
Von Roberto de Mattei*
Das Coronavirus oder Covid-19, die Infektionskrankheit, die sich in wenigen Monaten auf der ganzen Welt verbreitet hat und Merkmale einer echten Pandemie annimmt, ist nach wie vor von einer geheimnisvollen Aura umhüllt. Über die Natur dieses Virus gibt es viele Hypothesen, aber nur wenige Gewißheiten.
Die Hypothesen betreffen in erster Linie den Ursprung der Krankheit. Ist das Virus aus der Natur entstanden, wie die meisten Virologen sagen, oder wurde es im Labor erzeugt, wie andere glauben? Und wurde es, in diesem zweiten Fall, zu therapeutischen Zwecken oder zur bakteriologischen Kriegsführung hergestellt? In welchem Labor wäre es gebaut worden, in einem chinesischen oder einem westlichen? War das Entweichen aus dem Labor zufällig oder gewollt?
Es liegt auf der Hand, daß die Hypothese einer gezielten Freisetzung die Annahme einer „Verschwörung“ geheimer Kräfte befeuern würde, wie es sie in der Geschichte oft gegeben hat. Falls das Virus hingegen aus der Natur stammt, oder durch einen Unfall aus einem Labor entwichen ist, sollte angenommen werden, daß diese Kräfte selbst von dem Ereignis überrascht wurden.
Eine der plausibelsten Hypothesen scheint jene von Steve Mosher zu sein, wonach das in China hergestellte Virus durch einen Unfall aus einem Labor in Wuhan entwichen ist (LifeSiteNews, 22. April 2020). Es handelt sich um eine Hypothese, aber die Verantwortung des kommunistischen China, die Mosher gut herausarbeitet, ist eine Gewißheit.
Die Kommunistische Partei Chinas hat über die Ausbreitung des Virus geschwiegen und die Anzahl der Zahlen der Infektionen und der Todesfälle manipuliert. Chen Guangcheng, der blinde Aktivist, der als Flüchtling Aufnahme in den Vereinigten Staaten gefunden hat, nachdem er in China wegen seiner Berichte über Abtreibungen und Zwangssterilisationen in Shandong inhaftiert war, sagte, daß „die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) das größte und gefährlichste Virus der Welt ist“ (AsiaNews, 27. April 2020).
Selbst ein sehr vorsichtiger Beobachter wie Paolo Mieli stellte im Corriere della Sera vom 27. April fest, daß die chinesischen Behörden die Zahl der Infizierten in ihrem Land nur beiläufig mit der Zeit „anpassen“.
„Wie ist es möglich – schreibt Mieli –, daß ein Land, das von der Weltgesundheitsorganisation ernst genommen wird und das sie durch ihren Generaldirektor für seine ‚Strenge‘ lobte, die Zahlen so tanzen läßt? Je mehr Zeit vergeht, desto größer wird zudem die Zahl jener, die bezüglich der Entstehung des Virus die Vermutung äußern, daß in den Labors von Wuhan etwas Verdächtiges passiert ist.“
Auch zur Natur von Covid-19 gibt es nur Annahmen und keine Gewißheiten. Man weiß noch nicht, wie Covid-19 geheilt werden kann; es ist ebensowenig klar, ob die genesenen Infizierten immun werden, und wie lange das dauern kann. Immunologen sagen, daß es sich um ein „anormales“ Virus handle, das sich anders verhält als andere der gleichen Familie (Corriere della Sera, 25. April 2020); Es wird eine zweite Welle der Pandemie für Herbst angekündigt, aber niemand kann ihre Eigenschaften vorhersagen. Im Zweifelsfall neigen die Regierungen dazu, die verhängten Sperrmaßnahmen zu verlängern. Es gibt Leute, die sagen, daß es ein Mißverhältnis zwischen der Anzahl der Coronavirus-Opfer und den weltweit ergriffenen Maßnahmen der „sozialen Distanz“ gibt. Auf diesen Einwand wird geantwortet, daß die geringe Zahl der Opfer genau auf die von den verschiedenen Regierungen ergriffenen Sperrmaßnahmen zurückzuführen ist. Laut einer Studie der Deutschen Bank, die am 26. April von der Presseagentur AGI zitiert wurde, steht die Covid-19-Pandemie in Bezug auf die Sterblichkeitsrate im historischen Vergleich an letzter Stelle. Allerdings sagt die Forschung, ohne die Eindämmungsmaßnahmen, mit denen die Sterblichkeitsrate auf 0,002% gesenkt wurde, hätte die Sterblichkeitsrate 0,23% betragen und weltweit 17,6 Millionen Opfer gefordert. Gleiches gelte für die Infektionsrate.
Es gibt jene, die glauben, daß die Sperrung ein Plan starker Mächte ist, um soziale Kontrolle über die Menschheit ausüben zu können. Darunter befindet sich der postmoderne Philosoph Giorgio Agamben, der von der Ultralinken hochgeschätzt wird und sich seit dem 26. Februar in seinem Blog fragt, ob „soziale Distanzierung“ das neue Prinzip sein wird, die Gesellschaft zu organisieren.
„[Die Frage] ist um so dringlicher, als es sich nicht nur um eine rein theoretische Annahme handelt, wenn es wahr ist, wie von verschiedenen Seiten gesagt wird, daß der aktuelle Gesundheitsnotstand als Werkstatt gesehen werden kann, in der die neuen politischen und sozialen Strukturen vorbereitet werden, die der Menschheit bevorstehen“ (Quodlibet, 6. April 2020).
Aber was könnte die Alternative zur „Quarantäne“ sein, um die Epidemie einzudämmen? Es gibt jene, die den europäischen Modellen des Notfallmanagements jene von Israel und vor allem von Taiwan entgegensetzen, wo trotz der geographischen Nähe zu China die Zahl der Opfer und die Ansteckung sehr gering sind. Wenn aber die Gefahr, die uns droht, die „digitale Diktatur“ ist, erscheint die taiwanesische Methode, die auf dem Contact-Tracing-System basiert, noch gefährlicher als die europäische Sperrung. Taiwan überwacht seine Staatsbürgerschaft durch den Einsatz neuer Technologien ohne Rücksicht auf die Privatsphäre des Einzelnen. Das gleiche geschieht in Israel, wo das Kontaktverfolgungssystem so eisern angewendet wurde, daß eine Intervention des Obersten Gerichtshofs provoziert wurde.
Für andere ist das eigentliche Problem nicht die soziale Kontrolle, sondern die wirtschaftliche Katastrophe. Welche wirtschaftlichen und sozialen Folgen wird die Pandemie haben? Eine allgemeine Verarmung des Westens, um die soziale Kontrolle durch die „starken Mächte“ zu begünstigen, oder einen Zusammenbruch des Wirtschafts- und Finanzsystem, auf dem der Westen ruht?
In diesem zweiten Fall würde die soziale Manipulation sogar jenen starken Mächten entgleiten, die sie geplant haben. Wir bleiben auf der Ebene der Hypothesen. So behauptet der slowenische Soziologe Slavoj Žižek in seinem E‑Book Pandemic! Covid-19 Shakes the World (2020), daß wir in einer dreifachen Krise gefangen sind: einer gesundheitlichen (die Epidemie), einer wirtschaftlichen (ein sehr schwerer Schlag unabhängig vom Ausgang der Epidemie) und einer psychologischen (in Bezug auf die psychische Gesundheit des Einzelnen).
Der Aspekt der psychologischen Kriegsführung, auch in ihren übernatürlichen Dimensionen, wurde vom Institut Plinio Corrêa de Oliveira gut in einem Dokument vom 27. April herausgearbeitet, das den Titel trägt: A maior operação de engenharia social e de baldeação ideológica da História („Die größte Operation von Social Engineering und ideologischer Transformation der Geschichte“).
Die Existenz einer großen, globalen Operation läßt jedoch die grundlegende Frage offen. Haben wir es mit einem Plan zu tun, der von geheimen Kräften inszeniert wird? Die Tatsache, daß sie sich mit Blick auf eine Gesundheitskatastrophe eine Strategie für eine seit Jahren vorhersehbare Wirtschaftskatastrophe zurechtgelegt hatten, bedeutet nicht, daß diese Kräfte auch den Prozeß ausgelöst haben und daß sie das Ereignis vollständig kontrollieren können.
Neben diesen Hypothesen, über die diskutiert werden sollte, bleiben die Gewißheiten. Die erste ist, daß sich das globale Szenario seit dem Coronavirus objektiv geändert hat. Zum Guten oder zum Schlechten? Hier betreten wir noch einmal das Feld der in die Zukunft projizierten Hypothesen. Žižek sagt, daß für die kommunistische Revolution, deren Anhänger er ist, derzeit „alles möglich ist, in jede Richtung, von der besten zur schlechtesten“. Das gilt für die Revolution, aber auch für die Konterrevolution, die sich ihr widersetzt. Sicher gibt es breite und komplexe revolutionäre Manöver, um die Situation auszunutzen. Das ist eine weitere Gewißheit. Zu sagen, daß diese Manöver erfolgreich sein werden, ist hingegen eine Hypothese. Und es gibt noch eine Gewißheit: die Tatsache, daß sich die Männer, die derzeit die Kirche leiten, angesichts der Pandemie als abwesend oder sogar mitschuldig an antichristlichen Strategien erwiesen haben.
Was sollte die Kirche angesichts einer Pandemie wie der derzeitigen tun, und was alle Katholiken? Es sollte daran erinnert werden, daß alle Übel der Menschheit ihren Ursprung in der Sünde haben, daß die öffentliche Sünde schwerwiegender ist als die individuelle Sünde und daß Gott soziale Sünden mit den Geißeln der Krankheit, des Krieges, des Hungers und der Naturkatastrophen bestraft. Wenn die Welt nicht bereut, und besonders wenn die Männer der Kirche schweigen, sind die Strafen, die zu Beginn auf milde Weise verhängt werden, dazu bestimmt, immer schlimmer zu werden, bis ganze Nationen vernichtet werden. Das ist die Essenz der Botschaft von Fatima, die jedoch mit der tröstlichen Gewißheit des Triumphs des Unbefleckten Herzens Mariens endet.
*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt in deutscher Übersetzung: Verteidigung der Tradition: Die unüberwindbare Wahrheit Christi, mit einem Vorwort von Martin Mosebach, Altötting 2017 und Das Zweite Vatikanische Konzil. Eine bislang ungeschriebene Geschichte, 2. erw. Ausgabe, Bobingen 2011.
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Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana