
(Rom) Das vatikanische Presseamt bestätigte die Reise von Papst Franziskus zum Kongreß der Führer der Weltreligionen in Kasachstan. Katholisches.info berichtete im vergangenen April darüber, daß sich Franziskus auf dem Weg in die Pyramide befindet. Ob es am Rande des Treffens der Religionsführer in einem sehr freimaurerischen Ambiente auch zu einer Begegnung mit dem Moskauer Patriarchen Kyrill I. kommen wird, steht noch nicht fest.
Die 38. Auslandsreise wird Papst Franziskus vom 13. bis 15. September nach Zentralasien führen. Franziskus wird als erster Papst am Congress of Leaders of World and Traditional Religions (Kongreß der Führer der Welt- und traditionellen Religionen) in der kasachischen Hauptstadt Nur-Sultan teilnehmen. Der Kongreß wird bereits in seiner siebten Ausgabe stattfinden. Der erste Kongreß wurde im September 2003 ausgerichtet. Benedikt XVI. lehnte eine Teilnahme ab. Mit seiner Anwesenheit wird Franziskus hingegen der von Nursultan Nasarbajew ins Leben gerufenen Veranstaltung die höchsten „Weihen“ auf internationaler Ebene verleihen.
Nasarbajew war von 1984 bis 1989 Ministerpräsident der Kasachischen Sozialistischen Sowjetrepublik, von 1989 bis 1991 letzter Generalsekretär (Vorsitzender) des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Kasachstans und von 1991 bis 2019 autoritär herrschender Staatspräsident von Kasachstan. Bis Anfang 2022 führte Nasarbajew den Vorsitz im Nationalen Sicherheitsrat von Kasachstan und noch heute ist er Vorsitzender der Organisation der Turkstaaten, einem 2009 gegründeten Zusammenschluß der von Turkvölkern bewohnten Staaten. (Unverständlicherweise nimmt auch Ungarn mit einem Beobachterstatus daran teil, obwohl die Magyaren kein Turkvolk sind. Ihre Verbindung zu den Turkvölkern beschränkte sich auf zwei Phasen der Unterwerfung. Kurz vor der ungarischen Landnahme in der Pannonischen Tiefebene hatten sie sich dem Khan der turkstämmigen jüdischen Chasaren unterwerfen müssen, der sie in ersten Schritten zur Seßhaftigkeit zwang. Von der Schlacht von Mohács 1526 bis zum Frieden von Karlowitz 1699 waren weite Teile Ungarns von den Osmanen besetzt.)
Nasarbajews Pyramide
Nasarbajew war bis 1991 Kommunist und bezeichnet sich seither als „Unabhängiger“. Religiös gesehen ist er Muslim, wahrscheinlicher jedoch Agnostiker. Die von ihm etablierte Staatsdoktrin ist geprägt von einem autoritären Regierungsstil, abseits von Parteien und Ideologien, und spürbarem Druck, die Religionen zu einem friedlichen Zusammenleben zu drängen. Dabei geht es um „Harmonie“, nicht um den Frieden, den Jesus Christus verheißen hat.
Kasachstan selbst hat eine muslimische Mehrheit mit starker russisch-orthodoxer Minderheit. Diesem Staatsziel sollen auch die von Nasarbajew ins Leben gerufenen Kongresse dienen. Die neuerrichtete und nach ihm benannte Hauptstadt Nur-Sultan, eine der „merkwürdigsten Hauptstädte der Welt“ (The Guardian) zeigt zahlreiche Anspielungen auf freimaurerische Symbolik. Manche sprechen daher von okkulter Symbolik und einer futuristischen Geisterstadt, da viele Beamte eine Übersiedlung ablehnen und daher pendeln. Zur zweideutigen Symbolik gehört auch eine große Pyramide, der 77 Meter hohe Palast des Friedens und der Eintracht, in der die Kongresse der Führer der Weltreligionen stattfinden. Die Pyramide stellt einen architektonischen Fremdkörper in der zentralasiatischen Steppe dar. Ihr Erbauer, der britische Architekt Lord Norman Foster, bezeichnete sie als „das Symbol“, das geeignet sei, „alle Religionen zusammenzuführen“. Die Pyramide steht somit für die Welt-Einheitsreligion oder zumindest ein Verständnis, das in diese Richtung geht. Jedenfalls unterstützt die UNO die Initiative über die Allianz der Zivilisationen (UNAOC).
Eine Logenmitgliedschaft Nasarbajews wird von manchen Autoren vermutet, aber nicht bestätigt.
Die Pyramide, die Palast des Friedens und der Eintracht genannt wird, enthält Gebetsorte für den Islam, das Judentum, das Christentum, den Buddhismus, Hinduismus, Taoismus und andere Religionen, zudem ein Opernhaus mit 1300 Sitzplätzen sowie ein Museum der nationalen Kultur, eine „Universität der Zivilisation“ und eine Bibliothek. Von VaticanNews wurde im Bericht über die Kasachstan-Reise übrigens nicht die Pyramide, sondern ein anderes Bauwerk in Nur-Sultan ins Bild gesetzt.
