Tercermundismo, Volkstheologie, Opcion por los pobres


Oscar Eduardo Miñarro, der von Papst Franziskus neuernannte Weihbischof von Merlo-Moreo
Oscar Eduardo Miñarro, der von Papst Franziskus neuernannte Weihbischof von Merlo-Moreo

(Bue­nos Aires) Papst Fran­zis­kus ernann­te am 19. Sep­tem­ber Oscar Edu­ar­do Miñar­ro zum Weih­bi­schof der argen­ti­ni­schen Diö­ze­se Mer­lo-Moreno. Der 1960 in Bue­nos Aires gebo­re­ne neue Bischof ist ein Ver­tre­ter einer bestimm­ten argen­ti­ni­schen „Tra­di­ti­on“: des rebel­li­schen Linksd­ralls der Drit­te-Welt-Ideo­lo­gie, dem Papst Fran­zis­kus nicht nur in Argen­ti­ni­en Blu­men streut.

„Im Verborgenen weiterkämpfen, von unten, bis günstigere Zeiten kommen“

Anzei­ge

Eini­ge argen­ti­ni­sche Diö­ze­sen wer­den „wie zu Feu­dal­zei­ten“ geführt. Sie wer­den von einer Cli­que beherrscht, die sich gegen stützt. Sie ver­wan­deln sich in „regel­rech­te Bastio­nen des Wider­stan­des und des Kamp­fes, aller­dings nicht des ‚guten Kamp­fes‘“, von dem der Apo­stel Pau­lus spricht, so Info­Ca­to­li­ca. Es ist ein Geist des Wider­spruchs, der in die­sen „Bastio­nen“ herrscht. Es ist der Geist eines Pedro Casa­ld­a­li­ga, des ehe­ma­li­gen Bischofs von Sao Felix in Bra­si­li­en. Der spa­ni­sche Cla­re­ti­ner und mar­xi­sti­sche Befrei­ungs­theo­lo­ge kri­ti­sier­te öffent­lich die Wahl von Papst Bene­dikt XVI. Auf die Fra­ge, was er nun tun wer­de, ant­wor­te­te Casa­ld­a­li­ga 2005:

„Wir wer­den im Ver­bor­ge­nen wei­ter­kämp­fen, von unten, bis gün­sti­ge­re Zei­ten kommen.“

Priesterbewegung für die Dritte Welt (MSTM)

Die­se links­ideo­lo­gi­sche Mili­tanz fin­det sich in eini­gen argen­ti­ni­schen Diö­ze­sen bis heu­te. In die­sen Diö­ze­sen fand die­ser Geist durch die Bischö­fe stru­ku­rel­len Rück­halt in den Insti­tu­tio­nen. Sei­nen bekann­te­sten Nie­der­schlag fand er in Argen­ti­ni­en im 1967 gegrün­de­ten Movi­mi­en­to de Sacer­do­tes para el Ter­cer Mun­do, der „Prie­ster­be­we­gung für die Drit­te Welt“ (MSTM). Das war im Grun­de die reli­giö­se Vari­an­ten einer radi­kal lin­ken, poli­ti­schen Bewe­gung deren Chif­fren „die Gerech­tig­keit“ und „die Armen“ sind. In Argen­ti­ni­en stand sie dem Link­spe­ro­nis­mus und dem Mar­xis­mus nahe. 1969 ver­öf­fent­lich­te die MSTM eine Erklä­rung zur Unter­stüt­zung revo­lu­tio­nä­rer, sozia­li­sti­scher Bewe­gun­gen und der Ver­staat­li­chung der Pro­duk­ti­ons­mit­tel. Der dama­li­ge Erz­bi­schof-Koad­ju­tor von Bue­nos Aires, Juan Car­los Aram­bu­ru, ermahn­te sie öffent­lich, von poli­ti­schen Erklä­run­gen Abstand zu nehmen.

