(Rom) Kardinal Domenico Calcagno wurde mit heutigem Tag emeritiert. Dem italienischen Prälaten mit dem Faible für Schußwaffen wurde keine Verlängerung im Amt gewährt. Das überrascht.
Der Herr der Güterverwaltung
Kardinal Calcagno aus Piemont war nach seinem Studium an der Gregoriana 1967 von Kardinal Siri zum Priester geweiht worden. Nach Tätigkeiten in der Seelsorge, an Theologischen Fakultäten und als Ökonom ernannte ihn Papst Johannes Paul II. 2002 zum Bischof von Savona-Noli in Ligurien. Ihm eilte der Ruf eines tüchtigen Verwalters voraus. So wurde er 2007 von Papst Benedikt XVI. zum Sekretär der Güterverwaltung des Apostolischen Stuhls (APSA) ernannt. Nach der Emeritierung von Kardinal Attilio Nicora trat er 2011 dessen Nachfolge an der Spitze der Güterverwaltung an.
Entgegen ersten Lesarten, die Wahl von Papst Franziskus sei eine Anti-Kurien-Wahl gewesen, stellte sich schnell heraus, daß mehrere und sogar sehr einflußreiche Kurienvertreter die Wahl von Franziskus unterstützt hatten, darunter auch Kardinal Calcagno. Er hatte, so der Vatikanist Sandro Magister, im Konklave einen klaren Maßstab: Keinen Mann auf dem Stuhl Petri sehen zu wollen, der ihm in seinem Bereich in die Quere kommt. Cacagno verwaltete seinen Aufgabenbereich wie sein kleines „Privatreich“, aber mit einflußreichen, weltlichen Kontakten. Kontakte, die sich nicht gerne in ihre Finanzen schauen lassen würden. So zumindest war es wiederholt rund um den Vatikan zu hören.
Wie dem auch sei: Die APSA galt unter Calcagno sogar als eine der geheimen Machtzentralen dieses Pontifikats. Ihre Führung war so einflußreich, daß sie die gesamte von Franziskus selbst geplante Reform der Finanzen und der Verwaltung des Vatikans verhinderte.
Franziskus hatte sich an die Wahlprämisse des APSA-Präfekten gehalten, allerdings nach einem Jahr nicht mehr ganz.
Das Wirtschaftssekretariat, das dem Kardinal mißfiel
Als Franziskus im Februar 2014 mit dem Motu proprio Fidelis dispensator et prudens ein neues Dikasterium namens Wirtschaftssekretariat errichtete, in dem die ökonomischen und administrativen Angelegenheiten des Heiligen Stuhls zusammengefaßt werden sollten, trat Calcagno als entschiedener Gegner der Reform auf. Sie hätte auch ihn betroffen. Seine Güterverwaltung sollte ein Teil des Wirtschaftssekretariats werden. Davon wollte der „Waffennarr“ unter den Kardinälen, der eine Privatsammlung mit einem guten Dutzend Schußwaffen besitzt, nichts wissen.
Der Purpurträger begann einen facettenreichen Boykott des Wirtschaftssekretariats. Calcagno war nicht der einzige, der sich in diesem Bereich den päpstlichen Plänen widersetzte, aber einer der hartnäckigsten und erfolgreichsten. Er verteidigte sein Revier, immerhin eine Art Schatzamt und Zentralbank des Kirchenstaates, mit Zählen und Klauen.
Weit mehr staunten Beobachter darüber, daß Papst Franziskus schrittweise von seinen Plänen abrückte, um den Wünschen Calcagnos und anderer Kurialen entgegenzukommen. Das ist nämlich so dar nicht die Art des argentinischen Papstes, der sich selbst in der Vergangenheit bereits als „listig“ und „hartnäckig“ beschrieb. Der Aufbau des Wirtschaftssekretariats zog sich in die Länge. Bereits 2016 beschnitt Franziskus dessen Zuständigkeiten massiv, noch ehe sie operativ werden konnten. Der Papst demontierte Stück für Stück seine eigene Reform.
Diese Rücksichtnahme läßt sich nur damit erklären, daß Franziskus sich seinen Papstwählern gegenüber erkenntlich zeigen wollte. Diese mußten ihm ihre Vorstellungen von Erkenntlichkeit zuvor deutlich zu verstehen gegeben haben.
Calcagnos Kampf gegen jede Konkurrenz
Kardinal George Pell war von Franziskus 2014 nach Rom geholt und als Präfekt an die Spitze des Wirtschaftssekretariats gesetzt worden. Sofort war die Rede von einer Wegbeförderung des „konservativen“ Kirchenfürsten, um den Episkopat von Australien umbauen zu können. In Rom angekommen krempelte Pell, tatsächlich ein tüchtiger Verwalter, die Ärmel hoch und ging an die Arbeit. Doch schneller als ihm lieb war, mußte er feststellen, nur Herr über eine leere Schachtel zu sein. Er war zwar den Rang eines Ministers, aber ohne wirkliches Portfolio. Seine Bemühungen, die ihm zugewiesenen Zuständigkeiten auszufüllen, stießen auf zähen Widerstand.
Nicht nur Pell wurde von Papst Franziskus im Regen stehengelassen. Der ebenfalls von Franziskus ernannte Generalrevisor des Vatikans, Libero Milone, war bereits zuvor auf unsanfte Weise aus dem Kirchenstaat entfernt worden. Auch damals hieß es, daß Kardinal Calcagno einen nicht unwesentlichen Anteil am Rauswurf hätte.