Treffen religiöser Führer bleiben Veranstaltungen zweiten Ranges, solange ihnen das katholische Kirchenoberhaupt fernbleibt. Das ist nunmal eine Tatsache im interreligiösen Dialog. Der Papst ist der Inbegriff des Religionsführers und wird von den politischen Führern auch als solcher anerkannt. In der Tat ist sein Amt mit keinem anderen vergleichbar. Zudem steht er mit mehr als 1,3 Milliarden Gläubigen der weitaus größten Religionsgemeinschaft vor.
Franziskus erklärte bisher nicht, was seiner Entscheidung zugrunde liegt, daß erstmals nach 19 Jahren ein Papst an dem Treffen in Kasachstan teilnehmen wird. Während seines Pontifikats fanden bereits 2015 und 2018 der fünfte und sechste Kongreß statt, ohne daß der Vatikan Interesse bekundet hatte. Im Februar 2019 kam es jedoch zu einem einschneidenden Ereignis. Papst Franziskus unterzeichnete in Abu Dhabi das Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt. Dieses inzwischen berühmt-berüchtigte Papier provozierte den bisher heftigsten Widerspruch in der katholischen Welt. In dem Dokument steht, daß die Vielfalt der Religionen ein gottgewollter Reichtum sei. Der österreichische Philosoph Joseph Seifert sprach von der „Häresie der Häresien“, der italienische Historiker Roberto de Mattei von dem „schrecklichsten Schisma, das die Welt je gesehen hat“. Im Herbst 2019 kam es deswegen mit Contra recentia sacrilegia zu einem internationalen Protest gegen sakrilegische Aktionen von Papst Franziskus.
Franziskus zeigte sich unbeeindruckt und bekräftigte seine Aussage. Das machte er auch durch die Unterstützung des Baus eines Hauses der Abrahamitischen Familie in Abu Dhabi deutlich, einer Anlage, in der drei äußerlich nicht unterscheidbare Gebäude auf einer alles verbindenden Plattform eine Kirche, eine Moschee und eine Synagoge enthalten werden.
Kasachstan und die interreligiösen Aktivitäten von Papst Franziskus
Im Zuge der fliegenden Pressekonferenz am vergangenen Samstag, auf dem Rückflug von Kanada nach Rom, sagte Franziskus lediglich:
„Kasachstan würde ich im Moment gerne besuchen: Es ist eine ruhige Reise, ohne viel Bewegung, es ist ein Kongress der Religionen.“
In den vergangenen Wochen wurde darüber spekuliert, daß Franziskus in Nur-Sultan am Rande des Kongresses mit dem Moskauer Patriarchen der russisch-orthodoxen Kirche, Kyrill I., zusammentreffen könnte. Mit diesem war für Juni eine Begegnung im Libanon (alternativ in Jerusalem) geplant, die wegen des Ukrainekonfliktes jedoch abgesagt wurde. Am 14. September wird Franziskus nach seiner Rede an den Kongreß einzelne Religionsvertreter empfangen, wie der Vatikan bekanntgab.
Franziskus forciert wie kein Papst vor ihm den interreligiösen Dialog, besonders mit dem Islam. Dabei äußerte er höchst umstrittene Ansichten wie jene, die Religionszugehörigkeit sei „nicht wichtig“. Ähnlich berichtete es der vor kurzem verstorbene Eugenio Scalfari, der enthüllte, Franziskus habe ihn aufgefordert, sich „nicht zu bekehren“. Anfang 2016 startete Franziskus die Aktion „Das Video vom Papst“ mit einer relativistischen Botschaft, als seien alle Religionen gleich. Anfang 2021 folgte ein weiteres Video vom Papst über die „universale Brüderlichkeit aller Menschen“. Im Geist von Abu Dhabi hatte Franziskus kurz zuvor eine Enzyklika über die „Brüderlichkeit aller Menschen“ veröffentlicht. Alberto Melloni, der Leiter der progressiven Schule von Bologna, begeisterte sich: Mit der Enzyklika ändere Franziskus „nicht die Position der Kirche, sondern das Paradigma“.
Nasarbajews Kongressen wird vorgeworfen, den religiösen Relativismus zu fördern, wie ihn die Freimaurerei anstrebt. Zahlreiche Religionsvertreter stoßen sich nicht daran. Vielmehr sehen sie durch Einladungen zu solchen internationalen Ereignissen eine Aufwertung ihres Bekenntnisses. Unklar ist vielmehr, was Franziskus veranlaßt, die anderen Weltreligionen mit einer gewissen Systematik aufzuwerten und auf eine Stufe mit der katholischen Kirche zu stellen.
Eine Bestätigung, daß auch Patriarch Kyrill nach Nur-Sultan reisen wird, steht unterdessen noch aus. Die Begegnung mit dem orthodoxen Kirchenoberhaupt gilt als Nebeneffekt der Kasachstan-Reise. Das eigentliche Ziel von Franziskus ist die Pyramide.
Am 15. September wird dort Franziskus ein zweites Mal sprechen. Dann wird die Abschlußerklärung der versammelten Religionsführer verlesen, bevor der Papst nach Rom zurückkehren wird.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons