Verhalten des Papstes zu Nikaragua ist „beschämend“


Papst Franziskus Schweigen Nikaragua
Papst Franziskus Schweigen Nikaragua

(New York) Zum Unge­mach, das Papst Fran­zis­kus wegen des Viganò-Dos­siers und sei­nem Schwei­gen zum Fall Pine­da in Hon­du­ras wider­fährt, kommt neue Kri­tik. Dabei geht es um sein Schwei­gen zur Lage der Kir­che in Nikaragua.

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Die Kri­tik an der Hal­tung des katho­li­schen Kir­chen­ober­haupts kommt von Andrés Oppen­hei­mer, der Mit­te der 90er Jah­re von For­bes zu den 500 ein­fluß­reich­sten Jour­na­li­sten der USA und 2002 von Latein­ame­ri­ka gezählt wurde.

Der Pulit­zer-Preis­trä­ger hat mit Papst Fran­zis­kus gemein­sam, daß bei­de Argen­ti­ni­er sind und ihre Mut­ter­spra­che spa­nisch ist.

Oppen­hei­mer, der heu­te in Miami lebt, ver­öf­fent­licht eine regel­mä­ßi­ge Kolum­ne, die in rund 60 Medi­en der USA und Latein­ame­ri­kas ver­öf­fent­licht wird. Seit 2012 hat er in der spa­ni­schen Aus­ga­be von CNN eine eige­ne Sendung.

In der jüng­sten Kolum­ne vom 30. August behan­del­te er „Das Schwei­gen des Pap­stes zu Nikaragua“.

Verhalten des Papstes ist „beschämend“

Oppen­hei­mer staunt dar­über, wie Papst Fran­zis­kus zur „bru­ta­len Repres­si­on“ der Kir­che und „den Tod von min­de­stens 322 Men­schen in den ver­gan­ge­nen vier Mona­ten bei Pro­te­sten gegen die Regie­rung“ schwei­gen kön­ne. Ande­re Medi­en nen­nen noch mehr Tote.

„Sein Ver­hal­ten läßt sich mit einem Wort beschrei­ben: ‚beschä­mend‘.“

Protest von Regierungsgegnern
Pro­test von Regierungsgegnern

Es gebe weni­ge Staa­ten auf der Erde, in denen die katho­li­sche Kir­che und Papst Fran­zis­kus mehr Ein­fluß hät­ten als in Nika­ra­gua. Der san­di­ni­sti­sche Staats­prä­si­dent Dani­el Orte­ga und sei­ne Frau, die Vize­prä­si­den­tin Rosa­rio Muri­lo, beken­nen sich als über­zeug­te Katho­li­ken und spicken „ihre Reden mit Zita­ten aus dem Neu­en Testa­ment“, so Oppenheimer.

Das Land steckt in einer schwe­ren Kri­se, doch Papst Fran­zis­kus äußert sich nicht dazu. Am 1. Juli kam von ihm nur ein zurück­hal­ten­der, all­ge­mei­ner Auf­ruf zum Frie­den. Sei­ne bei­den vor­her­ge­hen­den „Stel­lung­nah­men“ waren noch „unglück­li­cher“, so der Jour­na­list. Am 22. April for­der­te er ver­schwom­men ein „Ende von jeder Gewalt“ und am 3. Juni brach­te er sei­nen Schmerz über die Gewalt „von bewaff­ne­ten Grup­pen“ zum Ausdruck.

Alle drei Aus­sa­gen haben wenig mit der kon­kre­ten Stel­lung­nah­me der nika­ra­gua­ni­schen Bischö­fe gemein­sam, die ein Ende der staat­li­chen Gewalt gegen fried­li­che Demon­stran­ten forderten.

Laut der Men­schen­rechts­kom­mis­si­on der OAS (Orga­ni­sa­ti­on der Ame­ri­ka­ni­schen Staa­ten) han­delt es sich bei 90 Pro­zent der Toten um unbe­waff­ne­te Regierungsgegner.

Priester von regierungsnahen Paramilitärs angegriffen

„Meh­re­re nika­ra­gua­ni­sche Prie­ster wur­den von regie­rungs­na­hen Grup­pen und Para­mi­li­tärs ange­grif­fen“, weil sie Regie­rungs­geg­nern vor gewalt­sa­mer Ver­fol­gung Zuflucht gewährt hatten.

Oscar Ari­as, ehe­ma­li­ger Staats­prä­si­dent von Costa Rica und Frie­dens­no­bel­preis­trä­ger, beklag­te gegen­über Oppen­hei­mer das Schwei­gen des Papstes.

