
(Rom) Gestern nachmittag war es soweit: Papst Franziskus empfing den ehemaligen brasilianischen Staatspräsidenten Luiz Inacio Lula da Silva in Audienz. Der Besuch wurde möglich, weil Lula am 8. November 2019 aus der Haft entlassen worden war. Franziskus läßt seine Freunde nicht fallen.
Auf Lula, der von 2003–2011 Staats- und Regierungschef des weitaus größten und reichsten lateinamerikanischen Landes war, lasten Verurteilungen wegen Korruption und Amtsmißbrauchs in mehreren Fällen in einem Gesamtausmaß von 21 Jahren und neun Monaten Gefängnis. Da die Verurteilungen noch nicht rechtskräftig sind und der Oberste Gerichtshof Anfang November des Vorjahres eine Bestimmung aufhob, die eine Inhaftierung nach einer Verurteilung zweiter Instanz ermöglichte, befindet sich der Gründungsvorsitzende der sozialistischen Arbeiterpartei (PT) auf freiem Fuß.
Um dem Gefängnis zu entgehen, wollte Lula, unterstützt von seiner Partei, deren wichtigster Exponent er ist, 2018 erneut als Präsidentschaftskandidat antreten, was von den Gerichten wegen seiner Strafprozesse aber verhindert wurde. Die politische Linke empörte sich dagegen, unterstützt von Papst Franziskus, der mehrfach von einem „Putsch“ sprach, am 2. August 2018 sogar von einem „Staatsstreich mit weißen Handschuhen“. Die offene Parteinahme des katholischen Kirchenoberhauptes verwunderte dann doch und trug nicht dazu bei, das Verhältnis zu politisch Andersdenkenden unter den Katholiken und Christen zu verbessern.
Das Entsetzen unter den Lula-Anhängern war erst recht groß, als überraschend der christlich-konservative Außenseiter Jair Bolsonaro die Wahl gewann. Er gilt seither als ihr Feindbild schlechthin, vergleichbar Donald Trump in den USA. Das erklärt auch, warum Papst Franziskus nicht den amtierenden Staatspräsidenten Bolsonaro in Audienz empfing, sondern dessen Vorvorgänger von den Sozialisten.

Papst Franziskus kritisierte in seinem Pontifikat mehrmals lautstark die Korruption als „tödliches“ Übel, das er unter die schweren Sünden einreihte. Die Korruptionsvorwürfe und (noch nicht rechtskräftigen) Verurteilungen Lulas stören ihn hingegen nicht.
Im Vatikan heißt es zur Besuchspolitik lapidar, der Papst empfange jedes Staatsoberhaupt, das dies wünscht. Das sind diplomatische Gepflogenheiten. Die abweisenden Gesten von Franziskus signalisieren unmißverständlich, daß ein Audienzwunsch von Seiten bestimmter Staats- und Regierungschefs in Santa Marta, gemeint sind jene, die rechts der imaginären Mitte stehen, nicht erwünscht ist. Die Gesprächsebene zwischen Rom und Bolsonaro wurde von Franziskus bereits im Wahlkampf zerrüttet, so wie er das zuvor bereits gegenüber Donald Trump getan hatte – und das sind keine Ausrutscher. Damit werden einer gedeihlichen und notwendigen Zusammenarbeit erhebliche Riegel vorgeschoben.
Der Besuch Lulas spielte hingegen sich auf einer ganz anderen Ebene ab. Franziskus bekundet unumwunden, wem seine Sympathien gelten: in Brasilien der sozialistischen Arbeiterpartei und speziell ihrem Gründer und unumstrittenen Anführer Lula da Silva.
Dazu gehört auch ein wiederholter Schlagabtausch zu Fragen der brasilianischen Innenpolitik, indem Bolsonaro der Unterdrückung der Indios und der Ausbeutung und Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes bezichtigt wird. Die Vorwürfe sind stereotyp und werden mehr der vorgefertigten Propaganda als der Wirklichkeit entnommen. Die Realität sieht nämlich durchaus anders aus, doch die Fakten scheinen derzeit in Rom weniger zu interessieren, wie im Zuge der Amazonassynode die sozialromantische Verklärung eines Urwaldidylls zeigte. Verschwiegen wird beispielsweise, daß Bolsonaros Vizepräsident selbst Indio ist und aus dem Amazonasgebiet stammt. Und da hilft es offensichtlich auch nichts, daß Bolsonaro Jesus Christus öffentlich gegen blasphemische Angriffe verteidigte, während von Lula nichts zu hören war; auch nichts, daß Bolsonaro Brasilien dem Unbefleckten Herzen Mariens weihte, während dazu aus den Reihen der Arbeiterpartei nur Spott zu hören war.
Lula erklärte im Anschluß an die Audienz auf entsprechende Journalistenfragen, er sei ja nicht nach Rom gekommen „um über Bolsonaro zu sprechen“. Die Aussage darf bezweifelt werden, denn zugleich schrieb der unter schwerem Korruptionsverdacht stehende Ex-Präsident auf Twitter:
„Begegnung mit Papst Franziskus, um über eine gerechtere und brüderlichere Welt zu sprechen.“
Die Audienz für Lula war vom neuen argentinischen Staatspräsidenten, dem Linksperonisten Alberto Fernandez, vorbereitet worden, als dieser am vergangenen 31. Januar dem Papst einen Besuch abstattete. Fernandez gehörte bereits im Sommer 2018 zu der Delegation lateinamerikanischer Linkspolitiker, die Franziskus im Rahmen der Kampagne „Lula libre“ aufsuchten. Ihnen gegenüber, wie zwei der drei Anwesenden anschließend der Presse mitteilten, darunter auch Fernandez, hatte Papst Franziskus die Strafverfolgung Lulas wegen Korruption und seine Streichung von der Kandidatenliste als „Staatsstreich mit weißen Handschuhen“ bezeichnet. Inzwischen ist Fernandez selbst in seiner Heimat Staatspräsident geworden.
Lula und Franziskus hatten sich – durch Lulas Gefängnisaufenthalt zwangsläufig auf Distanz – gegenseitig Solidaritätsnoten zukommen lassen und sich Blumen gestreut. Am 26. Januar sagte Lula in einem Interview mit der linken argentinischen Tageszeitung Pagina/12:
„Franziskus ist alles, was wir uns von einem Papst wünschen.“
Für Lula nahm sich Franziskus sehr viel Zeit, demonstrativ viel Zeit. Eine ganze Stunde sprachen die beiden miteinander. Die Bilder und Berichte vom Besuch füllen Brasiliens Medien. Das war ein offensichtlicher Zweck der Audienz. Während Lula am späteren Abend eigens eine Pressekonferenz anberaumte, um über die Begegnung mit dem Papst zu sprechen, gab es erwartungsgemäß vom Heiligen Stuhl keine Stellungnahme dazu.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Twitter (Screenshots)
„wie im Zuge der Amazonassynode die sozialromantische Verklärung eines Urwaldidylls zeigte.“
Mir kommt es langsam sowieso vor das der Amazonas das Zentrum des katholischen Glaubens ist. Gibt es keinen modernen Theologen der uns nachweist das im Amazonas eine Anaconda Adam verführt hat? Vielleicht hätte die Mutter Gottes statt in Guadalupe zu erscheinen den Regenwald sich aussuchen sollen? Nur das hätte natürlich keiner bemerkt. Bolsonaro kann für die Indios machen was er will, solange er ihnen keine verheirateten Priester schickt wird man mit ihm nie zufrieden sein.
„Begegnung mit Papst Franziskus, um über eine gerechtere und brüderlichere Welt zu sprechen.“
Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit ist das Lied dessen Katastrophe wie ein Feuerschweif direkt vor dem Richterstuhl unseres Gottes führt.
Per Mariam ad Christum.