Ein Kommentar von Piero Laporta*
Ist in der Kunst eine Versöhnung möglich? Das Sakrale wurde vom Ikonoklasmus befallen. Mindestens seit einem Jahrhundert müssen die vom Heiligen entblößte Skulptur, Malerei, Architektur, kurzum die „Kunst“ und damit die menschliche Existenz, zum Sakralen zurückkehren, um Frieden zu finden, so wie es seit der Kreuzigung zyklisch geschieht.
Wenige würden sich vielleicht an die monochromen Leinwände mit vaginalen „Schnitten“ des Künstlers Lucio Fontana erinnern, die das „Raumkonzept“ verraten, eine Metapher für das Nichts, wenn sie nicht auf wundersame Weise von den Kunsthändlern in die Höhe gehoben wären. Seit der Nachkriegszeit sind Kunst, Krieg, Terrorismus, Öl und Papiergeld aufgesetzt, wobei der jeweilige Wert von den Mächtigen zugewiesen wird, wodurch die Kunst an die Machthaber gebunden wird. So entstanden die „Aufsetzer“, für die der aufgesetzte käufliche Wert wichtiger ist als der tatsächliche, in der Kunst wie in der Politik und in jeder Tätigkeit. Doch die Dinge ändern sich.
Wer würde heute mit einem „Schnitt“ von Fontana nach Moskau, Peking oder Neu-Delhi reisen, um nach millionenschweren Käufern zu suchen? Am Tag nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion kamen die Neureichen von jenseits des gefallenen Eisernen Vorhangs, um Kunstobjekte für ihre Villen zu kaufen. Heute ist dieser Austausch zum Erliegen gekommen, der Krieg stellt ein unüberwindliches Hindernis dar; mit dem westlichen System würde auch der Weiterverkauf der „aufgesetzten“ Kunst zusammenbrechen, deren Wert so abstrakt ist wie der des Papiergeldes, das wiederum von Bomben überwältigt werden kann.
Das Konzil von Nizäa II
Sollte dies geschehen, würde die Welt, ohne sich etwas vorzumachen, nicht zu den Tagen von Marietta, der Landarbeiterin meiner Tante, zurückkehren, die sich beim Mittagsschlag der Kirchturmglocken bekreuzigte. Andererseits, niemand im Dorf tat es Marietta gleich, und vielleicht blieb sie, wenn sie nicht auf dem Land war, auf der Straße nicht stehen, um sich zu bekreuzigen, wie sie es tat, wenn sie auf den Feldern war. Die Hermeneutik dieses Unterschieds spielt keine Rolle; die Wahrscheinlichkeit reicht aus, um uns daran zu erinnern, daß das Heilige nicht das Opium, sondern die Seele des Volkes ist. Das wahre Opium ist das Papiergeld.
Das Zweite Konzil von Nizäa legitimierte die Verehrung der „heiligen Bilder“, löste die Frage aber nicht endgültig. Der Streit hatte ein Vorher und ein Nachher, das sich nach Ansicht der Gelehrten über ein Jahrhundert hinzog und davon zeugte, daß das kirchliche Schiff zu stürmischer See berufen ist.
Das Ende des Sturms brachte die Sakralkunst in alle Kirchen zurück und bestätigte den Kult, der dem Kreuz gebührt. Die Renaissance markiert den Triumph der christlichen Werte in der Kunst, was den Haß der gegnerischen Seite aber umso mehr steigerte. Hätte der Ikonoklasmus gesiegt, wäre das Kreuz heute kein sichtbares Symbol, zur Freude jener, die es heute am liebsten von den Wänden entfernen würden.
Der Ikonoklasmus ist nicht tot. Am wenigsten feindselig sind interessanterweise die kommunistische und die muslimische Seite, wenn auch mit extremen Ausnahmen wie Adel Smith, einem 1960 in Alexandria in Ägypten geborenen Moslem und Gründer der ebenso lauten wie anhängerschwachen Vereinigung Moslemische Union Italiens. Er forderte 2003 die Entfernung des Kreuzes aus den Schulklassen und ein Richter gab ihm Recht. Als Pyrrhussieg hat der oberste Verwaltungsgerichtshof 2006 die Kreuze jedoch an die Schulwände genagelt:
„Man muß sich das Kruzifix als ein Symbol vorstellen, das in der Lage ist, das hohe Fundament der oben genannten zivilen Werte zum Ausdruck zu bringen, die dann die Werte sind, die den Laizismus in der gegenwärtigen staatlichen Ordnung abgrenzen. Im kulturellen Kontext Italiens dürfte es in der Tat schwierig sein, ein anderes Symbol zu finden, das sich dafür besser eignet als das Kreuz.“
Ein endgültiger Sieg? Der Ikonoklasmus ist wie die Grippe, früher oder später kommt er zurück, so auch 2019 mit dem mit einer Deutschen verheirateten Lorenzo Fioramonti, dem damaligen Bildungsminister – einem Wirtschaftswissenschaftler, der, als ihm ein Regierungsposten angeboten wurde, der Fünfsternebewegung beitrat und heute bei den Grünen ist – und Feind des Kreuzes. Die Regierung von Giuseppe Conte stürzte und Fioramonti mußte sich eine seriöse Arbeit suchen. Laßt uns also nicht den Sieg besingen. Wenn Elly Schlein (Linksdemokraten) triumphiert, wird das Kreuz wieder ins Fadenkreuz geraten, für die LGBTQRSTP+, die Globalisten, die Sorosisten und wer weiß für wie viele andere ‑isten. Schließlich ist es seit zweitausend Jahren das Schicksal des Kreuzes, im Visier zu stehen, mit oder ohne Soros, Rothschilds und den dienstbaren Ellys dieser Welt; oder die Universität von Helsinki, die Greta einen Ehrendoktor in… Theologie verliehen hat, mit dem Segen des Vatikans.