Zeitgenössische Kritik am Tercermundismo
Zeit­ge­nös­si­sche Kri­tik am Ter­cer­mun­dis­mo: „Beten genügt nicht mehr“

Über den „rich­ti­gen (poli­ti­schen) Weg“ kam es 1973 zur Spal­tung der MSTM. Ein Teil unter­stütz­te den zen­tra­li­sti­schen Link­spe­ro­nis­mus, ein ande­rer woll­te eine „hori­zon­ta­le“ Lösung durch Basis­ge­mein­den, ande­re schlos­sen sich dem bewaff­ne­ten, revo­lu­tio­nä­ren Kampf von Che Gue­va­ra an. Min­de­stens ein Drit­tel gab das Prie­ster­tum auf, um zu hei­ra­ten. Die Mili­tär­dik­ta­tur in Argen­ti­ni­en mach­te die MSTM 1976 hand­lungs­un­fä­hig. Nach dem Ende der Dik­ta­tur gab es zwar die MSTM nicht mehr, aber deren Ideen, waren noch leben­dig und began­nen in neu­em Klei­dern aufzutraten.

Die MSTM-Prie­ster gehör­ten gewis­ser­ma­ßen zur Eccle­sia mili­tans, jedoch mit einem ganz irdisch-mate­ri­el­len Ver­ständ­nis von Mili­tanz, dem der lin­ken Gue­ril­le­ros. Bri­ga­de­ge­ne­ral Eli­seo Ruiz, Kom­man­dant des Mili­tä­ri­schen Abwehr­dien­stes von Argen­ti­ni­en, schrieb 1970 über sie:

„Die gefähr­lich­sten Agi­ta­to­ren sind heu­te die Prie­ster der Drit­ten Welt, beson­ders jene der mar­xi­sti­schen oder mao­isti­schen extre­men Linken.“

Gramscis „kulturelle Hegemonie“

Der Ter­cer­mun­dis­mo ging Hand in Hand mit den Ideen des Kom­mu­ni­sten­füh­rers Anto­nio Gram­sci, des­sen The­se von der „kul­tu­rel­len Hege­mo­nie“ über­nom­men wur­de. Durch ideo­lo­gi­sche Sub­ver­si­on des Kul­tur­be­reichs soll­te das all­ge­mei­ne Emp­fin­den ver­än­dert wer­den, um die Katho­li­ken  zu „treu­en Die­nern der Revo­lu­ti­on“ zu machen, die „von innen“ her­aus die Kir­che verändern.

Der wegen Unge­hor­sam nach dem Zwei­ten Welt­krieg aus dem Jesui­ten­or­den aus­ge­schlos­se­ne und bis 1966 vom Prie­ster­tum sus­pen­dier­te, anti­li­be­ra­le Argen­ti­ni­er Leo­nar­do Castel­la­ni (1899–1981) beschrieb 1970 das Phänomen:

„Ihre Spra­che ist die der Poli­ti­ker, ver­mischt mit der pro­te­stan­ti­scher Pasto­ren. Sie haben bereits mehr Erklä­run­gen abge­ge­ben als [Ricar­do] Balbà­n [füh­ren­der Ver­tre­ter der links­li­be­ra­len Unión Cà­vica Radi­cal UCR]. Als höch­ste Auto­ri­tät wer­den die Evan­ge­li­en behaup­tet, auf die Fah­ne schreibt man sich die Befrei­ung der Armen, das Ziel ist die Reform der Kir­che oder eben die Grün­dung einer ande­ren, neu­en, ihre Magna Char­ta ist Medellàn.“

Magna Charta Medellín

Gemeint ist das Abschluß­do­ku­ment der II. Gene­ral­ver­samm­lung des Latein­ame­ri­ka­ni­schen Bischofs­ra­tes (CELAM) von 1968, auf das die Befrei­ungs­theo­lo­gie ent­schei­den­den Ein­fluß hat­te. Autoren des Doku­ments waren die Befrei­ungs­theo­lo­gen Gustavo Gut­ier­rez und Lucio Gera, die im Auf­trag pro­gres­si­ver Bischö­fe wie Hel­der Cama­ra als CELAM-Bera­ter auf­tra­ten. Das Medel­lin-Papier gilt als das kirch­li­che Doku­ment, das sich am wei­te­sten dem Mar­xis­mus öffnete.

