Eparch von Adigrat prangert „stillen Völkermord“ an den Menschen in der äthiopischen Region Tigray an

"Millionen von Menschen leiden unter schwerer Unterernährung"


Der mit Rom unierte äthiopisch-katholische Eparch wart vor einer humanitären Katastrophe in Tigray.
Der mit Rom unierte äthiopisch-katholische Eparch warnt vor einer humanitären Katastrophe in Tigray.

(Addis Abe­ba) Rund fünf Mil­lio­nen Men­schen leben in der äthio­pi­schen Regi­on Tigray in einer kata­stro­pha­len huma­ni­tä­ren Situa­ti­on, die auf einen Mili­tär­kon­flikt zurück­zu­füh­ren ist, der im Novem­ber 2020 begann. Bischof Tes­fa­se­las­sie Med­hin, äthio­pisch-katho­li­scher Eparch von Adi­grat, ruft dazu auf, „die anhal­ten­de Bela­ge­rung bzw. Blocka­de durch die Regie­rung in Addis Abe­ba und die Besat­zungs­trup­pen zu beenden“.

Anzei­ge

Die 1937 errich­te­te und mit Rom unier­te katho­li­sche Epar­chie Adi­grat rich­te­te einen Appell an die äthio­pi­sche Bun­des­re­gie­rung, alle Regie­run­gen der Welt, die die­se unter­stüt­zen, an natio­na­le und inter­na­tio­na­le Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen und an Unter­neh­men, die in irgend­ei­ner Wei­se zur Ver­län­ge­rung die­ses Krie­ges, der Bela­ge­rung und der Blocka­de beitragen:

„Ver­ste­hen Sie, daß die­ser andau­ern­de stil­le Völ­ker­mord jeden Tag, jede Stun­de und jede Minu­te unzäh­li­ge unschul­di­ge Kin­der, Frau­en und Män­ner jeden Alters das Leben kostet; hören Sie auf, die­se Ver­bis­sen­heit zu unter­stüt­zen und zu näh­ren, und geben Sie statt­des­sen die Blocka­de auf und stel­len Sie die Grund­ver­sor­gung der Bevöl­ke­rung von Tigray wie­der her; set­zen Sie sich ernst­haft für Maß­nah­men und einen fried­li­chen Dia­log auf Regie­rungs­ebe­ne mit allen an dem Kon­flikt betei­lig­ten Stel­len ein.“

Msgr. Tes­fa­se­las­sie Med­hin, Bischof der Epar­chie, erklär­te gegen­über Fides:

„Zusam­men mit den Men­schen, mei­nem Kle­rus, den Ordens­leu­ten und den Lai­en der Diö­ze­se erle­be ich per­sön­lich das Leid mei­nes Vol­kes, und ich kann nicht anders, als mei­ne Stim­me gegen die­ses Leid zu erhe­ben, Tag für Tag, und den Frie­den unse­res lie­ben­den Got­tes zu erfle­hen, vor dem ich täg­lich nie­der­knie, um zu beten, und der Sein Leben gege­ben hat, ‚damit die Men­schen das Leben haben und es in Fül­le haben‘ (Joh 10,10).“

Er füg­te hinzu:

„Wenn die­se schreck­li­che Situa­ti­on nicht so schnell wie mög­lich gelöst wird, wer­den wir Zeu­ge einer noch viel schlim­me­ren huma­ni­tä­ren Kri­se mit vie­len Todes­op­fern in Tigray. Des­halb appel­lie­ren wir als Teil der katho­li­schen Welt­kir­che und auf der Grund­la­ge der Wer­te des Evan­ge­li­ums und der Prin­zi­pi­en der sozia­len Gerech­tig­keit erneut an die Bun­des­re­gie­rung, an alle Regie­run­gen, die sie aus dem Aus­land unter­stüt­zen, an natio­na­le und inter­na­tio­na­le Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen sowie an Unter­neh­men, die in irgend­ei­ner Wei­se und mit irgend­wel­chen Mit­teln zur Ver­län­ge­rung die­ses Krie­ges, der Bela­ge­rung und der Blocka­de bei­tra­gen oder bei­tra­gen könnten.

Der Bischof weiter:

„In den ver­gan­ge­nen Mona­ten ist nur ein Teil der huma­ni­tä­ren Hil­fe ein­ge­trof­fen, der jedoch im Ver­gleich zu den bestehen­den Bedürf­nis­sen sehr gering ist.“

Alle zen­tra­len Dienst­lei­stun­gen wie Land- und Luft­ver­kehr, Tele­kom­mu­ni­ka­ti­on, Bank­we­sen usw. sind wei­ter­hin blockiert. Grund­le­gen­de Güter und Dienst­lei­stun­gen sind auf dem Markt nicht erhält­lich oder extrem teu­er, sodaß sie für die Bevöl­ke­rung uner­reich­bar sind. Dar­über hin­aus hat der Man­gel an Treib­stoff und Geld in Ver­bin­dung mit den von der Bun­des­re­gie­rung ver­häng­ten Sank­tio­nen dazu geführt, daß die huma­ni­tä­re Hil­fe die vom Krieg betrof­fe­ne Bevöl­ke­rung in meh­re­ren länd­li­chen und städ­ti­schen Bezir­ken der nörd­li­chen Regi­on Äthio­pi­ens nicht errei­chen konnte.

Bischof Med­hin unter­streicht, daß es den katho­li­schen Schu­len und kirch­li­chen Ein­rich­tun­gen unmög­lich ist, den Gläu­bi­gen und der Bevöl­ke­rung ins­ge­samt ange­mes­se­ne Dien­ste anzubieten.

