Der katholische Journalist Francisco Fernandez de la Cigoña, einer der bekanntesten spanischen Kolumnisten und Blogger zu kirchlichen Themen, machte nie ein Hehl aus seiner Ablehnung der marxistischen Befreiungstheologie und aus seiner Kritik an deren Vertretern wie Ernesto Cardenal. Sein Großvater war im spanischen Bürgerkrieg von den Marxisten ermordet worden, weil er als Katholik und Industrieller zum „falschen“ Credo und zur „falschen“ Klasse gehörte. Er weiß, wozu angeblich gut gemeinte, aber falsche Ideen führen können.
Progressive Kirchenkreise feiern die Begnadigung Cardenals durch Papst Franziskus und nützen die Gelegenheit um einmal mehr ihre Abneigung gegen Papst Johannes Paul II. zu wiederholen, der Cardenal 1984 a divinis suspendierte. Diese Reaktion war vorhersehbar und enthält nichts Neues. Um wieviel bemerkenswerter ist hingegen der versöhnliche Ton, den ein harter Kritiker Cardenals wie Fernandez de la Cigoña findet. Der spanische Journalist läßt durchleuchten, wie sehr sich der gläubige Katholik über jeden freut, der in die volle Einheit der Kirche zurückkehrt, und über jeden suspendierten oder abgefallenen Priester, der wieder rechtmäßig sein Weihesakrament ausübt, selbst wenn es sich um einen einst hart kritisierten Gegner handelt.
Das Video am Ende des Artikels zeigt ab Minute 1:08 auch die Begegnung von Papst Johannes Paul II. mit Ernesto Cardenal, damals sandinistischer Minister in Nikaragua. Die Gestik des Kirchenoberhauptes verdeutlicht die Dramatik des Augenblicks. Er forderte von Cardenal den sofortigen Rücktritt als Minister, was dieser jedoch ablehnte.
Hier der Kommentar von Francisco Fernandez de la Cigoña zur Begnadigung von Ernesto Cardenal durch Papst Franziskus im vollen Wortlaut:
Strafen gegen Ernesto Cardenal aufgehoben
von Francisco Fernandez de la Cigoña
Die Strafen gegen Ernesto Cardenal wurden aufgehoben. Das scheint mir sehr gut zu sein. Er ist 94 Jahre alt. Er liegt in einem Krankenhaus und sieht sehr schlecht aus. Das geht soweit, daß auf den Fotos nicht klar wird, ob er noch bei vollem Bewußtsein ist. Hat er die Messe gefeiert? Haben sie konzelebriert? Wie es auch immer sein mag, es macht mich sehr glücklich.
Ein Priester Jesu Christi, der wegen seiner politischen Aktivitäten suspendiert wurde, als Minister einer marxistischen Regierung, als Kommunist oder wie immer man ihn qualifizieren möchte, der alle Vorschriften der Kirche übertreten hat, wird von Papst Franziskus in articulo mortis [im Angesicht des Todes] oder fast begnadigt. Gesegnete Barmherzigkeit der Kirche.
Wie der Claretinerpater und Befreiungstheologe Pedro Casaldáliga galt Cardenal als ein Dichter. Für mich war er nie ein Literat, diese Zuschreibung war irreführend. Seinem literarischen Schaffen kommt kein Verdienst zu, vielmehr schien es mir richtiger Müll, der mit dem vorherrschenden linken Denken vollgestopft war. Er schien mir auch immer ein Exzentriker zu sein, der vor allem um seine Berühmtheit besorgt war. Aber vielleicht wurde er darin mißverstanden, wenngleich sein Leben genau diesen Eindruck vermittelte. All seine sandinistische Leidenschaft endete in einer radikalen Opposition gegen das System, das er befürwortet und das ihn die Suspendierung a divinis gekostet hatte. Er war wirklich mobile wie eine donna. (1)
Ich habe gelesen, daß er vor einigen Jahren die Begnadigung durch die Kirche abgelehnt hatte. Im Alter weiß man es vielleicht besser, so wie in seinem jetzt. Wir wollen also glauben, daß er sich nun vor seinem Gewissen mit der Kirche versöhnt hat – und vor allem in der unendlichen Gnade Gottes, die all unsere Schwächen überwindet.
Johannes Paul II. erhob seinen anklagenden Finger gegen ihn, so wie es sein mußte. Die Kritik daran des Jesuiten Pedro Miguel Lamet, selbst jetzt noch, ist einmal mehr bedauerlich. Wenn nun Franziskus großzügig seine Hand reichte, dann ist das ebenso, wie es sein soll. Er hat nicht einen Sandinisten freigesprochen, sondern einen Priester von seinen vergangenen Fehlern. Nun kann er sich über die Barmherzigkeit der Kirche freuen. Und wir auch. Heute ist Cardenal gegen Daniel Ortega, obwohl das schon keine Rolle mehr spielt in seinem Zustand von zweifelhaftem Bewußtsein. Als er seine Opposition zum Ortega-System äußerte, war er aber noch bei Bewußtsein.
Aufgrund seines und meines Alters ist es sicher, daß ich Ernesto Cardenal nie treffen werde. Wenn morgen etwas passieren würde, würde ich andächtig auch ihn bitten: „Segne mich, Vater“. Und ich würde seinen Segen mit der Erlaubnis der Kirche von ihm empfangen können. Das erfreut mich sehr.
Die Bilder sagen sehr viel über die Barmherzigkeit des Papstes aus. Zumindest diesmal.
Es gibt noch einige mehr, die ich aber zurückhalte.
Falls jemand denkt, daß man solche Fotos nicht veröffentlichen sollte, dann möge man sich bitte nicht bei mir beklagen, sondern bei den progressiven Internetseiten Lamet und Religion Digital.
Text: Francisco Fernandez de la Cigoña
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Religion Digital (Screenshot)
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(1) Anspielung auf die Canzone „La donna è mobile“ (Die Frau ist launisch, wankelmütig) in der Oper Rigoletto von Giuseppe Verdi.
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