Kardinal Parolin: Warum der Vatikan das Diktat Pekings akzeptiert

Stellungnahme von Kardinalstaatssekretär Parolin


Papst Franziskus akzeptierte am Samstag das chinesische Diktat zur Ernennung des neuen Bischofs von Schanghai. Den Grund dafür erklärte Kardinalstaatssekretär Parolin.
Papst Franziskus akzeptierte am Samstag das chinesische Diktat zur Ernennung des neuen Bischofs von Schanghai. Den Grund dafür erklärte Kardinalstaatssekretär Parolin.

(Rom) In vati­ka­ni­schen Medi­en, zumin­dest in den ita­lie­ni­schen und eng­li­schen Aus­ga­ben, erklär­te Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Pie­tro Paro­lin, war­um der Hei­li­ge Stuhl am Sams­tag, dem 15. Juli, die Ernen­nung eines neu­en Bischofs von Schang­hai akzep­tiert, obwohl sie vom kom­mu­ni­sti­schen Regime der Volks­re­pu­blik Chi­na dik­tiert wurde.

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Am ver­gan­ge­nen 5. April ernann­te Peking ein­sei­tig Joseph Shen Bin zum Bischof von Schang­hai. Obwohl die Ernen­nung laut vati­ka­ni­schen Quel­len dem Geheim­ab­kom­men zwi­schen dem Vati­kan und Chi­na über Bischofs­er­nen­nun­gen von 2018 wider­spricht, akzep­tier­te der Hei­li­ge Stuhl das Dik­tat, indem auch Fran­zis­kus am ver­gan­ge­nen Sams­tag Msgr. Shen Bin zum Bischof der Mil­lio­nen­me­tro­po­le am Ost­chi­ne­si­schen Meer ernannte.

Der Kar­di­nal­staats­se­kre­tär erklär­te die­se nach­träg­li­che Aner­ken­nung als Bekräf­ti­gung der „Dia­log­be­reit­schaft“ der Kir­che. Die Ernen­nung durch Papst Fran­zis­kus sei „zum Woh­le der Diö­ze­se“ erfolgt. Fakt ist, daß sich Fran­zis­kus damit dem Dik­tat des kom­mu­ni­sti­schen Regimes beugte.

Bis zu sei­ner Ernen­nung zum Bischof von Schang­hai war Msgr. Shen Bin Bischof von Hai­men in der Pro­vinz Jiangsu. Er ist einer der höch­sten Expo­nen­ten der regi­me­hö­ri­gen schis­ma­ti­schen Kir­che, die Ende der 1950er Jah­re von der KPCh unter der Bezeich­nung Chi­ne­si­sche Patrio­ti­sche Katho­li­sche Ver­ei­ni­gung gegrün­det wur­de. Shen Bin ist seit 2017 ihr stell­ver­tre­ten­der Vorsitzender.

For­mal erfolg­te sei­ne Ernen­nung zum Bischof von Schang­hai durch den von Rom nicht aner­kann­ten Chi­ne­si­schen Bischofs­rat, eine eben­falls vom kom­mu­ni­sti­schen Regime par­al­lel geschaf­fe­ne Kon­kur­renz­ein­rich­tung zur Chi­ne­si­schen Bischofs­kon­fe­renz. Mit der päpst­li­chen Aner­ken­nung wur­de die­se ein­sei­ti­ge Ernen­nung nun nach­träg­lich legi­ti­miert. Dabei ist es kei­ne Neben­säch­lich­keit, daß Bischof Shen Bin Vor­sit­zen­der des Bischofs­rats ist, der fak­tisch von der Kom­mu­ni­sti­schen Par­tei abhängt.

In sei­ner Stel­lung­nah­me erin­ner­te Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Paro­lin an die Ver­län­ge­rung des Geheim­ab­kom­mens von 2018, die am ver­gan­ge­nen 22. Okto­ber erfolgt war. Nur einen Monat nach der Ver­län­ge­rung um wei­te­re zwei Jah­re beklag­te der Hei­li­ge Stuhl die ein­sei­ti­ge Ernen­nung von Msgr. John Peng Weiz­hao, Bischof von Yujiang, zum Weih­bi­schof von Jian­gxi, die erfolgt war, ohne den Vati­kan zu infor­mie­ren oder gar zu konsultieren.

