Die Beichte, das erniedrigte Sakrament

Warum die Neomodernisten das Bußsakrament untergraben


Der Beichtstuhl, das ungeliebte, entsorgte, verstaubte Möbelstück. Laut Modernisten ist er seit den 70er Jahren überholt, denn falls man heute das "Bedürfnis" habe, "zu reden", sitze man an einem Tisch.
Der Beichtstuhl, das ungeliebte, entsorgte, verstaubte Möbelstück. Laut Modernisten ist er seit den 70er Jahren überholt, denn falls man heute das "Bedürfnis" habe, "zu reden", sitze man an einem Tisch.

Von Rober­to de Mattei*

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Katho­li­ken, die dem unver­än­der­li­chen Lehr­amt der Kir­che treu sind, sind zu Recht empört über die Respekt­lo­sig­keit und die Belei­di­gung des hei­lig­sten Sakra­ments der Eucha­ri­stie, wie es bei der Mes­se gesche­hen ist, die auf einer auf­blas­ba­ren Matrat­ze im Meer von Cro­to­ne gefei­ert wur­de. Die Sakra­men­te der Kir­che sind jedoch sie­ben, und es gibt ein wei­te­res, das stän­dig ernied­rigt wird: das Sakra­ment der Buße.

Das Buß­sa­kra­ment wird von vie­len abge­lehnt, weil es vom Reu­mü­ti­gen eine auf­rich­ti­ge Reue über sei­ne Sün­den ver­langt, ver­bun­den mit dem Vor­satz, sie nicht mehr zu bege­hen. Reue wird von Neo­mo­der­ni­sten als ein unter­wür­fi­ges Gefühl betrach­tet, das von Got­tes barm­her­zi­ger Lie­be nicht gefor­dert wer­de. Die­ser Stand­punkt deckt sich mit dem der Jan­se­ni­sten, die ihn im 18. Jahr­hun­dert ver­tra­ten, aber vom hei­li­gen Alfons Maria de‘ Liguo­ri (1696–1787) wider­legt wur­den, dem gro­ßen Kir­chen­leh­rer, der von Pius XII. zum „himm­li­schen Patron aller Beken­ner und Mora­li­sten“ erklärt wurde.

Die Reue, die sich in einem auf­rich­ti­gen Bekennt­nis und in der frei­wil­li­gen Annah­me der vom Beicht­va­ter auf­er­leg­ten Genug­tu­ungs­wer­ke äußert, ist eines der kon­sti­tu­ti­ven Ele­men­te des sakra­men­ta­len Buß­ri­tus. Das Kon­zil von Tri­ent defi­niert sie als:

„See­len­schmerz und Abscheu vor der began­ge­nen Sün­de mit dem Vor­satz, nicht mehr zu sün­di­gen“ (Sess. 14, Kap. 4). 

Sie wird unter­schie­den in voll­kom­me­ne oder unvoll­kom­me­ne. Die voll­kom­me­ne Reue ent­springt dem Her­zen des Reu­mü­ti­gen, der die Sün­de bereut, da sie ein Ver­ge­hen gegen Gott ist. Man nennt sie auch Zer­knir­schung. Um sich dem Sakra­ment der Buße zu nähern, genügt jedoch der unvoll­kom­me­ne Schmerz oder die Zermürbung/​Reue, die in der See­le eines Men­schen ent­steht, der die Sün­de ernst­haft ver­leug­net, aus einem über­na­tür­li­chen Grund (wie der Angst vor der Höl­le), aber weni­ger als die voll­kom­me­ne Liebe.

Was sind aber die Vor­aus­set­zun­gen dafür, daß die unvoll­kom­me­ne Reue den für die Gül­tig­keit des Sakra­ments erfor­der­li­chen Grad der Hin­läng­lich­keit erreicht? Die Jan­se­ni­sten ver­tra­ten die Ansicht, daß die Zer­mür­bung nicht aus­rei­che, weil ihr die rei­ne Lie­be zu Gott feh­le, und daß für die Erfül­lung des Gebots die voll­kom­me­ne Reue not­wen­dig sei. Der hei­li­ge Alfons von Liguo­ri ant­wor­te­te, daß die Furcht vor der Höl­le und der gött­li­chen Gerech­tig­keit bereits ein ini­ti­um amo­ris ent­hält, da die Furcht vor der Höl­le impli­zit die Furcht ist, Gott zu ver­lie­ren; man fürch­tet die Stra­fe, weil sie von Gott, dem Urhe­ber des Glücks, das man besit­zen möch­te, ver­hängt wird.

