20. Juli 1944. Die Verschwörung der Militärs gegen Hitler

Legitimer Widerstand gegen Willkürherrschaft


Hermann Göring läßt sich nach dem gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler den Ort des Geschehens zeigen.
Hermann Göring läßt sich nach dem gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler den Ort des Geschehens zeigen.

Von Rober­to de Mattei*

Das geschei­ter­te Atten­tat auf Donald Trump am 13. Juli reiht sich ein in eine Serie von poli­ti­schen Gewalt­ta­ten, die nichts mit Epi­so­den legi­ti­men Wider­stands gegen Will­kür­herr­schaft zu tun haben, wie etwa dem vom 20. Juli 1944 gegen Hit­ler, an des­sen 80. Jah­res­tag es sich heu­te zu erin­nern lohnt.

Die­ser Putsch­ver­such mit dem Code­na­men Unter­neh­men Wal­kü­re fand im Füh­rer­haupt­quar­tier, der Wolfs­schan­ze, in Rasten­burg in Ost­preu­ßen, statt, schei­ter­te aber, weil Hit­ler leicht ver­letzt die Explo­si­on der Bom­be, die ihn töten soll­te, über­leb­te. Der eigent­li­che Draht­zie­her des Atten­tats war Oberst Claus Schenk Graf von Stauf­fen­berg, der noch in der Nacht auf den 21. Juli zusam­men mit ande­ren Offi­zie­ren, die sei­ne Kom­pli­zen waren, ver­haf­tet und erschos­sen wur­de, wäh­rend sich die Natio­nal­so­zia­li­sten an fast 6000 Per­so­nen räch­ten, die der Betei­li­gung an dem Putsch ver­däch­tigt wur­den. Das Schei­tern war nicht nur auf eine Rei­he zufäl­li­ger Umstän­de zurück­zu­füh­ren, die Hit­lers Leben ret­te­ten, son­dern vor allem auf die Unsi­cher­heit der Ver­schwö­rer, in den dra­ma­ti­schen Stun­den nach Stauf­fen­bergs Geste zu handeln.

Die­se ope­ra­ti­ve Unzu­läng­lich­keit, die die Mit­glie­der des Wider­stands gegen Hit­ler, die fast alle bru­tal ermor­det wur­den, das Leben koste­te, spie­gelt die Hete­ro­ge­ni­tät ihrer Hin­ter­grün­de und Pro­gram­me wider. Den Geg­nern Hit­lers fehl­te es zwar an einer kohä­ren­ten dok­tri­nä­ren Visi­on, nicht aber an einem kohä­ren­ten Lebens­stil. Bei den Ver­schwö­rern des 20. Juli han­del­te es sich haupt­säch­lich um Mili­tärs, aber auch um Diplo­ma­ten, hohe Staats­be­am­te und Land­adel, die durch ein Ehr­ge­fühl ver­bun­den waren, das in Fami­li­en gepflegt wur­de, die es seit Jahr­hun­der­ten gewohnt waren, ihrem Land in Krieg und Frie­den zu die­nen. Män­ner, die davon über­zeugt waren, wie es einer von ihnen, Gene­ral Hen­ning von Tre­sc­kow, aus­drück­te, „daß sich der mora­li­sche Wert eines Men­schen zeigt, wenn er bereit ist, sein Leben für sei­ne Über­zeu­gun­gen zu opfern“ (Das war Preu­ßen. Zeug­nis­se der Jahr­hun­der­te, hrsg. von Hans Joa­chim Schoeps, Peters, Bad Hon­nef 1955, hier zitiert nach der über­arb. ital. Fas­sung, Vol­pe, Rom 1965, S. 253). Die bei­den Män­ner, die zusam­men mit Stauf­fen­berg den Kern der Ver­schwö­rung bil­de­ten, Hel­mut James Graf von Molt­ke und Peter Graf Yorck von War­ten­burg, die bei­de wegen Hoch­ver­rats hin­ge­rich­tet wur­den, stamm­ten von dem gro­ßen preu­ßi­schen Feld­mar­schall ab, der gegen Napo­le­on gekämpft hat­te, und fan­den in der preu­ßi­schen Lebens­art die mora­li­schen Res­sour­cen, um dem natio­nal­so­zia­li­sti­schen Regime zu wider­ste­hen. Hit­lers Angrei­fer waren in die­sem Sin­ne in erster Linie Ari­sto­kra­ten, die einer Klas­se ange­hör­ten, die noch vor dem Adel des Blu­tes oder des Land­be­sit­zes eine Gei­stes­hal­tung ist, die über­le­ge­ne Men­schen kennzeichnet.