Zeitgenössische Kritik am Tercermundismo
Poli­ti­sche Kunst in Kuba für die Befreiungstheologie

Lucio Gera, ein Argen­ti­ni­er ita­lie­ni­scher Abstam­mung, war einer der Grün­der und Vor­den­ker des MSTM und der Teo­lo­gia del Pue­blo (Volks­theo­lo­gie), die als Zweig der Befrei­ungs­theo­lo­gie anzu­se­hen ist. Gera gilt in der Zeit von 1960–2000 als der ein­fluß­reich­ste Theo­lo­ge Argen­ti­ni­ens, der zusam­men mit dem argen­ti­ni­schen Jesui­ten Juan Car­los Scan­no­ne, einem ande­ren Ver­tre­ter der Volks­theo­lo­gie, maß­geb­lich das Den­ken Jor­ge Mario Berg­o­gli­os präg­te. Sowohl Gera als auch Scan­no­ne wur­den an bun­des­deut­schen Uni­ver­si­tä­ten pro­mo­viert. Der genaue Ein­fluß auf Papst Fran­zis­kus ist nicht geklärt. In sei­ner Spra­che, beson­ders sei­nen poli­ti­schen Akti­vi­tä­ten (Kon­takt­su­che zur radi­ka­len Lin­ken) und sei­nen poli­ti­schen Mani­fe­sten (Rom 2014, Santa Cruz de la Sier­ra 2015) ist eine befrei­ungs­theo­lo­gi­sche Prä­gung nicht zu über­hö­ren. An deren genaue Ein­ord­nung hat sich noch nie­mand gewagt.

Die Clique der „Chinesen“ – Johannes Paul II. ist „gaga“

Die Prie­ster­be­we­gung für die Drit­te Welt (MSTM) blieb ein kurz­le­bi­ges Phä­no­men, doch ihre Ideen­welt wirkt bis heu­te wei­ter, beson­ders in eini­gen Diö­ze­sen der Kir­chen­pro­vinz Bue­nos Aires, so in den Bis­tü­mern Mer­lo-Moreno und Moron. Lit­ur­gi­scher und dok­tri­nel­ler Unge­hor­sam, der die­se Diö­ze­sen kenn­zeich­net, gilt als sub­ver­si­ves Merk­mal die­ses Fort­be­stehens. Die Ange­hö­ri­gen die­ser Rich­tung wer­den in Argen­ti­ni­en zuwei­len „Chi­ne­sen“ genannt, wahr­schein­lich in Anspie­lung auf ihre mao­isti­sche Vergangenheit.

In Moron ging Bischof Justo Oscar Lagu­na (1980–2004), ein Freund der Medi­en und der poli­ti­schen Lin­ken, sei­ner­zeit soweit, die Tötung unge­bo­re­ner Kin­der durch Abtrei­bung zu recht­fer­ti­gen, oder zu behaup­ten, daß Schei­dung „nur für Katho­li­ken ein Übel“ sei, daß Papst Johan­nes Paul II. „gagá“ (plemp­lem) sei und es über­haupt bes­ser wäre, wenn er zurück­tre­ten wür­de. Wie sein sie­ben Jah­re jün­ge­rer Metro­po­lit Jor­ge Mario Berg­o­glio pfleg­te Lagu­na vor allem einen inten­si­ven Dia­log mit Juden, Pro­te­stan­ten, Mus­li­men. Mit einem Rab­bi­nen schrieb er das Buch „Alle Wege füh­ren nach Jeru­sa­lem (und auch nach Rom)“.

Argentiniens politischer „Märtyrer“

Bischof Enrique Angelelli
Bischof Enri­que Angelelli

Ver­gleich­ba­re Wege gin­gen Bischof Miguel Hesay­ne von Vied­ma, der das Drit­te-Welt-Mani­fest von Hel­der Cama­ra unter­zeich­ne­te, Bischof Jai­me de Neva­res von Neu­quén, Bischof Enri­que Angel­el­li von La Rio­ja, der wegen sei­ner poli­ti­schen Akti­vi­tä­ten wahr­schein­lich im Auf­trag der Mili­tär­jun­ta bei einem als Auto­un­fall getarn­ten Atten­tat ums Leben kam. Angel­el­li wird heu­te in argen­ti­ni­schen Links­krei­sen – ähn­lich wie Oscar Rome­ro – als „Mär­ty­rer“ ver­ehrt. Die­se Fehl­in­ter­pre­ta­ti­on von Mar­ty­ri­um, das nur Per­so­nen gilt, die in odi­um fidei getö­tet wer­den, wird aller­dings von Papst Fran­zis­kus durch sei­ne Hei­lig­spre­chung von Erz­bi­schof Rome­ro unter­stützt.  Zu nen­nen ist auch Bischof Jor­ge Casa­ret­to von San Isidro, der nach sei­ner Eme­ri­tie­rung Apo­sto­li­scher Admi­ni­stra­tor des Bis­tums Mer­lo-Moreno wur­de, als 2012 des­sen erster Bischof Fer­nan­do Bar­gal­lo, nach einem Skan­dal wegen einer „inti­men Freun­din“, zurück­tre­ten muß­te. Bar­gal­lo war seit 2005 Vor­sit­zen­der der argen­ti­ni­schen Cari­tas und des Cari­tas-Sekre­ta­ri­ats von Latein­ame­ri­ka und der Kari­bik. Die Liste wäre noch fort­zu­set­zen. In einer der „Chinesen“-Diözesen fand Bar­gal­lo Auf­nah­me als „Mis­sio­nar“.