„1987 unter­stütz­te ein pol­ni­scher Papst ohne Zögern den Frie­dens­plan mei­ner Regie­rung“, so Arias.

„Das steht im Gegen­satz zu dem, was heu­te geschieht, und das, obwohl wir einen latein­ame­ri­ka­ni­schen Papst haben, der natür­lich genau weiß, was in Län­dern wie Nika­ra­gua und Vene­zue­la geschieht.“

Ari­as ver­mißt „die Stim­me des Hei­li­gen Vaters“, der ver­ur­teilt, was in die­sen Län­dern vor sich geht.

„In Nika­ra­gua sind wir beim Extrem ange­langt, daß Bischö­fe der katho­li­schen Kir­che ange­grif­fen werden“.

Oppen­hei­mer ver­weist zudem dar­auf, daß ande­re Kri­ti­ker Fran­zis­kus vor­wer­fen, „Sym­pa­thien für Anfüh­rer der Lin­ken zu haben“, obwohl gegen sie wegen Unter­schla­gung und „mas­si­ver Kor­rup­ti­on“ ermit­telt wird. Kon­kret nennt Oppen­hei­mer Argen­ti­ni­ens Ex-Prä­si­den­tin Cri­sti­na Kirchner.

„Was der Papst tun kann, aber nicht tut“

Ande­re wür­den die Hal­tung des Pap­stes ver­tei­di­gen, indem sie sagen, daß sein Schwei­gen Teil des Ver­suchs sei, die Bezie­hun­gen zum Orte­ga-Regime nicht abbre­chen zu las­sen, damit der Vati­kan in der Nika­ra­gua-Kri­se als Ver­mitt­ler auf­tre­ten könne.

Ernesto Cardenal 1983 mit Johannes Paul II. in Managua
Erne­sto Car­denal 1983 mit Johan­nes Paul II. in Managua

Oppen­hei­mer gibt jedoch zu ver­ste­hen, wenig davon zu hal­ten, denn die Kir­che in Nika­ra­gua habe ja als Ver­mitt­ler zwi­schen Regie­rung und Oppo­si­ti­on gewirkt. Orte­ga war es, der am ver­gan­ge­nen 19. Juli jedoch alle Gesprä­che abge­bro­chen und die ver­mit­teln­den Bischö­fe beschul­digt hat­te, die Oppo­si­ti­on zu unterstützen.

Am 28. Juli sag­te Orte­ga Oppen­hei­mer, er wol­le „den Dia­log stär­ken“, indem er „neue Ver­mitt­ler“ suche. Er rede dazu mit der UNO und der EU, damit sie sich in die Gesprä­che an der Sei­te der nika­ra­gua­ni­schen Bischö­fe ein­brin­gen. Oppen­hei­mer sieht dar­in den Ver­such Orte­gas, die Rol­le der Bischö­fe „zu schwä­chen“, um ande­re „Spie­ler“ ins Ren­nen zu brin­gen, „die mehr mit sei­nem Regime sympathisieren“.

Ver­tei­di­ger des Pap­stes sagen, so Oppen­hei­mer, daß Fran­zis­kus die Bischö­fe von Nika­ra­gua „in pri­va­ten Begeg­nun­gen im Vati­kan unter­stützt“ habe. Zudem habe weder der Papst noch der Kar­di­nal­staats­se­kre­tär bei sei­nem jüng­sten Besuch im Vati­kan Nika­ra­gu­as Außen­mi­ni­ster Denis Mon­ca­da empfangen.

Es kön­ne wohl sein, so Oppen­hei­mer, daß Papst Fran­zis­kus dar­an arbei­te, den Dia­log zwi­schen Regie­rung und Oppo­si­ti­on wie­der in Gang zu bringen.

„Wenn dem so ist, soll­te der Papst öffent­lich eine sofor­ti­ge Wie­der­auf­nah­me des Dia­logs for­dern, bei dem die Bischö­fe wie zuvor ver­mit­teln, und die inter­na­tio­na­le Auf­merk­sam­keit auf das Dra­ma in Nika­ra­gua len­ken. Das ist das min­de­ste, was der Papst tun kann, aber nicht tut.“

Rolle des Jesuitenordens und der Befreiungstheologie

Oppen­hei­mers Stau­nen über das päpst­li­che Schwei­gen zu Nika­ra­gua, aber auch zu Vene­zue­la, trifft sich mit der päpst­li­chen Soli­da­ri­tät mit lin­ken Poli­ti­kern in Bra­si­li­en, Ecua­dor und Argen­ti­ni­en, gegen die wegen Kor­rup­ti­on ermit­telt wird. Zusam­men mit sei­nem gera­de­zu freund­schaft­li­chen Umgang mit den Links­re­gi­men in Boli­vi­en und Kuba ergibt sich ein schwer ein­sei­ti­ges, poli­ti­sches Bild.

