(Rom) Am 19. Februar ernannte Papst Franziskus einen neuen Erzbischof von Turin, einer Diözese mit einer großen katholischen Vergangenheit, aber auch einer zweifelhaften; Aufbewahrungsort des Grabtuches Jesu und Ortskirche mit einigen Problemen (und hier). Seit dem 19. Jahrhundert war der Erzbischofsstuhl mit der Kardinalswürde verbunden. Eine Gepflogenheit, die von Papst Franziskus beendet wurde. Erzbischof Cesare Nosiglia, den Papst Benedikt XVI. 2010 nach Turin berufen hatte und den Franziskus am Samstag emeritierte, gehörte bei allen Kardinalserhebungen zu jenen, die in Kirchen- und Medienkreisen als Anwärter genannt, aber von Franziskus nie berücksichtigt wurden.
Als Nachfolger von Kardinal Nosiglia war im vorigen Jahr der damalige Sekretär der Glaubenskongregation, Kurienerzbischof Giacomo Morandi, im Gespräch. Franziskus schickte den „unzureichend progressiven“ Morandi schließlich in das kleinere Bistum Reggio Emilia-Guastalla. Für das viermal so große Erzbistum Turin entschied sich das Kirchenoberhaupt für einen „Außenseiter“, der ihm nähersteht, wie die Tageszeitung La Repubblica betonte.
Der neue Erzbischof von Turin und Päpstliche Kustos des Grabtuches heißt Msgr. Roberto Repole. Franziskus ernannte ihn zugleich zum Bischof von Susa. Beide Diözesen sollen künftig gemeinsam verwaltet werden. Italien verfügt mit 227 Diözesen über eine hohe Dichte an Bistümern. Das hat historische Gründe. In der Antike war jede Stadt des Römischen Reiches Sitz eines Bischofs. Ihre Zahl wäre heute noch größer, hätte es im Laufe der Zeit nicht eine Reihe von Zusammenlegungen gegeben, die an Doppel- oder Dreifachnamen zu erkennen sind. Sie zeigen meist nicht die Verlegung des Bischofssitzes von einer in eine andere Stadt desselben Bistums an, sondern die Vereinigung bis dahin eigenständiger Bistümer. Msgr. Repole oder seine Nachfolger dürften künftig ein Erzbistum Turin-Susa leiten.
Innerhalb der Kirche in Italien erfolgte bereits eine Verständigung darauf, in Zukunft solche Zusammenlegungen vorzunehmen, um die Zahl der Bischöfe und vor allem der Ordinariate und weiterer diözesaner Strukturen zu reduzieren.
Vorsitzender der Theologenvereinigung
Msgr. Repole, Jahrgang 1967, wurde in Turin geboren. Auf das Priestertum bereitete er sich im diözesanen Priesterseminar vor und wurde 1992 für sein Heimatbistum zum Priester geweiht. Neben seiner Seelsorge als Kaplan in Pfarreien setzte er sein Studium der Systematischen Theologie an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom fort, wo er 2001 promoviert wurde. Seit 1996 übte er selbst eine Lehrtätigkeit an der Philosophisch-Theologischen Hochschule für Norditalien aus. 2010 wurde er Kanonikus an der königlichen Kapelle San Lorenzo des einstigen Turiner Königspalastes. Wichtiger ist seine 2011 erfolgte Berufung zum Vorsitzenden der Italienischen Theologenvereinigung.
Repole ist zusammen mit Serena Noceti, Professorin für Systematische Theologie an der Theologischen Hochschule für Mittelitalien und Repoles Stellvertreterin in der Italienischen Theologenvereinigung, Herausgeber einer achtbändigen Reihe von Kommentaren zu den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils, die von 2014 bis 2020 erschienen ist. Noch andere Publikationen dürften die Aufmerksamkeit von Papst Franziskus und seines Umfeldes gefunden haben, mit denen sich Repole als Apologet des derzeitigen Pontifikats zu erkennen gab. Es stechen Titel wie „Eine Kirche, die sich der Morgenröte öffnet“ (2016), zu Amoris laetitia (2017), der Verteidigung des Zweiten Vatikanischen Konzils (2013, 2017 die „Synodalität“ (2016, 2018, 2019) und natürlich das Buch „Form und Reform der Kirche bei Papst Franziskus“ (2020) heraus.
„Die Theologie von Papst Franziskus“
Den größten Bekanntheitsgrad erreichte Msgr. Repole jedoch 2018, als er als Herausgeber die Schriftenreihe „Die Theologie von Papst Franziskus“ verantwortete, die anläßlich des fünften Thronjubiläums des regierenden Papstes im Vatikanverlag veröffentlicht wurde. Das waren jene elf dünnen Bände, denn „dünn“ sei auch die Theologie des argentinischen Papstes, wie römische Stimmen spöttelten, die vorab Benedikt XVI. ins Kloster Mater Ecclesiae geschickt wurden mit der Einladung, sie zu „begutachten“. Die Idee ging auf Msgr. Dario Edoardo Viganò zurück, den damaligen Präfekten des vatikanischen Kommunikationssekretariats, nicht zu verwechseln mit dem ehemaligen Vatikandiplomaten Erzbischof Carlo Maria Viganò.