Die den Ideen der MSTM nahe­ste­hen­den Prie­ster und Kir­chen­krei­se zeich­nen sich nicht nur durch ideo­lo­gi­sche Gemein­sam­kei­ten, son­dern auch durch einen gro­ßen Zusam­men­halt und gegen­sei­ti­ge Unter­stüt­zung aus. Der mar­xi­sti­sche Klas­sen­kampf spielt in ihrer moder­ni­sti­schen Theo­lo­gie, die durch wei­te­re Ele­men­te wie Indi­ge­nis­mus, lit­ur­gi­scher Anar­chis­mus, sozi­al­po­li­ti­scher Hori­zon­ta­lis­mus, Öko­lo­gis­mus erwei­tert wird, nach wie vor eine zen­tra­le Rol­le. Das kirch­li­che Wir­ken in die­sen Diö­ze­sen ist von poli­ti­schem Aktio­nis­mus geprägt.

„Vorbilder Oscar Romero und Enrique Angelelli“

Mit Oscar Edu­ar­do Miñar­ro wur­de von Papst Fran­zis­kus ein Ver­tre­ter die­ser Rich­tung zum Weih­bi­schof der argen­ti­ni­schen Diö­ze­se Mer­lo-Moreno ernannt. Miñar­ro stell­te sich nach sei­ner Ernen­nung selbst in eine kla­re Rei­he, indem er Per­so­nen nann­te, die ihn geprägt haben: von Bischof Bar­gal­lo habe er das „Ver­ant­wor­tungs­be­wußt­sein“, von Bischof Malet­ti die „Barm­her­zig­keit“, von Bischof Casa­ret­to die „Ent­schlos­sen­heit“, um hin­zu­zu­fü­gen: „Ich habe gro­ße Vor­bil­der wie Oscar Rome­ro und Enri­que Angel­el­li. Sie sind wie ein immenser Horizont.“

Oscar Edu­ar­do Miñar­ro wur­de von Bischof Lagu­na zum Prie­ster geweiht. In der Diö­ze­se Mer­lo-Moreno war er Diö­ze­san­ver­ant­wort­li­cher für die Beru­fungs­pa­sto­ral, Mit­glied des Prie­ster­rats, Bischofs­vi­kar für das Bil­dungs­we­sen und zuletzt Generalvikar.

2012 ver­öf­fent­lich­te er für Stu­den­ten der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­wis­sen­schaf­ten der Uni­ver­si­tät Bue­nos Aires eine „selbst­kri­ti­sche Sicht der katho­li­schen Kir­che“ und publi­zier­te dazu Bil­der von „Iko­nen“ der argen­ti­ni­schen Lin­ken. Er warf den „Reli­gio­nen gene­rell“ vor, die Men­schen in Dog­men, Tra­di­tio­nen und Zele­bra­tio­nen „gefan­gen“ zu hal­ten und dadurch das „wah­re Füh­len des Reli­giö­sen“ ver­dun­kelt zu haben. Sei­nes Erach­tens sei der reli­giö­se Mensch geru­fen, eini­ge „Befrei­ungs­pro­zes­se“ als Aus­druck des wah­ren Lebens­ge­fühls zu beglei­ten. Lei­der sei­en Reli­gio­nen „gro­ße Mani­pu­la­to­ren der Gewissen“.