„Genau­er gesagt, beinhal­tet die Zer­mür­bung eine anfäng­li­che Lie­be, denn sie beinhal­tet: 1. die Furcht vor der gött­li­chen Rache, timor Dei ini­ti­um dil­ec­tione eius; 2. die Hoff­nung auf Ver­ge­bung; 3. die Hoff­nung auf Selig­keit. Der gewöhn­li­che Pöni­tent, der sich der Beich­te nur mit Zer­mür­bung nähert, beginnt Gott als sei­nen Befrei­er, Recht­fer­ti­ger und Ver­herr­li­cher zu lie­ben.“ 1

Der Irr­tum des Jan­se­nis­mus bestand dar­in, das Han­deln Got­tes nicht in einem Akt zu sehen, der zwar nicht in sich selbst recht­fer­ti­gend ist, aber den­noch auf dem Weg der Recht­fer­ti­gung liegt, zu der er durch das Sakra­ment gelangt. Andern­falls kann kei­ne mensch­li­che Hand­lung mora­lisch gut sein, wenn sie nicht die Lie­be Got­tes zum Ziel hat. Des­halb bekräf­tigt das Kon­zil von Tri­ent, daß die unvoll­kom­me­ne Reue oder Zer­mür­bung eine Gabe Got­tes und ein Impuls des Hei­li­gen Gei­stes ist, der noch nicht in der See­le wohnt, sie aber bewegt und den Weg zur Gerech­tig­keit berei­tet. Und obwohl eine sol­che unvoll­kom­me­ne Zer­knir­schung ohne das Sakra­ment der Buße an sich nicht in der Lage ist, den Sün­der zur Recht­fer­ti­gung zu füh­ren, so berei­tet sie ihn doch dar­auf vor, die Gna­de Got­tes zu ver­mit­teln, die er im Sakra­ment emp­fan­gen wird.

Die rigo­ri­sti­sche Moral der Jan­se­ni­sten begün­stig­te in der Tat einen von der Buße unab­hän­gi­gen Weg zur Kom­mu­ni­on, der in sel­te­nen Fäl­len eini­gen weni­gen Aus­er­wähl­ten vor­be­hal­ten war, die zu einer rei­nen und unei­gen­nüt­zi­gen Lie­be zu Gott fähig waren. Die laxe Moral der Neo­mo­der­ni­sten hin­ge­gen behaup­tet, daß die Gabe der rei­nen Lie­be allen zuteil wird, und macht das Buß­sa­kra­ment prak­tisch über­flüs­sig. Der Neo­mo­der­nis­mus leug­net den Wert der Zer­mür­bung, weil er behaup­tet, die „Reli­gi­on der Angst“ durch die „Reli­gi­on der Lie­be“ zu erset­zen, ohne auf die Reue der Sün­den und die Mög­lich­keit der ewi­gen Ver­damm­nis hin­zu­wei­sen. Die­se lehr­mä­ßi­gen Abir­run­gen sind, wie der Theo­lo­ge Pater Tul­lio Roton­do gut erklärt hat, im nach­syn­oda­len Schrei­ben Amo­ris Lae­ti­tia von Papst Fran­zis­kus ent­hal­ten.2 Ein grund­le­gen­des Ele­ment der Zer­knir­schung ist näm­lich die Absicht, nicht zu sün­di­gen und die der Sün­de nahe­kom­men­den Gele­gen­hei­ten zu mei­den, was Amo­ris Lae­ti­tia fak­tisch zunich­te macht. Ohne Reue, ob voll­kom­men oder unvoll­kom­men, und damit ohne die Absicht, nicht mehr zu sün­di­gen, „gibt es kei­ne Ver­ge­bung der Sün­den, kei­ne Ver­söh­nung mit der Kir­che, kei­ne Wie­der­her­stel­lung des Gna­den­stan­des, es gibt kei­nen Erlaß der ewi­gen Stra­fe, die man wegen der Tod­sün­den ver­dient hat, und der zeit­li­chen Stra­fen, die eine Fol­ge der Sün­de sind, es gibt kei­nen Frie­den und kei­ne Ruhe des Gewis­sens und kei­nen Trost des Gei­stes, es gibt kei­nen Zuwachs an gei­sti­ger Kraft für den christ­li­chen Kampf jedes Tages“ (S. 190).

