(Rom) Der ehemalige Rechnungsprüfer des Vatikans Libero Milone und sein Stellvertreter Ferruccio Panicco, die 2017 auf unsanfte und undurchsichtige Weise entlassen wurden, werden in einem Prozeß, der am morgigen Mittwoch beginnt, 9,3 Millionen Euro Schadenersatz vom Heiligen Stuhl fordern.
Die erste Anhörung in dem Verfahren, das von den beiden ehemaligen Revisoren angestrengt wurde, findet morgen nachmittag vor dem Gerichtshof der Vatikanstadt statt. Da der Beginn erst für 16:30 Uhr angesetzt wurde, ist lediglich mit den Eröffnungsformalitäten und der Klärung von Verfahrensfragen zu rechnen.
Der Finanzfachmann Libero Milone war im Mai 2015 von Papst Franziskus zum Generalrevisor des Heiligen Stuhls ernannt worden. Ihm sollte die Aufgabe obliegen, die Rechnungslegung zu überwachen und transparenter zu gestalten. Seine Ernennung erfolgte im Zuge der Wirtschafts- und Finanzreformen, die Franziskus am Beginn seines Pontifikats angekündigt hatte. 2014 war durch ihn bereits die Errichtung eines eigenen Wirtschaftsdikasteriums erfolgt, damals Wirtschaftssekretariat genannt, das die Finanzen und die Verwaltung des Heiligen Stuhls vereinheitlichen und effizienter gestalten sollte. Zum ersten Präfekten hatte er den vor kurzem verstorbenen australischen Kardinal George Pell ernannt.
Papst Franziskus verließ aber schnell der Mut oder das Interesse an der Frage. Als einige vatikanische Institutionen, die über erhebliche eigene Kassen verfügen, sich gegen die Kontrolle und Überwachung sträubten, ruderte Franziskus schnell zurück und beschnitt die Zuständigkeiten des Wirtschaftssekretariats. Kardinal Pell und Generalrevisor Milone, die sich gegenseitig schätzten, setzten ihre Arbeit jedoch auftragsgemäß fort. Jemand kam offensichtlich zum Schluß, daß ihrem Wirken dringend Einhalt geboten werden mußte, denn 2017 wurden beide unsanft aus dem Vatikan entfernt.
Kardinal Pell sah sich plötzlich in Australien mit dem Verdacht des sexuellen Mißbrauchs konfrontiert. Wie sich herausstellen sollte, zu unrecht. Papst Franziskus drängte ihn jedoch, Rom zu verlassen und sich zu Hause gegen die Vorwürfe zu verteidigen. Schwer enttäuscht trat der Kardinal einen drei Jahre dauernden Leidensweg an. Am Ende wurde er zwar freigesprochen, doch sein Amt im Vatikan war weg.
Ebenso erging es im selben Jahr dem Generalrevisor Libero Milone. Er wurde durch Drohung und Einschüchterung gezwungen, den Vatikan fluchtartig zu verlassen. Das war immer noch das bessere Los, als es Kardinal Pell gezogen hatte. Offiziell hieß es, Milone und sein Stellvertreter Panicco hätten durch Untersuchungen gegen einige Mitarbeiter des Kirchenstaates ihre Zuständigkeiten überschritten. Pell kritisierte die Entfernung Milones noch kurz vor seinem Tod.
Wie auch immer die Hintergründe genau gewesen sein mögen: Tatsache ist, daß sich eine Seite im innervatikanischen Tauziehen durchgesetzt hatte. Kurioserweise torpedierte Franziskus dabei seine eigenen Reformpläne, die 2017 endgültig in den Schubladen verschwanden. Er hatte Kardinal Pell und Libero Milone in den Vatikan berufen. Er war es aber, der sie, als es darauf ankam, zugunsten der Hofkamarilla im Stich ließ.
Die beiden ehemaligen Rechnungsprüfer fordern nun 9.278.000 Euro Schadensersatz vom vatikanischen Staatssekretariat, das von Kardinal Pietro Parolin geleitet wird, dessen Substitut (Stellvertreter) damals der heutige Kardinal Angelo Becciu war.
Milone und Panicco betonten jüngst gegenüber Medien, sie seien zum Rücktritt gezwungen worden und hätten ihre Klage mit der Absicht eingebracht, „die Geschehnisse aufzuklären und eine gerechte Entschädigung für den erlittenen Schaden zu erhalten“.
Sie bestreiten die Gültigkeit der „erpreßten Rücktritte“ und beschuldigen den damaligen Substituten Becciu, sie abgesetzt zu haben, nachdem sie auf Unregelmäßigkeiten im vatikanischen Finanzwesen gestoßen waren.
Kardinal Becciu seinerseits ist der Hauptangeklagte in einem anderen Prozeß im Vatikan. Ihm werden Unregelmäßigkeiten und der betrügerische Kauf einer Luxusimmobilie in London vorgeworfen. Er muß sich dafür zusammen mit neun weiteren Angeklagten, darunter Geschäftsleute und Verwaltungsbeamte des Heiligen Stuhls, vor dem vatikanischen Gericht verantworten. Flogen die zweifelhaften Geschäfte, deren Aufdeckung durch Pell und Milone verhindert werden mußte, schließlich doch auf? Kurz bevor Becciu stürzte, wurde jedoch noch der Kommandant des vatikanischen Gendarmeriekorps aus dem Amt entfernt. Der in jeder Hinsicht loyale Kommandant hatte Milone 2017 unsanft aus dem Vatikan befördert.
Wenn es ums Geld geht, rollen die Köpfe schnell.
Von Anfang an wechselten sich in diesem Tauziehen Schlag und Gegenschlag ab. In diesem Kontext werden Ermittlungen wegen Veruntreuung gesehen, die der Vatikan seit dem Frühjahr 2022 gegen Milone durchführt. Die Ermittlungen setzten just dann ein, als klar war, daß die vatikanische Justiz das von Milone angestrengte Schadensersatzverfahren für zulässig erklärt.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va (Screenshot)