„Für mich existieren keine Gewißheiten“

Die anti­me­ta­phy­si­sche For­mung des neu­en Weih­bi­schofs kommt in wei­te­ren Aus­sa­gen zum Ausdruck: „

„Für mich exi­stie­ren kei­ne Gewiß­hei­ten. Ich befin­de mich auf dem Weg. Ich per­sön­lich habe kei­nen Zwei­fel an der Exi­stenz Got­tes, ich habe Zwei­fel, wie sie sich manch­mal mani­fe­stiert, es ist sehr geheimnisvoll.“

In einem Inter­view distan­zier­te sich Miñar­ro vom Wider­stand der Argen­ti­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz gegen die Zivil­rechts­re­form, mit der eine Rei­he von natur­recht­li­chen Begrif­fen besei­tigt wur­den. Zum The­ma Embryo­nen (Abtrei­bung, künst­li­che Befruch­tung) sag­te er, das sei ein „phi­lo­so­phi­sches, kein wis­sen­schaft­li­ches The­ma“, und in der Phi­lo­so­phie gebe es „kei­ne abso­lu­te Wahr­heit“. Dazu stell­te er die Frage:

„Wer kann ent­schei­den, ob ein Embryo bereits Leben ist oder nicht?“

Zur Ein­füh­rung der „Homo-Ehe“ mein­te Miñar­ro 2010:

„Ich bin dafür. Wenn ich sagen wür­de, daß die gleich­ge­stell­te Ehe nicht beschlos­sen wer­den soll: Wür­den sie dann auf­hö­ren zu exi­stie­ren? Nein, es gäbe sie den­noch. Also, wenn die Situa­ti­on exi­stiert, war­um soll ich dann nicht dafür sein, daß die­se Per­so­nen ihre Situa­ti­on in Wür­de leben? (…) Bischof Aran­ce­do ist dage­gen und sagt, die Ehe kann es nur zwi­schen einem Mann und einer Frau geben. Das ist ein phi­lo­so­phi­sches Kon­zept. Es ist aus phi­lo­so­phi­scher Sicht ver­ständ­lich. Ich kann damit ein­ver­stan­den sein oder nicht, wenn ich mich aber in die­sel­be star­re Posi­ti­on wie er bege­be, besteht die Gefahr, daß die Dis­kus­si­on in eine gene­rel­le Into­le­ranz mün­det. Ich wer­fe ihm Into­le­ranz vor und er wirft dann mit gutem Grund mir Into­le­ranz vor. Da gibt es dann nichts mehr zu ver­han­deln: Wenn ich tole­rant bin, bin ich tole­rant, wenn nicht, nicht. (…) In die­sem Sinn könn­te man sagen, daß der Grad an Tole­ranz Fort­schrit­te macht, weil zum Bei­spiel das Recht auf gleich­ge­schlecht­li­che Ehe aner­kannt wird …“

„Revision der Liturgie zur Förderung der kreativen Inkulturation“

Miñar­ro ist Mit­glied der Curas en Opción por los Pobres de Argen­ti­na (Prie­ster der Opti­on für die Armen, Curas­opp), die mit den „kir­chen­kri­ti­schen“ Prie­ster­re­bel­len (Prie­ster­initia­ti­ve Auf­ruf zum Unge­hor­sam) im deut­schen Sprach­raum ver­gleich­bar sind, wenn die Ent­ste­hungs­ge­schich­te auch eine ande­re ist.

Kardinal Bergoglio mit führenden Vertretern der Priester der Option für die Armen (Curasopp)
Kar­di­nal Berg­o­glio mit füh­ren­den Ver­tre­tern der Prie­ster der Opti­on für die Armen (Curas­opp)

Spre­cher der Grup­pe ist Edu­ar­do de la Ser­na, der 1981 für die Diö­ze­se Quil­mes zum Prie­ster geweiht wur­de. Ser­na wuchs im Umfeld des MSTM auf. Sein Bischof war Jor­ge Novak SVD, der Nach­kom­me von wol­ga­deut­schen Ein­wan­de­rern, der 1976 erster Bischof der neu­errich­te­ten Diö­ze­se Quil­mes wur­de, aus der er eine „Werk­statt der Opti­on für die Armen“ mach­te. Die Curas­opp bezeich­nen Novak als „gro­ßen Bischof“ für „unse­ren pasto­ra­len Weg“.