Die Gläubigen sollten die Feinde nicht in der Ferne suchen, die oft nicht einmal wirklich feindselig, sondern nur dumm oder von Ehrgeiz geblendet sind. Die neue Kirche von San Giovanni Rotondo, die Pater Pio geweiht ist, zeigte ein abscheuliches aufgesetztes Kreuz von Arnaldo Pomodoro und nur ein paar kleine Skulpturen auf dem Ambo, die der verehrte Architekt Renzo Piano mit dem Segen eines Monsignore Valenziano Crispino, der obersten vatikanischen Autorität für sakrale Architektur, der den Bau überwachte, anbrachte. Der Ikonoklasmus in der Kirche von Pater Pio entspricht ganz offensichtlich den Vorschriften des Zweiten Vatikanischen Konzils. Wie könnte man auch daran zweifeln? Wie Gott es wollte, führte jedoch der Pastoralbesuch des Theologen-Papstes Benedikt XVI. am 21. Juni 2009 dazu, daß die aufgesetzte Abscheulichkeit aus der Kirche entfernt und ein Kruzifix neben dem Altar aufgerichtet wurde, wie es seit Golgatha Tradition ist. Es fehlte nicht an weiteren Tücken, von denen mehrere ebenfalls positiv gelöst wurden.
P. Marko Ivan Rupnik SJ brachte in den Gängen der Krypta eine Reihe von Mosaiken an, von denen einige sehr schön und gläubig sind (vielleicht waren keine Ordensfrauen in der Nähe). Eines löste eine überflüssige Kontroverse aus, nämlich die Darstellung von Italia Betti, einer führenden Frauengestalt der Kommunistischen Partei Italiens (PCI) unter Palmiro Togliatti, die mit der kommunistischen Parteizeitung L’Unità in der Hand dargestellt ist. Professor Betti wurde von Pater Pio bekehrt und starb in San Giovanni Rotondo an einem Tumor. Als das Mosaik entdeckt wurde, empörte sich Antonio Socci über das, was wie ein Segen für die Zeitung jener Fraktion aussah, die den christdemokratischen Ministerpräsidenten Aldo Moro den Attentätern überlassen hatte.1 Es war aber genau das Gegenteil. Ikonoklasmus kann ebenso heimtückisch sein wie Ikonolatrie.
Jene, die in L’Unità den Teufel sehen, wissen nicht, daß die von Antonio Gramsci gegründete Zeitung, spät aber doch, einen der schönsten Texte veröffentlichte, der je über das Kreuz geschrieben wurde. Unterzeichnet wurde er von Natalia Ginzburg, einer Jüdin, aber nicht Zionistin. Nachzulesen in den Archiven der Unità vom 25. März 1988, auf Seite 2.
Die Naht des Kreuzes
Sie sind listig, die Kinder der Finsternis, aber nicht intelligent genug, um zu verstehen, wenn sie der Lächerlichkeit preisgegeben werden, während der Ikonoklasmus dort zuschlägt, wo, wie und wann man es am wenigsten erwartet. Doch der Gekreuzigte bleibt da, um die Menschen und die Vernunft wieder zusammenzubringen.
Wir leben in einer Zeit, die voll ist von Irrlehren und Abscheulichkeiten. Der Kommunismus, der Nationalsozialismus, der Liberalismus, der Globalismus, der Zionismus, der Ökologismus, die alle Unterscheidungen verloren zu haben scheinen, führen uns zurück in die Stadt Gottes von Augustinus, und es scheint, als befänden wir uns in Paris:
„Die Patrizier behandelten die Plebs wie Sklaven, verfügten mit königlichem Recht über ihr Leben und ihre Arbeit, beraubten sie des Eigentums an den Feldern und verwalteten sie unter Ausschluß aller anderen allein. Die Plebs, die durch Schikanen und vor allem durch Steuern unterdrückt wurde, da sie für die ständigen Kriege gleichzeitig Steuern und Militärdienst leisten mußte, besetzte bewaffnet den heiligen Berg und den Aventin und beanspruchte so die Tribunen der Plebs und andere Rechte. Das Ende der Zwietracht und des Kampfes zwischen den beiden Seiten war der Zweite Punische Krieg“.