Aufgrund von Vorwürfen im Zusammenhang mit Fällen von sexuellem Mißbrauch durch Kleriker muß sich Pell, als ehemaliger Erzbischof von Sydney, in seiner Heimat vor Gericht verantworten. Aus diesem Grund verließ er Rom wieder, und das schon vor einem Jahr. Zuvor hatte Calcagno mit einem geharnischten Brief zu Papier gegeben, was er von einer eventuellen Beschneidung seiner Zuständigkeiten hielt. Seit Pell das Feld geräumt hatte, schien Calcagno noch eine lange Zeit in seinem „Reich“ bevorzustehen.
Das abrupte Ende
Im Sommer 2017 kam Calcagno dafür dem Papst entgegen, als dieser den argentinischen Bischof Gustavo Oscar Zanchetta in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aus seiner Heimat abziehen mußte. Kaum Papst geworden, hatte Franziskus mit der Säuberung des argentinischen Episkopats von Ratzingerianern, „Konservativen“ und persönlichen Gegenspielern begonnen. Im Rahmen dieser Operation ernannte er im Juli 2013 Zanchetta zum Bischof von Oran, obwohl dieser zuvor als Generalvikar die Finanzen des Bistums Quilmes zerrüttet hatte. Gleiches geschah dann auch mit den Finanzen des Bistums Oran, sodaß Franziskus vor einem Jahr gezwungen war, ihn von dort durch Berufung nach Rom abzuziehen. Calcagno brachte den gescheiterten Verwalter unter, und das ausgerechnet in der Güterverwaltung des Vatikans. Schaden kann der ehemalige Diözesanbischof allerdings keinen anrichten, da er ein eigens für ihn geschaffenes Amt ohne Zuständigkeiten zugewiesen bekam.
Mit der heutigen Emeritierung von Kardinal Calcagno, der erst vor vier Monaten die kanonische Altersgrenze erreicht hatte, war deshalb nicht gerechnet worden. Der Purpurträger scheint aber die Gunst des Papstes verloren zu haben. Der Gunstverlust, daran scheint kein Zweifel zu bestehen, muß mit seinem Verhalten rund um Güter und Finanzen zu tun haben.
Unabhängig von der Emeritierung wird Kardinal Calcagno noch bis zum 3. Februar 2023, dem Tag, an dem er 80 wird, an einem eventuellen Konklave teilnehmen können.
Neuer „Herr der Güter“ ist Bischof Nunzio Galantino
Zu seinem Nachfolger ernannte Franziskus mit Nunzio Galantino einen treuen Mitarbeiter, den früheren „Mann des Papstes“ in der Italienischen Bischofskonferenz.
Franziskus hielt es nach seiner Wahl für opportun, den von seinem Vorgänger ernannten Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Kardinal Angelo Bagnasco, nicht sofort auszutauschen. Stattdessen beließ er Kardinal Bagnasco im Amt, entmachtete ihn aber durch die Ernennung Galantinos zum Generalsekretär. Galantino, damals noch Bischof von Jonio in Kalabrien, wurde durch die Gunst des Papstes zum eigentlichen, mächtigen Mann der Bischofskonferenz. Als solcher brachte er die Medien der Bischöfe (Presseagentur, Tageszeitung, Radio, Fernsehen) auf Bergoglio-Linie (siehe dazu auch und ebenso) und handelte im Hinterzimmer mit der damaligen italienischen Linksregierung den „Kompromiß“ zur Einführung der „Homo-Ehe“ ein, die aber nicht „Ehe“ genannt wurde. Im Gegenzug ließ der Vatikan samt den meisten Bischöfen die Bürgerrechtsbewegung zum Schutz der Familie und gegen die Gender-Ideologie im Stich, die gegen die „Homo-Ehe“ zwei Millionen Menschen mobilisiert hatte.
Zwischendurch fiel Galantino auch durch wenig orthodoxe Aussagen auf, etwa durch seine Katechese beim Weltjugendtag 2016 in Krakau, wo er behauptete, Sodom und Gomorra seien vom „barmherzigen Gott“ nicht zerstört, sondern gerettet worden, oder seine Aussage, die Kirchenspaltung durch Martin Luther sei ein Werk des Heiligen Geistes gewesen. Als Präfekt der Güterverwaltung muß sich Galantino künftig nicht mehr zu geistlichen Fragen äußern.
Als Bagnascos reguläre Amtszeit als Vorsitzender der Bischofskonferenz abgelaufen war, ersetzte ihn Franziskus im Mai 2017 durch den Erzbischof von Perugia, Gualtiero Bassetti, den er zuvor bereits zum Kardinal kreiert hatte. Bald zeigten sich Spannungen zwischen Galantino, dem bisherigen „Mann des Papstes“, und Kardinal Bassetti, der nun eindeutig der neue „Mann des Papstes“ an der Spitze der Bischofskonferenz war.
Dieser Konflikt wurde von Franziskus nun auf die gleiche Weise entspannt, wie er zuvor bereits jenen zwischen dem Kardinalstaatssekretär Parolin und seinem Substituten, Erzbischof Becciu, geregelt hatte. Er beförderte Becciu zum Präfekten der Heiligsprechungskongregation und kreiert ihn in zwei Tagen zum Kardinal. Auf dieselbe Weise wurde Galantino heute zum Präfekten der vatikanischen Güterverwaltung befördert mit der Aussicht, demnächst auch die Kardinalswürde zu erlangen, denn der Umbau des Kardinalskollegiums ist mit Blick auf ein künftiges Konklave noch nicht abgeschlossen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons/MiL/Fede Quotidiana (Screenshots)