Als Mit­glied der Prie­ster der Opti­on für die Armen ist Miñar­ro Erst­un­ter­zeich­ner eines Auf­rufs an die Argen­ti­ni­sche Bischofs­kon­fe­renz, mit dem 2001 die Abschaf­fung des „Pflicht­zö­li­bats“, die „Revi­si­on der Lit­ur­gie zur För­de­rung der krea­ti­ven Inkul­tu­ra­ti­on“, die Über­win­dung der „zen­tra­len Stel­lung der Prie­ster“ und die „Revi­si­on der gesam­ten von Pla­ton beein­fluß­ten Spi­ri­tua­li­tät zugun­sten eines wirk­li­chen Weges gemäß dem Geist“ gefor­dert wird. Die­se „Ent­hel­le­ni­sie­rung“ des Chri­sten­tums war ein ent­schei­den­der Grund, wes­halb sich Joseph Kar­di­nal Ratz­in­ger und dann Papst Bene­dikt XVI. so ent­schie­den gegen die Befrei­ungs­theo­lo­gie und deren Aus­läu­fer stellte.

Rom ist jedoch auch im digi­ta­len Zeit­al­ter fern. Wäh­rend Bischö­fe wegen „finan­zi­el­ler“ oder „mora­li­scher Unre­gel­mä­ßig­kei­ten“ ihres Amtes ent­ho­ben wer­den, geschieht dies fak­tisch nie wegen der an Bedeu­tung wich­ti­ge­ren dok­tri­nel­len Unre­gel­mä­ßig­kei­ten. Im Gegen­teil: Die Ernen­nung von Oscar Edu­ar­do Miñar­ro durch Papst Fran­zis­kus zum Weih­bi­schof zeigt, daß man dafür sogar belohnt wird, zumin­dest in Argentinien.

„Hinter nachkonziliare Katechese steht eine internationale Organisation und eine konsequente Methodik“

Car­los Sache­ri schrieb in sei­nem 1970 in Bue­nos Aires erschie­ne­nen Buch La Igle­sia Clan­de­sti­na (Die Geheimkirche):

„Vie­le auf­rich­ti­ge, aber schlecht infor­mier­te Katho­li­ken sind zwar der Mei­nung, daß die ‚nach­kon­zi­lia­re‘ Kate­che­se ver­führt, aber sie erken­nen nicht, daß eine Orga­ni­sa­ti­on dahin­ter­steht und eine kon­se­quen­te Metho­dik zum Ein­satz kommt, weil es deren Wesens­merk­mal ist, daß die Zie­le, in deren Dienst sie steht, unter kei­nen Umstän­den klar for­mu­liert wer­den. Das Ziel ist nichts ande­res, als die Kir­che still und lei­se der Welt anzu­pas­sen, anstatt zu ver­su­chen, die Welt durch die Kir­che zu bekeh­ren und zu ret­ten. Der neo­mo­der­ni­sti­sche Pro­gres­sis­mus zer­setzt damit alle grund­le­gen­den Kon­zep­te des christ­li­chen Glau­bens. (…) In unse­rem Land bil­det der Ter­cer­mun­dis­mo nicht die ein­zi­ge, aber die wich­tig­ste Vari­an­te der inter­na­tio­na­len pro­gres­si­sti­schen Orga­ni­sa­ti­on. Sei­ne weit­ge­hend gehei­me Orga­ni­sa­ti­on und Metho­dik bil­det eine ‚Par­al­lel­kir­che‘, die ver­sucht, die Chri­sten in den Dienst einer sozia­len Revo­lu­ti­on mar­xi­sti­scher Prä­gung zu stellen.“

Sache­ri weiter:

„Die katho­li­sche Kir­che wird heu­te aus ihrem Inne­ren her­aus bedrängt durch Grup­pen, die zum Teil legi­ti­me For­de­run­gen erhe­ben, um ihre Ziel­grup­pen zu errei­chen, aber auf ern­ste Wei­se die inne­re Ein­heit der Gläu­bi­gen gefähr­den und durch die Ver­brei­tung dok­tri­nel­ler Irr­tü­mern die Gei­ster ver­wir­ren, und damit ihren Glau­ben und ihren apo­sto­li­schen Eifer schwächen.“

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: InfoCatolica/​Wikicommons/​Youtube

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