Prof. Pli­nio Cor­rêa de Oli­vei­ra hat gut auf­ge­zeigt, daß die eigent­li­che Bedeu­tung der Ari­sto­kra­tie in einem Geist des Dien­stes am Gemein­wohl liegt, der bis zum Holo­caust des Lebens reicht (Nob­re­za e eli­tes tra­di­cio­nais aná­lo­gas, Civi­li­zação, Por­to 1993; dt. Aus­ga­be: Der Adel und die ver­gleich­ba­ren tra­di­tio­nel­len Eli­ten, TFP, Wien 2008). Das höch­ste Opfer, das die Ver­schwö­rer zu brin­gen hat­ten, war jedoch nicht das Leben, son­dern jenes Emp­fin­den des Gehor­sams, das den Kern ihrer mora­li­schen Erzie­hung aus­mach­te. Doch der Mut zum Unge­hor­sam gegen unge­rech­te Befeh­le, die Liber­tas oboe­di­en­tiae, war Teil der preu­ßi­schen Tra­di­ti­on, die noch wei­te­re Bei­spie­le die­ser Art in ihrer Geschich­te kennt. Ein Grab­stein in der Mark Bran­den­burg erin­nert an Johann Fried­rich Adolf von der Mar­witz, der sich wei­ger­te, den Befehl Fried­richs II. zur Plün­de­rung des Schlos­ses Huber­tus­burg aus­zu­füh­ren: „Er sah die heroi­schen Zei­ten Fried­richs und kämpf­te alle Krie­ge mit ihm. Er zog es vor, in Ungna­de zu fal­len, wenn Gehor­sam nicht mit Ehre zu ver­ein­ba­ren war“ (Das war Preu­ßen, S. 130).

Kein grö­ße­res Opfer als die Rebel­li­on kann von jeman­dem ver­langt wer­den, der zum Gehor­sam und zum Die­nen erzo­gen ist. Das Vater­land zu lie­ben und im Namen die­ser Lie­be sei­ne Nie­der­la­ge zu wün­schen, ist ein extre­mes Opfer. Das Schick­sal der Ver­schwö­rer des 20. Juli war in die­sem Sin­ne bit­ter. Sie lit­ten nicht nur unter ille­ga­len Pro­zes­sen, gefolgt von Fol­ter und bar­ba­ri­schen Todes­ur­tei­len, son­dern auch unter dem Unver­ständ­nis vie­ler ihrer Lands­leu­te und selbst ihrer Fein­de, obwohl sich die mei­sten von ihnen an allen Fron­ten mit Tap­fer­keit und Wun­den aus­ge­zeich­net hatten.

Die Prot­ago­ni­sten die­ser Epi­so­de des Wider­stands gegen den Natio­nal­so­zia­lis­mus ver­zich­te­ten bewußt auf die Flucht, um ihre Fami­li­en nicht zu gefähr­den, sie wider­stan­den den schlimm­sten Fol­te­run­gen, ohne ihre Kame­ra­den zu ver­ra­ten, sie ver­tei­dig­ten sich in den Pro­zes­sen mit edler Abge­klärt­heit, sie sahen einem schmach­vol­len Tod ins Auge, hin­ter­lie­ßen aber der Geschich­te ein hohes Zeug­nis. Die­se Män­ner hat­ten den Doc­tor Ange­li­cus nicht stu­diert, aber ihr Gespür für Gut und Böse, für Recht und Unrecht ließ sie die Not­wen­dig­keit erken­nen, sich gegen Hit­ler auf­zu­leh­nen. Eine der Bedin­gun­gen, die der hei­li­ge Tho­mas von Aquin für die Rebel­li­on gegen einen unge­rech­ten Unter­drücker auf­stellt, ist, kei­ne Situa­ti­on zu pro­vo­zie­ren, die schlim­mer ist als die, die man ändern will. Die Ver­schwö­rer waren davon über­zeugt, daß Deutsch­land im Fal­le eines erfolg­rei­chen Atten­tats nicht im Cha­os ver­sin­ken wür­de, son­dern daß das Mili­tär die Macht ergrei­fen, die natio­nal­so­zia­li­sti­schen Füh­rer abset­zen und die Waf­fen-SS in die Armee inte­grie­ren wür­de. Das Ende des Krie­ges wäre beschleu­nigt wor­den. Dies geschah nicht, aber der 20. Juli bleibt eine Geste, die die beste See­le des deut­schen Vol­kes zum Aus­druck bringt.

Unter jenen, die mit ihrem Leben bezahl­ten, war auch ein Jesu­it, Pater Alfred Delp, der am 28. Juli ver­haf­tet und anschlie­ßend von der Gesta­po gefol­tert wur­de. Am 8. Dezem­ber 1944 konn­te er im Gefäng­nis im Bei­sein eines Mit­bru­ders die fei­er­li­chen Gelüb­de able­gen und so für immer Ordens­mann der Gesell­schaft Jesu wer­den. Am 2. Febru­ar 1945 wur­de er nach einem Schein­pro­zeß gehängt, in dem er auf­ge­for­dert wur­de, sei­nen Vor­ge­setz­ten zu denun­zie­ren und zwi­schen dem Leben und sei­nem Orden zu wäh­len. Er wur­de nicht selig­ge­spro­chen, aber sein Name steht im Mar­ty­ro­lo­gi­um der Gesell­schaft Jesu, zusam­men mit vie­len ande­ren Ordens­leu­ten, die im 20. Jahr­hun­dert Opfer des Natio­nal­so­zia­lis­mus und des Kom­mu­nis­mus wurden.

*Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt in deut­scher Über­set­zung: Ver­tei­di­gung der Tra­di­ti­on: Die unüber­wind­ba­re Wahr­heit Chri­sti, mit einem Vor­wort von Mar­tin Mose­bach, Alt­öt­ting 2017, und Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil. Eine bis­lang unge­schrie­be­ne Geschich­te, 2. erw. Aus­ga­be, Bobin­gen 2011.

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Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana

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2 Kommentare

  1. Ich bezweif­le den welt­li­chen Stand­punkt. Einen welt­hi­sto­ri­sche Per­son zu töten, ist eine Schick­sals­fra­ge. Soll­te das Schick­sal der Per­son sogar in den hei­li­gen Schrif­ten vor­aus­ge­sagt sein, wäre das ein Ver­such, in das ange­kün­dig­te Han­deln Got­tes ein­zu­grei­fen. Das Miß­lin­gen des Atten­ta­tes auf Hit­ler hat­te das Ergeb­nis, daß der Füh­rer sich schließ­lich selbst töte­te. Er schoß sich offen­sicht­lich mit einer Kugel in den Kopf.

  2. Stauf­fen­berg hat die Abhand­lun­gen Tho­mas von Aquins über den Tyran­nen­mord gele­sen, und daher die Kraft bekom­men sich von sei­nem bis­he­ri­gen, Hit­ler erge­be­nen Welt­bild zu lösen, und den Wider­stand anzu­lei­ten, trotz­dem er gewiss nicht der Klüg­ste, und auch nicht der kör­per­lich fit­te­ste war.
    Mit Sophie Scholl war es ähn­lich, auch ihr, einer einst begei­ster­ten Hit­ler­an­hän­ge­rin, hat­ten die Greu­el­ta­ten ab Ende 41 die Augen geöff­net, aber sie wuss­te nicht, wel­che Idea­le nun die rich­ti­gen waren, nach­dem die alten, pro­te­stant­si­chen sie lan­ge in die Irre geführt hat­ten. Sie las die Schrif­ten des hei­li­gen Augu­sti­nus, Theo­dor Haeckers und John Hen­ry Newmans
    Bei den Betei­lig­ten Pro­te­stan­ten um Stauf­fen­berg, wie z.B. Hen­ning von Tre­sc­kow, hat­te sich das Gewis­sen gemel­det, sie hat­ten erkannt, dass die­se mor­den­de, sadi­sti­sche Kom­mu­ni­sten­grup­pe die Idea­le des Adels mit Füßen trat und Schan­de über Deutsch­land brachte.
    Aber wie sie aus dem Treu­schwur raus­kom­men soll­ten, und nach wel­chen Prin­zi­pi­en man nun gemein­sam han­deln soll­te, das wuss­ten sie nicht.
    Wie auch, Luther, ihr Glau­bens­va­ter, war auch das Vor­bild Hitlers.….

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