(Rom) Das Erzbistum Turin wird noch in diesem Jahr einen neuen Erzbischof erhalten. Vorgesehen scheint dafür Kurienerzbischof Giacomo Morandi, der Sekretär der Glaubenskongregation. Dessen Wegbeförderung aus Rom zeichnet sich ab, da Msgr. Morandi in Santa Marta für „unzureichend progressiv“ gilt.
Erzbischof Cesare Nosiglia vollendete im Oktober 2019 sein 75. Lebensjahr und reichte gemäß Kirchenrecht seinen Rücktritt ein. Papst Franziskus gewährte ihm eine Verlängerung um zwei Jahre, die am 5. Oktober 2021 mit Nosiglias 77. Geburtstag endet. Im kommenden Herbst, spätestens zum Jahreswechsel, wird in Turin mit der Ernennung eines Nachfolgers gerechnet.
Der Bibelwissenschaftler Erzbischof Nosiglia war Leiter des Katechetischen Amtes der Italienischen Bischofskonferenz, ehe er 1991 von Papst Johannes Paul II. zum Weihbischof von Rom ernannt wurde. 2003 folgte die Berufung zum Bischof von Vicenza und 2010 durch Papst Benedikt XVI. zum Erzbischof von Turin. Obwohl der Bischofsstuhl von Turin seit 1883 mit der Kardinalswürde verbunden war, wurde Erzbischof Nosiglia von Papst Franziskus nicht in den Kardinalsrang erhoben.
Die Diözese geht auf das 4. Jahrhundert zurück. Ihr Bischof war ein Suffragan des Erzbischofs von Mailand. 1515 erfolgte die Erhebung zum Erzbistum und zum Metropolitansitz. Am 6. Juni 1453 ereignete sich an Fronleichnam in der Stadt ein berühmtes eucharistisches Wunder. Seit jenem Jahr befand sich die Sacra Sindone, das Grabtuch Jesu Christi, im Besitz der Herzöge von Savoyen. Nachdem diese ihre Hauptstadt von Chambéry nach Turin verlegt hatten, wird die Sacra Sindone seit 1578 in Turin aufbewahrt. Als Umberto II. starb, der letzte König von Italien, vererbte er als Oberhaupt des Hauses Savoyen das Grabtuch dem Papst. Im Auftrag des Papstes ist der Erzbischof von Turin seither der Kustos der Sindone. 2015 wurde sie zuletzt anläßlich der Erhebung zum Erzbistum vor 500 Jahren öffentlich ausgestellt.
Im 19. Jahrhundert lebten und wirkten in der Stadt zahlreiche Heilige wie Don Bosco, Domenico Savio, Giuseppe Cottolengo, Giuseppe Cafasso und andere mehr.
Das Erzbistum war in den vergangenen Jahren auch Schauplatz zweifelhafter Aktionen und rebellischer Priester. Erzbischof Nosiglia vermied öffentliche Konflikte.
Als aussichtsreicher Kandidat für seine Nachfolge gilt Msgr. Giacomo Morandi, Priester des Erzbistums Modena. Morandi studierte wie Nosiglia Bibelwissenschaften und spezialisierte sich auch in Missionswissenschaften. Nach einigen Jahren in der Seelsorge und der Leitung der diözesanen Bibelstelle wurde er 2005 Bischofsvikar und 2010 Generalvikar des Erzbistums Modena.
2015 berief ihn Papst Franziskus als Untersekretär an die römische Glaubenskongregation. 2017, mit der Entlassung von Kardinal Gerhard Müller und der Beförderung des Sekretärs der Kongregation, Msgr. Luis Ladaria Ferrer SJ, zum Präfekten, ernannte Franziskus Morandi zum Titularerzbischof von Caere (Cerveteri), einem 1050 erschlossenen Bistum in Latium, und beförderte ihn zum Sekretär der Glaubenskongregation.
Die mögliche Beförderung von Msgr. Morandi zum Erzbischof von Turin signalisiert grundlegende Umbaupläne an der Glaubenskongregation. Solche werden ohnehin erwartet, da Kardinal Ladaria bereits im 78. Lebensjahr steht. Wird auch sein Sekretär entfernt, steht ein kompletter Umbau der Kongregationsspitze bevor.
Als Grund für Msgr. Morandis mögliche Beförderung nach Turin wird in Rom genannt, daß Papst Franziskus ihn in jüngster Zeit für „unzureichend progressiv“ hält.
Was bedeutet eine solche Einschätzung für die von Santa Marta beabsichtigte „Orientierung“ der Glaubenskongregation?
Papst Franziskus empfängt routinemäßig den Glaubenspräfekten alle zwei Wochen, um sich über aktuelle Fragen informieren zu lassen. Am 14. Mai suchte Msgr. Morandi in Vertretung von Kardinal Ladaria den Papst auf. Ob Franziskus ihm bei dieser Gelegenheit mitteilte, neue Pläne mit ihm zu haben?
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL/VaticanMedia (Screenshot)