Es gibt einen zwei­ten Grund, war­um die Neo­mo­der­ni­sten ver­su­chen, das Buß­sa­kra­ment zu unter­gra­ben. Die Buße ist den Häre­ti­kern seit jeher ver­haßt, weil sie mehr als jedes ande­re Sakra­ment die von der Kir­che aus­ge­üb­te rich­ter­li­che Gewalt zum Aus­druck bringt. Die­se Macht wur­de den Apo­steln und ihren Nach­fol­gern von Jesus Chri­stus selbst, dem höch­sten Haupt der kirch­li­chen Gesell­schaft, über­tra­gen.3

In der Tat übt die apo­sto­li­sche Hier­ar­chie in der Kir­che zwei Gewal­ten aus, die auf geheim­nis­vol­le Wei­se in ein und der­sel­ben Per­son ver­eint sind: die Macht der Ord­nung und die Macht der Recht­spre­chung. Die erste ist die Macht, die Mit­tel der gött­li­chen Gna­de zu ver­tei­len; die zwei­te ist die Macht, die Gläu­bi­gen zu regie­ren. „Eine der Auf­ga­ben der Gerichts­bar­keit“, erklärt Kar­di­nal Jour­net, „besteht dar­in, die Bedin­gun­gen für die Aus­übung der Ord­nungs­ge­walt zu bestim­men. Inso­fern ist die Anord­nungs­be­fug­nis von der Zustän­dig­keits­be­fug­nis abhän­gig. Sie ist immer auf die­se ange­wie­sen, wenn es um ihre recht­mä­ßi­ge Aus­übung geht. Sie hängt auch manch­mal von ihr ab, wenn es um ihre gül­ti­ge Aus­übung geht: Des­halb ist die Juris­dik­ti­on für die gül­ti­ge Spen­dung des Buß­sa­kra­men­tes erfor­der­lich.4

Die auf dem Meer auf einer Luft­ma­trat­ze gefei­er­te Mes­se ist eine got­tes­lä­ster­li­che, aber ver­mut­lich gül­ti­ge Mes­se, denn der prie­ster­li­che Cha­rak­ter, der durch das Wei­he­sa­kra­ment ein­ge­prägt wird, ist unaus­lösch­lich. Fehlt dage­gen einem Prie­ster, auch wenn er voll­kom­men recht­gläu­big ist, die für die Spen­dung der Buße erfor­der­li­che Juris­dik­ti­on, so ist sei­ne Beich­te nicht nur uner­laubt, son­dern ungül­tig, außer in den vom Kir­chen­recht vor­ge­se­he­nen Aus­nah­me­fäl­len. Wer die­sen Aspekt igno­riert oder ver­harm­lost, beraubt die Kir­che ihres Cha­rak­ters als Insti­tu­ti­on, um sie auf einen rein geist­li­chen Orga­nis­mus zu redu­zie­ren, wie es die Moder­ni­sten tun.

Die Mut­ter­got­tes hat Schwe­ster Lucia gebe­ten, daß die Süh­ne­kom­mu­ni­on an den ersten Sams­ta­gen des Monats vor oder nach der Beich­te statt­fin­den soll, und zwar inner­halb einer Woche. Im Drit­ten Geheim­nis von Fati­ma bezieht sich der drei­fa­che Auf­ruf des Engels zur Buße in erster Linie auf einen Geist ech­ter Reue, schließt aber auch die häu­fi­ge Inan­spruch­nah­me des Buß­sa­kra­ments ein, das recht­mä­ßig aus­ge­übt wird. In der hei­li­gen Kom­mu­ni­on wer­den wir in Chri­stus ein­ge­glie­dert, aber die Beich­te glie­dert uns in die Kir­che Chri­sti ein, die kein unsicht­ba­rer Orga­nis­mus ist, son­dern eine rea­le, hier­ar­chisch und recht­lich orga­ni­sier­te Gesell­schaft. Für die Mit­glie­der der strei­ten­den Kir­che gehen daher häu­fi­ge Kom­mu­ni­on und häu­fi­ge Beich­te Hand in Hand.

Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt in deut­scher Über­set­zung: Ver­tei­di­gung der Tra­di­ti­on: Die unüber­wind­ba­re Wahr­heit Chri­sti, mit einem Vor­wort von Mar­tin Mose­bach, Alt­öt­ting 2017 und Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil. Eine bis­lang unge­schrie­be­ne Geschich­te, 2. erw. Aus­ga­be, Bobin­gen 2011.

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Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Giu­sep­pe Nardi


1 Giu­sep­pe Cac­cia­to­re: San­t’Al­fon­so de‘ Liguo­ri e il gian­se­nis­mo. Libre­ria Editri­ce Fio­ren­ti­na, Flo­renz 1942, S. 468

2 Tul­lio Roton­do: Tra­di­men­to del­la sana dottri­na attra­ver­so Amo­ris lae­ti­tia. You­can­print, Bd. 1, S. 157–400

3 Msgr. Anto­nio Pio­lan­ti: Teo­lo­gia sacra­men­ta­ria. Dog­ma­ti­sche Syn­the­se in chri­sto­lo­gi­scher Per­spek­ti­ve. Libre­ria Editri­ce Vati­ca­na, Vati­kan­stadt 1997, S. 124f

4 Card. Charles Jour­net: L’Eg­li­se du Ver­be incar­né. Des­clée de Brou­wer. Paris 1941, Bd. II, S. 34f

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2 Kommentare

  1. Wer oft zur Kom­mu­ni­on geht, der muss auch oft zur Beich­te gehen, so hat es mir mein See­len­füh­rer gesagt, denn in den Sakra­men­ten wer­den wir geheilt. Die Gna­de in der Hl. Kom­mu­ni­on erfährt man ja nur, wenn man sich im Gna­den­stand befindet.
    Es ist mir unbe­greif­lich, dass die­ses Sakra­ment und auch der unmit­tel­ba­re Zusam­men­hang mit dem Sakra­ment der Eucha­ri­stie auch von den Geist­li­chen so ver­kannt wird. Das kann doch nur dar­an lie­gen, dass die Leh­re der Kir­che rund­her­um ange­zwei­felt wird.

  2. Reue und Zer­knir­schung sind der Weg zu Gott. Ausser der Beich­te ist es dem Gläu­bi­gen auch mög­lich, direkt beim unse­rem Vater im Him­mel um Ver­ge­bung zu bit­ten. Kraft der Ver­ge­bung, die uns gewährt wird, weil Jesus Chri­stus alle unse­ren Sün­den rein­ge­wa­schen hat. Vie­le haben von dem Pro­zess berich­tet, er fin­det sich auch in den Brie­fen des neu­en Testa­men­tes. Aus der Reue und Zer­knir­schung, der Dar­le­gung und Bit­te um Ver­ge­bung vor Gott, vor den Glau­bens­brü­dern, vor dem Prie­ster, erfolgt ein Erfüllt­sein mit der Lie­be Chri­sti. Er ist der Gna­den­spen­der der Lie­be. Wir kön­nen uns die Lie­be nicht selbst geben. Sie wird vom Herrn gegeben. 

    Pri­vat vor Gott prak­ti­zier­te Reue und Buße sind in der End­zeit ausser­or­dent­lich wich­tig weil es so vie­le seh­nen­de Men­schen in der gan­zen Welt gibt, die nicht in der Kir­che ste­hen. Das steht auch im Kate­chis­mus der katho­li­schen Kir­che so. Es ist der Weg der ausser­halb der Kir­che Ste­hen­den zum See­len­heil. Und sie wer­den dabei vom hei­li­gen Geist erfüllt, der die Ein­sicht vermittelt.

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