Der überzeugte Bergoglianer Dario Edoardo Viganò wollte Papst Franziskus ein ganz besonderes Geschenk machen, nämlich eine schriftliche Erklärung von keinem Geringeren als Benedikt XVI., mit der dieser den von Franziskus vollzogenen Paradigmenwechsel gutheißt. Doch Benedikt XVI. verweigerte sich, indem er die elf Bände wieder zurückschickte. Mehr noch: Er beklagte sich, daß Repole für die „Festschrift“ zu Ehren von Franziskus auch den deutschen Dogmatiker Peter Hünermann hinzugezogen hatte, „der während meines Pontifikats dafür bekannt wurde, daß er antipäpstliche Initiativen anführte“. Als Benedikt XVI. 2009 die Exkommunikation der Bischöfe der Piusbruderschaft für aufgehoben erklärte, warf ihm Hünermann „Amtsmißbrauch“ vor.
Ohne das erhoffte Gütesiegel für Franziskus griff Dario Edoardo Viganò zu einem Trick und täuschte die Zustimmung von Benedikt XVI. zur „Theologie von Papst Franziskus“ vor, indem er dessen Antwortschreiben manipulierte. Als der Betrug aufflog, war der Skandal groß und Viganò mußte als Präfekt des Kommunikationssekretariats zurücktreten. Franziskus ließ seinen Getreuen aber nicht fallen, sondern gab ihm neue Aufgaben im selben Dikasterium.
Santa Marta fand nicht zuletzt deshalb Interesse an Repole, weil ihm die Fähigkeit nachgesagt wird, „einen lebendigen Dialog mit der Kultur der modernen Welt zu führen“. Hünermann war nicht der einzige unter den Theologenkollegen, auf die Repole zurückgriff, die in der Vergangenheit Kritik an den Pontifikaten von Benedikt XVI. und Johannes Paul II. geübt hatten. Ein zweiter Autor, der neben Hünermann die häretische Kölner Erklärung von 1989 unterzeichnet hatte, war Jürgen Werbick, der wie Repole viele Jahre Professor für Systematische Theologie war. Zu nennen ist auch der Priester Aristide Fumagalli, der sich für eine „fortschrittliche Ehe“ starkmachte und für homophile Positionen bekannt wurde. Der Professor an der theologischen Fakultät von Mailand ist ein Nachahmer des amerikanischen Jesuiten James Martin. Für P. James Martin brachte Papst Franziskus persönlich seine Wertschätzung zum Ausdruck und für Fumagalli schrieb der enge Papst-Vertraute Kardinal Marcello Semeraro, Präfekt der Heiligsprechungskongregation, das Vorwort zu dessen Buch „L’amore possibile“ („Die mögliche Liebe. Homosexuelle und christliche Moral“). Fumagalli, James Martin und Kardinal Semeraro gemeinsam ist, daß sie Verfechter einer neuen homosexuellen Moral sind – die Franziskus gar nicht stört.
Der Traum von Kaspers Kirche
Repoles eigener Beitrag zur Schriftenreihe „Die Theologie von Papst Franziskus“ war der Band „Der Traum von einer Kirche nach dem Evangelium“. Die Meinungen von Franziskus und Repole verschwimmen darin, sodaß sie nicht genau zu unterscheiden sind. Fakt ist, daß Repole auf einer Position des Bruchs steht, was besonders in seinem Kommentar für das Schreiben Communionis Notio „über einige Aspekte der Kirche als Communio“ der Glaubenskongregation von 1992 deutlich wird. Repole attestiert Papst Franziskus, im Gegensatz zur damaligen Glaubenskongregation, also Johannes Paul II. und Glaubenspräfekt Joseph Ratzinger, der Linie von Kardinal Walter Kasper zu folgen. Damit leistet der neue Erzbischof von Turin seinen Beitrag zur Unterstützung der „Synodalität“, die Franziskus der Weltkirche auferlegt.
Auch sonst erweist sich Repole als folgsamer Schüler Kaspers, etwa wenn er betont, daß doktrinäre Formulierungen „immer definitiv und provisorisch zugleich“ seien. Daher könne es „kein Verbot“ geben, „die gleichen Wahrheiten auf andere Weisen neu auszudrücken“. Die Kirche hat das immer anders gelehrt. Dogmatische Formulierungen sind definitiv, weil sie der Endpunkt eines Reifungs- und Reinigungsprozesses sind. Repole sieht mit Kasper die dogmatische Definition in ständigem Fluß, immer in Bewegung, aber nie am Ziel.
Das „demütige Denken“ einer „demütigen Kirche“, so lautet der Titel eines anderen Buches von Repole, läßt sich auch als „bescheidenes“ oder „einfaches Denken“ verstehen. Dahinter verberge sich die klerikal getarnte Variante des „schwachen Denkens“, so La Nuova Bussola Quotidiana. Das „schwache Denken“ geht auf den Philosophen, Kommunisten und Homosexuellen Gianni Vattimo zurück, der sich dabei auf Martin Heidegger stützt. Vattimo rief 2015 in Buenos Aires die radikale Linke auf, als neue Kommunistische Internationale eine Papistische Internationale zu bilden und sich hinter Papst Franziskus zu scharen.
Zur Ernennung von Msgr. Repole zum neuen Erzbischof von Turin, Bischof von Susa und Kustos des Turiner Grabtuchs resümiert die Nuova Bussola Quotidiana:
„Unter diesen Voraussetzungen wird die demütige Kirche leicht zur gedemütigten Kirche.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: NBQ/Infovaticana