Was Oppen­hei­mer bei sei­nem Stau­nen zu Nika­ra­gua außer acht läßt, ist die Rol­le der Jesui­ten und der Befrei­ungs­theo­lo­gie beim Sturz von Staats­prä­si­dent Ana­sta­sio Somo­za im Jahr 1979 und bei der Unter­stüt­zung des mar­xi­sti­schen, san­di­ni­sti­schen FSLN-Regimes von Dani­el Orte­ga bis 1990. Das Orte­ga-Regime füg­te 1983 Papst Johan­nes Paul II. eine der größ­ten Demü­ti­gun­gen sei­nes Pon­ti­fi­kats zu. Bei sei­ner Pre­digt in Mana­gua war er von FSLN-Anhän­gern nie­der­ge­brüllt wor­den, mit denen das Regime die Gläu­bi­gen vor der Papst­tri­bü­ne ersetzt hatte.

Daniel Ortega mit seinem Bildungsminister P. Fernando Cardenal SJ
Dani­el Orte­ga mit sei­nem Bil­dungs­mi­ni­ster P. Fer­nan­do Car­denal SJ

In die­sem Zusam­men­hang ist an die Brü­der und Prie­ster Erne­sto und Fer­nan­do Car­denal zu erin­nern. Der 2016 ver­stor­be­ne Fer­nan­do Car­denal gehör­te dem Jesui­ten­or­den an. Bei­de waren über­zeug­te Sozia­li­sten und Befrei­ungs­theo­lo­gen. Bei­de unter­stütz­ten die Revo­lu­ti­on und wur­den Mini­ster des san­di­ni­sti­schen Regimes: Erne­sto als Kul­tur­mi­ni­ster, Fer­nan­do als Bildungsminister.

Erne­sto Car­denal, wie das san­di­ni­sti­sche Regime ein Lieb­ling der neo­mar­xi­sti­schen Neu­en Lin­ken in West­eu­ro­pa, hat­te Johan­nes Paul II. 1983 am Flug­ha­fen von Mana­gua mit einem Knie­fall emp­fan­gen, einer unter Links­ka­tho­li­ken ver­pön­ten Geste. Die Thea­tra­lik konn­te den Papst nicht über­zeu­gen. Die päpst­li­che For­de­rung, vom Mini­ster­amt zurück­zu­tre­ten, lehn­ten bei­de Car­denal-Brü­der näm­lich ab. Der Hei­li­ge Stuhl reagier­te mit der Sus­pen­die­rung, wor­auf Fer­nan­do Car­denal aus dem Jesui­ten­or­den aus­ge­schlos­sen wer­den muß­te. Von sich aus hat­te der Orden nichts unter­nom­men. Die dort vor­herr­schen­den Sym­pa­thien wur­den 1997 expli­zit bestä­tigt. Als Fer­nan­do Car­denal 1990 sein Mini­ster­amt ver­lo­ren hat­te, nach­dem die San­di­ni­sten bei frei­en Wah­len abge­wählt wor­den waren, wur­de er eini­ge Jah­re spä­ter wie­der in den Jesui­ten­or­den auf­ge­nom­men und konn­te auch wie­der als Prie­ster wirken.

Nach dem Zusam­men­bruch des kom­mu­ni­sti­schen Ost­blocks kam es, wie erwähnt, auch in Nika­ra­gua zu einer Demo­kra­ti­sie­rung, die den Fren­te San­di­ni­sta de Libe­r­ación Nacio­nal in die Oppo­si­ti­on zwang. Aus den Prä­si­den­ten­wah­len von 2006 ging jedoch Dani­el Orte­ga – nach dem plötz­li­chen Tod des in Umfra­gen füh­ren­den libe­ral­kon­ser­va­ti­ven Gegen­spie­lers – mit 38 Pro­zent der Stim­men als Sie­ger hervor.

Damit begann die zwei­te san­di­ni­sti­sche Ära in Nika­ra­gua, die das Land in eine schwe­re Kri­se führte.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: El Nue­vo Heral­do (Screen­shot)

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