(Rom) Vom Heiligen Stuhl wurde eine weltweite Befragung der Diözesanbischöfe zum Motu proprio Summorum Pontificum gestartet. Allen Diözesanbischöfen wurde ein Fragebogen zugestellt. Die vordergründige Absicht ist offensichtlich: Rom will eine Bestandsaufnahme der aktuellen Situation vornehmen. Gibt es noch andere Absichten?
Der Fragebogen datiert vom 7. März, wurde aber erst im April zugestellt und gestern durch den traditionsverbundenen US-Blog Rorate Cæli bekannt. Durchgeführt wird die Befragung von der römischen Glaubenskongregation. Das Begleitschreiben zum Fragebogen ist von Glaubenspräfekt Luis Ladaria SJ unterzeichnet, der es den Vorsitzenden der Bischofskonferenzen übermittelte, damit sie es den Diözesanbischöfen und Gleichgestellten weiterleiten.
Kardinal Ladaria trat 2017 an die Spitze der Kongregation, nachdem Papst Franziskus in einer unerwarteten, aber nicht wirklich überraschenden Hauruckaktion am 30. Juni jenes Jahres den damaligen Glaubenspräfekten Gerhard Kardinal Müller aus dem Amt entlassen hatte. Kardinal Müller war 2012 von Papst Benedikt XVI. ernannt worden.
Am 19. Januar 2019 schaffte Papst Franziskus die Päpstliche Kommission Ecclesia Dei ab. Deren Aufgabenbereich wurde als Abteilung direkt in die Glaubenskongregation integriert. Die Abschaffung einer eigenen Behörde, die für die Umsetzung von Summorum Pontificum und für Fragen zur überlieferten Form des Römischen Ritus, vor allem aber auch für die in voller Einheit mit Rom stehenden Gemeinschaften der Tradition zuständig ist, läßt sich nicht mit der seit 2013 stattfindenden Kurienreform begründen. Unmittelbar ergaben sich daraus aber keine erkennbaren Konsequenzen, dennoch ist darin eine formale Zurückstufung zu sehen. Die niedrige Protokollnummer 02/2020-ED [Ecclesia Dei] weist nicht auf starke Aktivitäten hin.
Bereits im Dezember 2018 waren entsprechende Gerüchte aufgetaucht, nachdem durch italienische Bischöfe teils heftige Angriffe gegen Summorum Pontificum erfolgt waren.
Die Methode der Befragung aller Bischöfe zu einem bestimmten Sachverhalt ist ein klassisches Instrument des Heiligen Stuhls, die im Laufe der Geschichte wiederholt genutzt wurde, etwa vor der Verkündigung eines Dogmas.
Papst Franziskus stärkte dieses Instrument am 15. September 2018 mit der nicht unumstrittenen Apostolischen Konstitution Episcopalis communio. Darin traf er weitreichende, wenn auch bisher noch nicht angewandte Änderungen zu den Bischofssynoden, die in ihrer institutionalisierten, regelmäßigen Weise, wie man sie heute kennt, eine unmittelbare Konsequenz des Zweiten Vatikanischen Konzils sind. Franziskus machte eine Befragung vor jeder Bischofssynode zur Pflicht, nicht nur unter Bischöfen, sondern auch unter den Gläubigen. Während für erstere durch die Jurisdiktion ein eindeutiger Rahmen besteht, hängt die Befragung der Gläubigen in der Luft. Aber das ist ein anderes Thema.
Die Fragen
Die jüngste Befragung zu Summorum Pontificum umfaßt neun Fragen, die völlig neutral formuliert sind, wie man es sich bei einer solchen Erfassung des Ist-Zustandes und der einzelnen Meinungen erwarten darf.
- 1. Wie ist die diözesane Situation in Bezug auf die außerordentliche Form des Römischen Ritus?
- 2. Wenn die außerordentliche Form dort praktiziert wird, entspricht sie einem pastoralen Bedürfnis oder wird sie von einem einzelnen Priester gefördert?
- 3. Was sind Ihrer Meinung nach die positiven oder negativen Aspekte der Anwendung der außerordentlichen Form?
- 4. Werden die Bestimmungen von Summorum Pontificum eingehalten?
- 5. Stellen Sie in Ihrer Diözese fest, daß die ordentliche Form Elemente der außerordentlichen Form übernommen hat?
- 6. Verwenden Sie für die Zelebration der Messe das 1962 von Papst Johannes XXIII. promulgierte Missale?
