkbar war. Jene Katholiken, die sich daran stoßen, daß Meloni eine Freundin der USA ist, müssen sich mit den wirtschaftlichen Ergebnissen und der Verteidigung der Familie zufriedenzugeben. Mit einer von den Linksdemokraten geführten Regierung wäre die Katastrophe, die sich seit 2011 verschlimmert hat, vollkommen zum Ausbruch gekommen. Natürlich wäre es besser, den Schmusekurs mit dem Kiewer Schmierenkomödianten einzuschränken. Aber wenn das der Preis ist, um die lieben Verbündeten zu beruhigen, ist das in Ordnung.
Hat Italien eine Chance, diesen Krieg zu beenden? Nein, so wie es auch nicht dazu beigetragen hat, ihn zu entfachen. Das italienische Interesse besteht also darin, ihn für sein eigenes nationales Interesse gewinnbringend zu machen, d. h. für: wirtschaftliche Sicherheit, soziale Sicherheit, individuelle Sicherheit. Alle drei Sicherheiten wurden von den Vorgängerregierungen seit 1978, keine ausgenommen, auf bedrohliche Weise gefährdet. Melonis Fähigkeit, Ergebnisse im Bereich der wirtschaftlichen Sicherheit zu erzielen und die EU zur Verantwortung zu rufen, sind hervorragend, wenn auch vorerst erst vorläufig.
Drei Gesetze regeln die internationalen Angelegenheiten unerbittlich, woraus sich konkret folgendes Bild ergibt:
- Staaten entstehen und sterben durch Krieg. Wer stirbt, die Ukraine oder Rußland?
- Imperien brechen zusammen. Welches Imperium bricht gerade zusammen? USA-NATO? Rußland? China? Eines, zwei oder alle drei? Keines?
- Die Dinge ändern sich, wie Gott es will. Die ersten beiden Gesetze sind Tausende von Jahren alt und wurden in der Geschichte immer respektiert. In der Heiligen Nacht 1991 (dem katholischen Weihnachtsfest, nicht dem orthodoxen) brach das Sowjetimperium zusammen und der Sowjetstaat starb, ohne einen Schuß abzugeben. Das uralte Gesetz über den Tod von Staaten „im Krieg“ wurde mißachtet, was beweist, daß sich die Dinge ändern, wie Gott es will.
Der Unterschied zwischen den USA und Rußland/China ist nicht nur wirtschaftlicher Natur. Rußland und China sind immer noch vom Stalinismus durchdrungen: Sie sehen keinen Unterschied zwischen feindlicher Politik und Krieg.
Und die USA? Bill Clinton betrat 1993 das Oval Office, blickte auf den Globus und stellte fest, daß ihm die Welt zu Füßen lag. Er finanzierte ein gigantisches technologisches Programm zur Kontrolle und Überwachung. Die Mittel für Satellitenaufklärung und Abhörtechnik waren im ersten Jahr doppelt so hoch wie der gesamte italienische Verteidigungshaushalt. Rußland hatte in jenem Jahr ein niedrigeres BIP als Holland, was Clinton und seine Nachfolger an der Spitze der USA zu der Annahme veranlaßte, daß die Unterwerfung Rußlands nur mehr eine Frage der Zeit sei. Sie vergaßen, daß ihnen einige Jahre zuvor Vietnam mit einem BIP einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte, das geringer war als das der italienischen Provinz Ancona, in der sich das Loreto-Heiligtum befindet.
Einer der wenigen, der die Notwendigkeit einer Einbindung Rußlands in die NATO verstand, war Silvio Berlusconi. Die Bush-Familie war damit einverstanden, aber die Radikalen, Clinton-Obama-Biden, die sich von Saul Alinsky1 inspirieren ließen, hatten eine Neue Weltordnung im Sinn, die ganz anders und radikaler war als die, die Henry Kissinger vor über einem halben Jahrhundert entworfen hatte. Berlusconi wurde durch die Feindseligkeit Großbritanniens vernichtet, dessen Agenten auf alle Parteien ausstrahlten, auch auf Forza Italia.
Die Stärke der radikalen Strategie lag in den gigantischen HiTech-Investitionen, die die Unterstützung von Industrie und Finanzwelt sicherten. Die Verwundbarkeit der Neuen Weltordnung war das implizite Todesurteil für die NATO und die EU. Kann man mit zwei Sterbenden in den Krieg ziehen? Großbritannien glaubte den US-Radikalen und verließ die EU, um endlich Hand an den enormen Reichtum Rußlands zu legen und sein eigenes Pyramidenmodell von Privilegien zu garantieren und das Spiel mit den Katholiken in Rom und Moskau ein für allemal zu entscheiden.
Rußland und China gehen von der Politik zum Krieg über, während die USA und das Vereinigte Königreich von der Wirtschaft zum Krieg übergehen und dabei verworrene Gesellschaftsmodelle durchlaufen, die ohne jede Konkretheit zwischen Heidentum und Post-Nazismus schwanken. Wer wird gewinnen?
Uns ist das völlig egal. Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß, wer auch immer verliert, China gewonnen hat, und das ist auf keinen Fall ein besserer Herr und Gebieter als der jetzige.
Die Leser mögen mir einen Exkurs verzeihen, um zu zeigen, daß das Böse auf den Kopf derer fällt, die es tun. Aldo Moro wurde entführt, gefoltert und ermordet von den Roten Brigaden (BR) mit Hilfe sowjetischer Spezialeinheiten und der Komplizenschaft der Kommunistischen Partei Italiens (PCI), aber auch der DC, des PSI und all der anderen. Geschichte wird nicht mit Wenn und Aber geschrieben, gerade deshalb wird getötet. Wäre Aldo Moro dem Tod entgangen, wären die Beziehungen zwischen der Sowjetunion und den USA weniger dramatisch verlaufen, als sie es sind. Den Russen (ehemaligen Sowjets) geschah daher zu Recht, was sie dann ertragen mußten.
Illusionen und unnötige Ängste sind zu vermeiden. Doch dieser Krieg kann jederzeit zu einer nuklearen Konfrontation führen, nicht deshalb, weil seine Ziele anders sind als jene der Kriege, die nach 2011, 1992, 1980, 1973, 1966, 1947 folgten… Den Unterschied machen Rußland und China, die mit stalinistischem Pragmatismus das Kräfteverhältnis zu ihren Gunsten verschieben, auf einem Kriegsschauplatz, der viel größer ist als die bisherigen und mit zahllosen Akteuren, die nicht mehr kontrolliert werden können, wie es noch bei den Ölkriegen im Nahen Osten der Fall war. Die nukleare Gefahr wird durch die Mission des hundertjährigen Henry Kissinger in Peking deutlich, ganz im Gegensatz zu dem begriffsstutzigen Joe Biden. Was auf dem Spiel steht, ist das Überleben des Dollars trotz der imperialen Fehleinschätzung eines satten Höflings, der 1993 von den Geschäftemachern ins Weiße Haus gehoben wurde.
Wenn die Auseinandersetzung ausartet, müssen die Nerven unter Kontrolle gehalten werden. Der Feind Rußlands und Chinas in Europa ist Großbritannien, das dem ersten russischen Atomangriff ausgesetzt ist; nicht Deutschland oder die Türkei, auch nicht Frankreich oder Italien, trotz der vielen USA-NATO-Stützpunkte, die es in einem solchen Szenario klug zu handhaben gilt.
Das europäische Festland ist Moskaus und Pekings Markt; man führt keinen Krieg, um den eigenen Markt zu zerstören. Sie würden London in die Knie zwingen, um Washington ein Signal zu senden, das dann entscheiden müßte, ob es sich exponieren oder den bevorzugten Verbündeten seinem Schicksal überlassen will. Wer raten will, dem schlage ich vor, Kissinger zu befragen oder in Afghanistan, Irak, Kurdistan, aber auch bei Italiens Christdemokraten und Sozialisten nachzufragen. Erinnern wir uns: Imperien brechen zusammen und die Dinge ändern sich, wie Gott es will.
Christus vincit.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons
1 Will Clark: Obama, Hillary, Saul Alinsky and their Useful Idiots. Createspace Independent Publishing Platform, 2015
Weitere Beiträge von General Laporta:
Das Problem der USA, wenn diese Darstellung stimmt und sie hat vieles für sich, ist in der Tat eine gewisse innere Abhängigkeit von Großbritannien. Es waren ja Engländer und ihre Nachkommen, die in Nordamerika gegen ihr „altes“ Mutterland putschten und letztlich militärisch siegten.
Diese Tatsache ist bis heute der Gründungsmythos der USA- zwischen Atlantik und Pazifik (plus Hawaii und Alaska!), und er beschränkt sich nicht auf die ehemals 13 Kolonien. Die große Mehrzahl der US-Bürger ist jedoch nicht-englischen und immer mehr auch nicht mal europäischen Ursprungs.
Diese Tatsache wird wohl letztlich dazu führen, daß die USA sich irgendwann neu definieren werden- was sollten denn diese Feiern am 4.Juli von einer weithin nicht-englischen Großmacht? Diejenigen, die Amerika wirklich prägen und „am Laufen halten“, sind die vielen kleinen und ruhigen, arbeitsamen Menschen, weithin nicht-angelsächsischer Herkunft wie die vielen Deutschen, Polen, Italiener, Iren usw. und auch die Afro-Amerikaner und zunehmend die sog. Latinos.
Es ist wahrscheinlich, daß die USA sich in Zukunft immer weniger an England orientieren werden wie immer sich die jetzige Großkrise weiterentwickelt und gelöst werden könnte.
Wie es mit Rußland weitergeht?- Da stehen wohl ebenfalls tiefgehende geistige Veränderungen zum Positiven an, denn die Botschaft Marias in Portugal, daß es sich bekehren wird, steht fest.
Trotz all der nachvollziehenden Argumente Moskaus (NATO-Bedrohung usw.), wird sich die Ukraine befreien, auch ein Stück weit von den jetzigen Regierenden.
Die Wahrheit, die Wahrheit Gottes wird auf jeden Fall den Sieg davontragen.