(Rom) Jeder Papst hat seine Besonderheiten in der Amtsführung. Darüber hinaus gibt es jedoch Gepflogenheiten, die von den Päpsten respektiert wurden. Unter Papst Franziskus änderte sich manches, auch was die Emeritierung von Bischöfen betrifft. Kritiker sagen Franziskus nach, nach der peronistischen Maxime zu handeln: „Für Freunde alles, für Feinde nicht einmal Gerechtigkeit“. Derzeit geht der Blick in die US-Bundeshauptstadt Washington, wo der amtierende Erzbischof am 7. Dezember die kanonische Altersgrenze von 75 Jahren erreicht hat.
Erzbischof von Washington ist seit 2019 Kardinal Wilton Gregory, der wie sein Vorgänger Kardinal Donald Wuerl zu den sogenannten McCarrick-Boys gehört. Theodore McCarrick war als Vorgänger von Kardinal Wuerl auch Erzbischof von Washington und selbst Purpurträger, bis er 2018 nach einem Zuruf der New York Times tief stürzte. Wegen homosexuellem Mißbrauch verlor er die Kardinalswürde und wurde schließlich laisiert. Wer alles McCarrick gedeckt hatte, der den größten Einfluß unter Papst Franziskus erlangte, ist bis heute ungeklärt. Das gilt auch für das Verhältnis von Papst Franziskus zu McCarrick. Der ehemalige Apostolische Nuntius in den USA Carlo Maria Viganò enthüllte 2018, Papst Franziskus bereits im Juni 2013 über McCarricks Treiben informiert zu haben. Franziskus ignorierte die Informationen seines Botschafters und setzte jene Kandidaten in den USA als Bischöfe ein, die ihm McCarrick nahelegte. Auch McCarricks Wunschnachfolger als Erzbischof von Washington, Kardinal Wuerl, mußte 2019 das Feld räumen, nachdem sein Verhalten gegenüber Fällen von homosexuellem Mißbrauch durch Kleriker bekannt geworden war.
Der Umstand, daß 2019 nach dem Sturz von McCarrick und Wuerl ein McCarrick-Boy neuer Erzbischof von Washington wurde, zeigte auf erschütternde Weise, daß alte Homo-Seilschaften und progressive Cliquen intakt sind und in Santa Marta Einfluß haben.
Gregorys schützende Hand über Joe Biden und Nancy Pelosi
Von welcher Bedeutung die Bischofsernennung von Washington ist, zeigte sich im Streit um die Kommunionspendung an Abtreibungspolitiker wie US-Präsident Joe Biden und die inzwischen abgewählte Vorsitzende des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi. Bemerkenswert dabei ist, daß diese unerbittliche Verfechterin der Abtreibung im engsten familiären Umfeld mit Homosexualität und Mißbrauch konfrontiert ist, wenn auch nicht Kindesmißbrauch.
Als etliche US-Bischöfe Konsequenzen forderten für Politiker, die aktiv den Genozid durch Abtreibung fördern, und sie vom Empfang der heiligen Kommunion ausschließen wollten, weil das Kirchenrecht vorsieht, daß sie latae sententiae exkommuniziert sind, verweigerte sich der Erzbischof von Washington, Kardinal Wilton Gregory, dieser Forderung und hielt seine schützende Hand über Biden und Pelosi. Er erfüllte damit offenbar ganz die Erwartungen, die Papst Franziskus in ihn gesetzt hatte. Der Streitpunkt wurde schließlich von Franziskus selbst „bereinigt“, indem er 2021 Biden im Vatikan empfing und dieser anschließend nicht nur erklären konnte, wie sehr ihn der Papst schätze, sondern auch die heilige Kommunion empfangen durfte. Gleiches wiederholte sich 2022 mit Nancy Pelosi, die sogar im Petersdom in Anwesenheit des Papstes die Kommunion erhielt. Roma locuta, causa finita. Übersetzt: Wem der Papst die Kommunion zugesteht, dem kann sie ein Ortsbischof doch nicht verweigern. Theoretisch schon. Der Bischof hätte sogar das Kirchenrecht auf seiner Seite. Er wäre dann aber „päpstlicher als der Papst“, ein Negativtitel, den man zu vermeiden sucht.
So gelang es Franziskus mit Hilfe der McCarrick-Boys, die im US-Episkopat nur eine Minderheit sind, mehrfach der Bischofskonferenz der Vereinigten Staaten seinen Kurs aufzuzwingen: 2018 bezüglich der Bekämpfung von sexuellem Mißbrauch durch Kleriker und Bischöfe, 2021/2022 bezüglich der Abtreibungsfrage.
„Für Freunde alles, für Feinde…“
Währenddessen baut Franziskus den Episkopat durch Neuernennungen um. Gemäß der eingangs erwähnten Maxime ist damit zu rechnen, daß Kardinal Gregory, der am 7. Dezember sein 75. Lebensjahr vollendete, auch weiterhin im Amt bleiben und den politisch wichtigen Bischofsstuhl von Washington kontrollieren wird.
Es wird in Washington also anders verlaufen als im Erzbistum La Plata, wo Erzbischof Héctor Rubén Aguer, der argentinische Gegenspieler von Jorge Mario Bergoglio, sofort emeritiert wurde, oder im Erzbistum Ferrara, wo Erzbischof Luigi Negri kaum den Dankgottesdienst beendet hatte und schon sein Amt verlassen mußte, oder im Erzbistum Mailand, wo Kardinal Angelo Scola, Bergoglios Gegenkandidat im Konklave von 2013, kaum weniger schnell aus dem Amt entfernt wurde.
Teilweise geschah dies sogar, obwohl der betroffene Bischofsstuhl dann jahrelang unbesetzt blieb, so geschehen im Erzbistum Caracas, wo Kardinal Jorge Liberato Urosa Savino, ein entschiedener Kritiker des sozialistischen Regimes von Hugo Chávez und Nicolás Maduro, 2018 emeritiert wurde und der Bischofsstuhl bis heute vakant ist.
Kardinal Urosa war 2015 bei Franziskus in Ungnade gefallen, weil er vor dem Beginn der zweiten Familiensynode zur Verteidigung der kirchliche Ehe- und Morallehre am Sammelband „In der Wahrheit Christi bleiben“ mitgewirkt hatte. Am ersten Synodentag war er einer der dreizehn Kardinäle, die am 5. Oktober 2015 dem Papst einen Beschwerdebrief übergaben, in dem sie den Vorwurf einer gelenkten Synode mit „zu wichtigen umstrittenen Themen vorgefertigten Ergebnissen“ erhoben.
Kardinal Urosa ist im September 2021 verstorben, ohne daß Franziskus, dessen freundschaftliches Verhältnis zum Regime der „Bolivarischen Revolution“ bekannt ist, bisher einen Nachfolger ernannt hätte.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: VaticanMedia (Screenshot)