- 7. Gibt es außer der Zelebration der Messe in der außerordentlichen Form andere Zelebrationen (zum Beispiel Taufe, Firmung, Ehe, Beichte, Krankensalbung, Weihesakrament, Stundengebet, Ostertriduum, Begräbnisritus) nach den liturgischen Büchern vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil?
- 8. Hat das Motu proprio Summorum Pontificum einen Einfluß auf das Leben der Seminare (das Diözesanseminar) und andere Bildungshäuser gehabt?
- 9. Welchen Rat geben Sie dreizehn Jahre nach dem Motu proprio Summorum Pontificum bezüglich der außerordentlichen Form des Römischen Ritus?
Die Beantwortung der Fragen hat bis zum 31. Juli 2020 zu erfolgen. Das legt nahe, daß Rom zum 14. September, dem dreizehnten Jahrestag des Inkrafttretens, die Auswertung der Antworten abgeschlossen und eine Bestandsaufnahme vorliegen haben möchte.
„Aber mit welchem Ziel?“
Je nach Blickwinkel ließe sich nun viel in die Art der Fragestellung hineininterpretieren, ebenso könnten Mutmaßungen über verborgene Absichten angestellt werden. Die Formulierungen selbst der „Befragung der Bischöfe über die Umsetzung des Motu proprio Summorum Pontificum (April 2020)“ bieten allerdings keine gesicherten Anhaltspunkte dafür.
Es wären in der Sache daher die Intentionen von Benedikt XVI. als Grundlage zu nehmen. Benedikt XVI. hatte 2007 in seinem Begleitschreiben zu Summorum Pontificum den Bischöfen geschrieben:
„Außerdem lade ich Euch, liebe Mitbrüder, hiermit ein, drei Jahre nach dem Inkrafttreten des Motu Proprio dem Heiligen Stuhl über Eure Erfahrungen Bericht zu erstatten. Wenn dann wirklich ernsthafte Schwierigkeiten aufgetreten sein sollten, können Wege gesucht werden, um Abhilfe zu schaffen.“
Tatsache ist, daß Rom dreizehn Jahre nach dem Inkrafttreten von Summorum Pontificum eine Bestandsaufnahme zu dessen Umsetzung vornimmt. Gegen eine solche Verifizierung ist nichts einzuwenden. Man würde sie sich von der Politik zu jedem Gesetz wünschen. Ein Beispiel: Der Bundesverfassungsgerichtshof mahnte 1993 den Gesetzgeber, das Abtreibungsgesetz regelmäßig und nach klaren Vorgaben zu überprüfen. Die Tötung ungeborener Kinder sollte – nicht durch Strafe, sondern mittels Beratung – nur ultima ratio sein, faktisch aber auf null heruntergefahren werden. Nichts dergleichen wurde vom Gesetzgeber bisher unternommen. Stattdessen wurden seit 1993 laut amtlicher Zählung in der Bundesrepublik Deutschland mehr als 3,2 Millionen ungeborene Kinder getötet. Laut realistischeren Zählungen sogar mehr als 6,1 Millionen.
Nur eine systematische Bestandsaufnahme liefert einen exakten Ist-Zustand und läßt erkennen, wo Defizite vorhanden sind. Eine erste Erhebung dieser Art zu Summorum Pontificum fand auf Anweisung von Papst Benedikt XVI. bereits 2010 statt. Sie bietet somit die Grundlage dafür, eventuell notwendige Maßnahmen zu ergreifen, um nach „Abhilfe“ bei Schwierigkeiten zu suchen.
Nun ist bekannt, daß es nicht wenige Bischöfe gibt, die der überlieferten Form des Römischen Ritus und der Tradition ablehnend bis feindlich gegenüberstehen. Die Vergangenheit lehrte auch, daß die von den Bischöfen gemachten Angaben nicht immer ein tatsächliches Bild widerspiegeln.
Genau daher löst die neue Befragung in traditionsverbundenen Kreisen Sorgen aus. Monika Rheinschmitt, die Vorsitzende von Pro Missa Tridentina, stellt zu den Gründen der römischen Initiative die Frage in den Raum:
„Aber mit welchem Ziel?“
Die Erfahrungen der Vergangenheit haben tiefe Narben hinterlassen. Das gebotene Grundvertrauen ist nicht mehr vorhanden.
Es liegt an Rom, an der Glaubenskongregation und an Papst Franziskus, Schritte zu setzen, um dieses Vertrauen wiederherzustellen.
Werden sie erfolgen?
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Rorate Caeli