Die glei­che Ein­sei­tig­keit wie­der­hol­te sich nun mit der Ernen­nung des neu­en Bischofs von Schang­hai. Wört­lich sag­te der Kar­di­nal­staats­se­kre­tär dazu:

„Was Schang­hai betrifft, so wur­de der Hei­li­ge Stuhl von den chi­ne­si­schen Behör­den über die Ver­set­zung von Joseph Shen Bin, Bischof von Hai­men, infor­miert, aber auch hier war er nicht betei­ligt. Die Ent­schei­dung, sich Zeit zu las­sen, bevor man sich öffent­lich zu dem Fall äußert, ist auf die Not­wen­dig­keit zurück­zu­füh­ren, sowohl die pasto­ra­le Situa­ti­on der vom Hei­li­gen Stuhl aner­kann­ten Diö­ze­se Shang­hai, die schon zu lan­ge ohne Bischof war, als auch die Ange­mes­sen­heit der Ver­set­zung von Mon­si­gno­re Shen Bin, einem ange­se­he­nen Seel­sor­ger, sorg­fäl­tig zu prüfen.“

Zugleich brach­te Kar­di­nal Paro­lin sein Bedau­ern zum Aus­druck, daß die­se Ver­set­zun­gen „ohne die Betei­li­gung des Hei­li­gen Stuhls durch­ge­führt wur­den“. Papst Fran­zis­kus habe jedoch beschlos­sen, die in Schang­hai ent­stan­de­ne kano­ni­sche Unre­gel­mä­ßig­keit „mit Blick auf das grö­ße­re Wohl der Diö­ze­se und die frucht­ba­re Aus­übung des pasto­ra­len Dien­stes des Bischofs“ zu sanieren.

Die­ser Wil­lens­akt des Pap­stes sei pasto­ra­ler Natur und wer­de es Bischof Shen Bin ermög­li­chen, „mit grö­ße­rer Gelas­sen­heit zu arbei­ten, um die Evan­ge­li­sie­rung zu för­dern und die kirch­li­che Gemein­schaft zu stär­ken. Gleich­zei­tig hof­fen wir, daß im Ein­ver­neh­men mit den Behör­den eine gerech­te und klu­ge Lösung für eini­ge ande­re, seit lan­gem anhän­gi­ge Fra­gen in der Diö­ze­se gefun­den wer­den kann“. Damit mahn­te der Kar­di­nal­staats­se­kre­tär ein Ent­ge­gen­kom­men Pekings an.

Der Hei­li­ge Stuhl habe „stets einen offe­nen Dia­log und eine respekt­vol­le Kon­fron­ta­ti­on mit der chi­ne­si­schen Sei­te ange­strebt. Im Ver­trau­en auf die Weis­heit und den guten Wil­len aller hof­fen wir, zu posi­ti­ven Schluß­fol­ge­run­gen zu gelan­gen, die nütz­lich sind, um den Weg fort­zu­set­zen und alle Schwie­rig­kei­ten zu über­win­den“, so Parolin.

Zugleich beton­te der Kar­di­nal­staats­se­kre­tär die „grund­le­gen­de Bedeu­tung“, daß die Bischofs­er­nen­nun­gen in Chi­na „im Kon­sens erfol­gen, wie ver­ein­bart, und der Geist des Dia­logs“ auf bei­den Sei­ten „leben­dig“ bleibe.

„Wir müs­sen gemein­sam Situa­tio­nen ver­mei­den, die zu Unstim­mig­kei­ten und Miß­ver­ständ­nis­sen auch inner­halb der katho­li­schen Gemein­schaf­ten füh­ren, und die kor­rek­te Umset­zung des Abkom­mens ist eines der Mit­tel, um dies zu errei­chen, zusam­men mit einem auf­rich­ti­gen Dialog.“

Bei die­ser Gele­gen­heit sprach der Kar­di­nal noch ein ande­res für den Hei­li­gen Stuhl zen­tra­les The­ma an, die Not­wen­dig­keit, „so bald wie mög­lich“ eine Bischofs­kon­fe­renz mit Sta­tu­ten anzu­er­ken­nen, die ihrem kirch­li­chen Cha­rak­ter und ihrem pasto­ra­len Auf­trag ent­spricht. Das kom­mu­ni­sti­sche Regime erkennt nur den ihm unter­wor­fe­nen par­al­le­len Chi­ne­si­schen Bischofs­rat an, wäh­rend die Chi­ne­si­sche Bischofs­kon­fe­renz Teil der Unter­grund­kir­che ist. Der Vati­kan arbei­tet auf die Aner­ken­nung der Bischofs­kon­fe­renz hin, die an die Stel­le des Bischofs­rats tre­ten soll­te. Bis­her zeig­te Peking noch kein Inter­es­se an die­sem The­ma. Kri­ti­ker befürch­ten, daß die Bischofs­kon­fe­renz zwar aner­kannt, aber dadurch vom Regime abhän­gig wer­den könnte.