Die ethische Degeneration des römischen Staates hatte zwei Auswege: an erster Stelle die Kriege und dann das Kreuz. Bevor wir denselben Weg einschlagen, schlägt ein römischer Künstler, Gilberto Di Benedetto, vor, nicht den Krieg, sondern das Kreuz zu wählen, indem er die „Schnitte“ des Aufsetzers Fontana zusammennäht – zu einem Kreuz. Es ist ein Zeichen der Hoffnung in einer Welt, die von entfremdeten Menschen, die von Macht, Drogen und Blut berauscht sind, schlecht regiert ist.
Die Zeit wird kommen
Um diese Initiative zu verstehen, sollten wir uns die tausendjährigen Gesetze ins Gedächtnis rufen, die die Existenz von Staaten regeln: 1.) Imperien brechen zusammen; 2.) Staaten entstehen und sterben durch Kriege; 3.) das letzte, am meisten vernachlässigte, aber alle überragende Gesetz ist auch das einfachste: Die Dinge ändern sich, wie Gott es will. Drei uralte Gesetze, die in der Wirklichkeit immer Anwendung finden.
Nicht nur Don Rodrigo, die Figur in Alessandro Manzonis Roman „Die Verlobten“, vergißt die Ermahnung des jüngsten der Makkabäer-Brüder an seinen Henker:
„Es wird die Zeit kommen, in der du, von Ihm geschlagen und von der Schärfe des Schmerzes überwältigt, bekennen wirst, daß du ein Mensch bist. Wenn unser Volk nicht gegen Gott gesündigt hätte, wären wir nicht in dieses Unglück gestürzt; aber ich hoffe, daß Gott bald durch mein Blut und das meiner Brüder besänftigt und mit unserem Volk versöhnt sein wird und uns nach einem tapfer erlittenen Tod das ewige Leben schenken wird.“
Die sowjetischen Machthaber glaubten nicht an das ewige Leben und den Heilswert von Märtyrern, die durch ihre eigenen Hände geschlachtet wurden. Doch in der Weihnachtsnacht, am 25. Dezember 1991, wurden ihnen die drei Gesetze gleichzeitig vor Augen geführt: 1.) das Sowjetimperium ist zusammengebrochen; 2.) zum ersten Mal in der Geschichte ist ein Staat dieser Größe ohne Krieg gestorben, denn 3.) die Dinge ändern sich, wie Gott es will.
Dreißig Jahre nach Heiligabend des Jahres 1991 ziehen die Vereinigten Staaten und Großbritannien in den Krieg gegen Rußland. Die EU, Italiens Verteidigungsminister Guido Crosetto, die ehrenwerte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, La Repubblica, Il Foglio, Correct Information und Frau Elly Schlein schließen sich feierlich an. Eine recht bunte Gesellschaft. Allerdings muß man sich fragen, während diese kriegerisch auf ihre Schilde trommeln, ob es ein Zufall ist, daß die Banken zusammenbrechen, während dieselben versichert hatten, daß Rußland wegen der Sanktionen nach einem Monat zusammenbrechen werde.
Sie mögen nicht an Gott glauben, die Trommler, aber es ist dennoch schwer zu glauben – im Lichte ihrer Nasen und der gramscianischen Machtverhältnisse –, daß Rußland zusammenbrechen wird, wenn es 1991/1992 nicht zusammengebrochen ist, als es isoliert, entblößt und ausgehungert war. Heute verfügt es über einen sehr wirksamen nuklearen Auslöser und hat China, Indien, große Teile Lateinamerikas, Afrikas, der ganzen Welt, und sogar große Teile Italiens und der EU hinter sich.
Meloni und Crosetto wissen nichts über Gramsci, und das ist verständlich. Sie haben allenfalls Filippo Tommaso Marinettis „Oden an den Krieg“ gelesen, der „die einzige Hygiene der Welt“ sei. Doch selbst der eifrigste Futurist würde sich fragen, welches Imperium zusammenbrechen wird, wenn es Rußland, anders als von ihnen prophezeit, nicht ist. Ein nachhaltiges Risiko? Selbst die New York Times und die Washington Post beginnen sich das zu fragen.
Während wir darauf warten, daß sich das Junk Thinking im Oval Office, die Synthese aller Irrlehren, auflöst, hoffen wir theologisch auf göttliche Gnade, um über die ikonoklastischen Schnitte hinaus zur Naht des Kreuzes zu gelangen.
Die Zukunft liegt in Gottes Hand und Christus gewinnt, hoffen wir lieber früher als später, trotz der tänzelnden angelsächsischen Weicheier.
*Piero Laporta, Generalmajor (Divisionsgeneral) i. R., leitete zuletzt das Amt für Wehrpolitik des italienischen Generalstabs, 1999 wurde er vom Staatspräsidenten mit dem Verdienstorden der Republik ausgezeichnet. Laporta ist Katholik, verheiratet und Vater von zwei Kindern.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: pierolaporta.it
1 Aldo Moro wurde 1978 von der kommunistischen Terrororganisation Rote Brigaden entführt und ermordet. Die „Auftraggeber“ für den Mord sieht General Laporta in Wirklichkeit in ganz anderen Ländern sitzen.
Bisher von General Laporta veröffentlicht: