(Rom) Im Leben gibt es manchmal seltsame Zufälle, und doch handelte es sich bei näherem Hinsehen meist doch nicht um Zufälle. Ob Zufall oder nicht, kann zu den folgenden Informationen nicht mit der dafür nötigen Gewißheit gesagt werden. Erwähnt werden sollen zwei Ereignisse, die mit Kuba zu tun haben, dennoch.
„Wahl“ des neuen kubanischen Staats- und Regierungschefs
Am 19. April wurde Miguel Mario Díaz-Canel Bermúdez zum neuen Staats- und Regierungschef der Republik Kuba gewählt. Der Ausdruck „gewählt“ ist dabei euphemistisch zu verstehen, da es freie, demokratische „Wahlen“ auf Kuba nicht gibt. Das Land ist seit 1959 eine kommunistische Diktatur. Alle Abgeordneten des kubanischen Scheinparlaments sind ohne Gegenkandidaten von der Kommunistischen Partei Kubas (PCC) ernannt und natürlich ausnahmslos Parteimitglieder.
Der neue Staats- und Ministerpräsident, das Amt ist wie in vielen lateinamerikanischen Staaten gekoppelt, ist ein kommunistischer Apparatschik und inzwischen bereits der fünfte kommunistische Staats- und Regierungschef seit der Revolution.
Raul Castro, der Bruder des Revolutionsführers Fidel Castro, folgte diesem 2008 an der Staatsspitze nach. 2011 auch an der Parteispitze. Raul Castro ist weiterhin Erster Sekretär des Politbüros der Kommunistischen Partei Kubas. Er bleibt damit der wirklich mächtige Mann auf Kuba. Zudem hält er weiterhin die Zügel der kubanischen Streitkräfte in seinen Händen. Die Ära Castro geht also weiter.
Miguel Diaz-Canel war zeit seines Lebens Parteifunktionär. Seine Karriere begann er als hauptamtlicher Jugendkader. Als solcher unterstützte er in den 80er Jahren im Staats- und Parteiauftrag das „sozialistische Brudervolk“ von Nikaragua. Er hat den Rang eines Oberstleutnants der kubanischen Streitkräfte. Seit 2003 gehört er dem Politbüro des PCC an. 2009 wurde er Minister und 2012 Vizepräsident des Ministerrats. In seiner Antrittsrede als neuer Staats- und Regierungschef bekräftigte er den Entschluß, dem Erbe von Fidel Castro „treu zu bleiben“ und den „sozialistischen Weg“ Kubas „zu verteidigen und zu vervollständigen“.
Miguel Diaz-Canel wird von internationalen Beobachtern als „kubanischer Medwedew“ gesehen, der bloß stellvertretend für den eigentlichen Machthaber das Amt hält. Fidel Castro ist allerdings bereits tot und Raul Castro wird am 3. Juni 87 Jahre alt. Die Nachfolgefrage drängt für die Revolutionäre also.
Videobotschaft von Papst Franziskus an die kubanische Jugend
Am 20. April wandte sich Papst Franziskus mit einer Videobotschaft an die kubanische Jugend. Anlaß ist ein Aufruf des katholischen Kirchenoberhauptes, am XXXIV. Weltjugendtag 2019 in Panama teilzunehmen.
Die Videobotschaft ist deshalb bemerkenswert, weil es bisher keine solche an die Jugend eines anderen Landes gibt. Bei seinem Besuch in Chile im vergangenen Januar erwähnte Franziskus den WJT 2019 bei seiner direkten Begegnung mit der Jugend. Eine eigene Videobotschaft an die Jugendlichen eines bestimmten Landes gibt es bisher nicht einmal für die Jugend von Panama, dem Austragungsland des bereits zum 34. Mal stattfindenden Jugendtages. Es wird der 15. Weltjugendtag sein, an dem ein Papst teilnimmt, und bereits der dritte von Papst Franziskus.
Wenige Stunden, nachdem die Bestätigung von Miguel Diaz-Canel bekanntgeben wurde, gab Msgr. Alvaro Bera Luarca, Bischof von Bayamo-Manzanillo und Vorsitzender der Jugendkommission der Kubanischen Bischofskonferenz, die kurze Videobotschaft von Papst Franziskus bekannt.
Unter anderem sagt der Papst darin:
„Gute Patrioten: Liebt euer Land, liebt euer Vaterland, seid großzügig und öffnet euer Herz dem Herrn.“
Er appelliert,
„die kubanische Kirche von heute und von morgen zu bauen; das kubanische Vaterland von heute und von morgen, indem sie wissen, nicht allein zu sein“.
Und weiter:
„Ich lade euch ein, immer vorwärts zu gehen, immer vorwärts zu schauen. Liebt euer Land, liebt Jesus, und daß die Jungfrau euch behüte.“
Offiziell gibt es keinen Zusammenhang zwischen den beiden Ereignissen. Nur die dichte, zeitliche Abfolge fällt auf.
Oswaldo Paya und die katholischen Dissidenten
Die Sympathien von Papst Franziskus für die globale Linke, besonders die lateinamerikanische stellte das Kirchenoberhaupt vielfältig unter Beweis. Das gilt auch für Linksdiktaturen wie jene auf Kuba. Die kommunistische Inselrepublik besuchte Franziskus bereits zweimal. Das ist eine absolute Ausnahme und zeigt, daß die Beziehungen ausgezeichnet sind.
Fünf Monate nach dem Papstbesuch auf Kuba im September 2015, bei dem Papst Franziskus zu den Menschenrechtsverletzungen schwieg, kehrte Franziskus nach Havanna zurück. Auf Vermittlung der kubanischen Staatsführung fand dort die erste Begegnung zwischen einem Papst und einem Moskauer Patriarchen statt.
Die kubanische Dissidenten- und Bürgerrechtsszene ist von gläubigen Katholiken geprägt. Tausende Katholiken wurden von Castros Kommunisten ermordet.
Die führende Gestalt des antikommunistischen Widerstandes nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion war Oswaldo Paya, der sich bereits als Jugendlicher – ganz im Gegensatz zu Miguel Diaz-Canel – geweigert hatte, Mitglied der kommunistischen Parteijugend zu werden. Im Sommer 2012 kam er bei einem Verkehrsunfall auf Kuba ums Leben, der aller Wahrscheinlichkeit nach ein getarntes Attentat war.
Papst Franziskus, Kuba und die globale Linke
Als Papst Franziskus Kuba besuchte, wurden zahlreiche katholische Dissidenten bereits im Vorfeld oder während des Besuchs verhaftet. Die katholischen Bürgerrechtler kritisierten das Schweigen des Papstes und die „zurückhaltende“ Linie der Kubanischen Bischofskonferenz, die der päpstlichen Linie folgte. Die päpstlichen Sympathien für das kommunistische Kuba reichen soweit, daß kubanische Dissidenten, gläubige Katholiken, 2016 als unerwünschte Stimme vom Meeting von Rimini ausgeladen wurden.
Zeitgleich mit der Videobotschaft von Franziskus gratulierten zahlreiche Staatsführungen Miguel Diaz-Canel zu seiner Wahl zum neuen Präsidenten des kubanischen Staats- und Ministerrates. In vielen Fällen handelte es sich dabei um eine diplomatische Gepflogenheit. Befreundete Staaten, wie die Volksrepublik China, gratulierten deutlicher. Die Reihenfolge wurde von der kubanischen Regimepresse penibel hervorgehoben: Venezuela, Bolivien, Volksrepublik China. Erst dann folgen Rußland, Mexiko, Panama und Ecuador.
Die Videobotschaft von Papst Franziskus an die kubanische Jugend scheint wie seine Art der Beglückwünschung der sozialistischen Tyrannei zum „gelungenen“ Führungswechsel zu sein.
Vielleicht ist aber alles auch nur Zufall.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Granma/MiL (Screenshot)