Kar­di­nal Paro­lin erteil­te sol­chen Beden­ken ein Absa­ge und beton­te, in bei­de Rich­tun­gen, die Not­wen­dig­keit, „eine regel­mä­ßi­ge Kom­mu­ni­ka­ti­on zwi­schen den chi­ne­si­schen Bischö­fen und dem Bischof von Rom her­zu­stel­len, die für eine wirk­sa­me Gemein­schaft unab­ding­bar ist, wohl wis­send, daß all dies zur Struk­tur und zur Leh­re der katho­li­schen Kir­che gehört, die nicht ver­än­dern zu wol­len die chi­ne­si­schen Behör­den stets erklärt haben. In der Tat muß man sagen, daß zu vie­le Ver­däch­ti­gun­gen die Arbeit der Evan­ge­li­sie­rung ver­lang­sa­men und behin­dern“. An die Adres­se Pekings ergänz­te er:

„Die chi­ne­si­schen Katho­li­ken, selbst die­je­ni­gen, die als ‚Unter­grund‘ bezeich­net wer­den, ver­die­nen Ver­trau­en, weil sie auf­rich­tig wün­schen, loya­le Bür­ger zu sein und in ihrem Gewis­sen und in ihrem Glau­ben respek­tiert zu werden.“

„Die katholische Kirche hat China viel zu geben“

Der Kar­di­nal­staats­se­kre­tär sprach auch die Fra­ge der Auf­nah­me offi­zi­el­ler diplo­ma­ti­scher Bezie­hun­gen an. Die­se exi­stie­ren fak­tisch bereits, aber nicht auf offi­zi­el­ler Ebene.

„Der Dia­log zwi­schen dem Vati­kan und der chi­ne­si­schen Sei­te ist immer noch offen, und ich den­ke, er ist in gewis­ser Wei­se ein obli­ga­to­ri­scher Weg. Pro­ble­me sind unver­meid­lich, aber wenn die­ser Dia­log in Wahr­heit und gegen­sei­ti­gem Respekt wächst, kann er für die Kir­che und für die chi­ne­si­sche Gesell­schaft frucht­bar sein. Um ihn flüs­si­ger und frucht­ba­rer zu machen, scheint mir die Eröff­nung eines stän­di­gen Büros des Hei­li­gen Stuhls in Chi­na sehr nütz­lich zu sein. Ich füge hin­zu, daß eine sol­che Prä­senz mei­ner Mei­nung nach nicht nur den Dia­log mit den zivi­len Behör­den begün­sti­gen wür­de, son­dern auch zur voll­stän­di­gen Ver­söh­nung inner­halb der chi­ne­si­schen Kir­che und zu ihrem Weg zu einer wün­schens­wer­ten Nor­ma­li­tät bei­tra­gen würde.“

Schließ­lich füg­te Paro­lin hin­zu, „daß die katho­li­sche Kir­che Chi­na noch viel zu geben hat, und daß Chi­na der katho­li­schen Kir­che viel zu geben hat. Wir haben ja ein Abkom­men unter­zeich­net, das man als histo­risch bezeich­nen kann, das aber in sei­ner Gesamt­heit und auf die best­mög­li­che Wei­se umge­setzt wer­den muß. Heu­te, im ent­schei­den­den Moment sei­ner Umset­zung, brau­chen wir den guten Wil­len, den Kon­sens und die Zusam­men­ar­beit, die es uns ermög­licht haben, die­sen weit­sich­ti­gen Pakt zu unter­zeich­nen! Der Hei­li­ge Stuhl ist ent­schlos­sen, sei­nen Teil dazu bei­zu­tra­gen, daß der Weg fort­ge­setzt wird.“

Kri­ti­ker sehen hin­ter der neu­en Ost­po­li­tik von Papst Fran­zis­kus den Wil­len, ein mul­ti­po­la­res System zu för­dern, um sicher­zu­stel­len, daß die stark olig­ar­chisch beein­fluß­te US-Domi­nanz nicht zu mäch­tig wird. Dafür sei er zu vie­len Kom­pro­mis­sen bereit. Der Preis sei „zu hoch“, kri­ti­sier­te wie­der­holt Kar­di­nal Joseph Zen, die graue Emi­nenz der chi­ne­si­schen Unter­grund­kir­che. Der inzwi­schen in den Hin­ter­grund getre­te­ne poli­ti­sche Bera­ter von Papst Fran­zis­kus, Kuri­en­bi­schof Mar­ce­lo Sanchez Sor­on­do, tätig­te 2016 die erstaun­li­che Aus­sa­ge:

„In die­sem Moment sind jene, die die Sozi­al­leh­re der Kir­che am besten ver­wirk­li­chen, die Chinesen.“

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Asia­news

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