„Es ist äußerst schwie­rig oder gar unmög­lich, die in den sozio­lo­gi­schen Ent­wick­lungs­pro­gram­men vor­ge­se­he­nen Lebens­grund­la­gen in den Berei­chen Vieh­zucht, Bil­dung, Gesund­heit, huma­ni­tä­re Hil­fe zu schaf­fen“, warnt der Eparch. „Die anhal­ten­de Belagerung/​Blockade durch die Regie­rung und die Besat­zungs­trup­pen hat uns voll­stän­dig von unse­ren Hir­ten und Gemein­den, vom Rest der Welt und von unse­ren inter­na­tio­na­len katho­li­schen Netz­wer­ken iso­liert. Infol­ge­des­sen sind 5,2 Mil­lio­nen Men­schen gezwun­gen, schwe­re Unter­ernäh­rung zu erlei­den, zu ver­hun­gern oder fast zu ver­hun­gern. Die huma­ni­tä­re Not­la­ge betrifft jedoch alle sie­ben Mil­lio­nen Ein­woh­ner von Tigray.“

„Wir sind unse­ren loka­len und inter­na­tio­na­len Part­nern, die uns unter­stüt­zen, und all jenen, die sich für die Been­di­gung die­ser schreck­li­chen huma­ni­tä­ren Kri­se ein­set­zen, sehr dank­bar“, so Bischof Med­hin abschließend.

Nach der jüng­sten Ein­schät­zung des Bil­dungs­am­tes von Tigray sind schät­zungs­wei­se 1,7 Mil­lio­nen Schü­ler seit fast drei Jah­ren (Covid-19, gefolgt von zwei Kriegs­jah­ren) ohne Bil­dungs­an­ge­bot. Mehr als zwei Mil­lio­nen Men­schen leben in Ver­trie­be­nen­zen­tren in meh­re­ren Städ­ten und länd­li­chen Gebie­ten von Tigray, dar­un­ter mehr als 100.000 in Adi­grat, ohne Nah­rung, Unter­kunft, Was­ser, Medi­ka­men­te und ande­re Grundbedürfnisse.

Tigray ist der nörd­lich­ste Staat (Regi­on) inner­halb Äthio­pi­ens. Seit 2020 herrscht Krieg zwi­schen den Tigray und der Zen­tral­re­gie­rung in Addis Abeba

Ethnischer Konflikt unter Marxisten

Der Kon­flikt reicht bis Anfang Novem­ber 2020 zurück. Der heu­ti­ge Staat Tigray (Regi­on genannt) inner­halb Äthio­pi­ens ist im Zuge der Ver­fas­sungs­än­de­rung von 1991 ent­stan­den, mit der eine Ver­wal­tungs­glie­de­rung auf der eth­ni­sche Grund­la­ge und von histo­ri­schen König­rei­chen ein­ge­führt wurde.

Tigray ist die Hei­mat der Tigray, die Tig­ri­nisch spre­chen, eine semi­ti­sche Spra­che. Sie stel­len rund 97 Pro­zent der Bevöl­ke­rung die­ser Regi­on. Fast eben­so vie­le Bewoh­ner von Tigray sind äthio­pisch-ortho­do­xe Chri­sten. 0,5 Pro­zent gehö­ren der 1846 errich­te­ten äthio­pisch-katho­li­schen Kir­che an, die mit Rom uniert ist.

Regiert wird das Land von der mar­xi­stisch-leni­ni­sti­schen Volks­be­frei­ungs­front von Tigray (TPLF, Tigray People’s Libe­ra­ti­on Front). Seit die­se 1991 die dama­li­ge eben­falls mar­xi­sti­sche Zen­tral­re­gie­rung in Addis Abe­ba stürz­te, spielt die TPLF eine zen­tra­le Rol­le in der äthio­pi­schen Innen­po­li­tik – nicht immer zum Nut­zen der Tigray. Das Regio­nal­par­la­ment ist ein Ein­par­tei­en­sy­stem, denn die TPLF kon­trol­liert seit über 20 Jah­ren sämt­li­che Mandate.

Seit der Macht­über­nah­me von Abiy Ahmed, einem Oro­mo, wur­de die TPLF zunächst aus der Bun­des­re­gie­rung ver­drängt. 2020 setz­te Ahmed auch die TPLF-geführ­te Regio­nal­re­gie­rung von Tigray ab. Ahmed hat­te unter dem Vor­wand Coro­na­vi­rus die anste­hen­den Regio­nal­wah­len abge­sagt. Als die Regio­nal­re­gie­rung die Wah­len in Tigray den­noch abhielt, erklär­te Ahmed den Wahl­akt für ille­gal. Die Fol­ge war der Aus­bruch des bis heu­te andau­ern­den bewaff­ne­ten Kon­flik­tes. Den Ein­hei­ten der TPLF ste­hen Trup­pen der Zen­tral­re­gie­rung, Mili­zen der Nach­bar­re­gi­on Amha­ra und Trup­pen Eri­tre­as gegenüber.

Trotz der pene­tran­ten mar­xi­sti­schen bzw. kom­mu­ni­sti­schen Kon­no­ta­ti­on aller Betei­lig­ten han­delt es sich pri­mär um eth­ni­sche Konflikte.

Die TPLF kon­trol­liert heu­te rund zwei Drit­tel des Staats­ge­biets von Tigray, dar­un­ter die auf über 2000 Metern Mee­res­hö­he gele­ge­ne Lan­des­haupt­stadt Mekele.

Tedros Adha­nom Ghe­brey­esus, der WHO-Gene­ral­se­kre­tär, ist der der­zeit bekann­te­ste Tigray und gehört eben­falls der kom­mu­ni­sti­schen TPLF an.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: InfoCatolica/​Wikicommons

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