(Rom) Während in Rom die Jugendsynode tagt, erwarten manche mit einigem Bangen das Schlußdokument, denn bestimmte Kirchenkreise rüsten immer lautstarker zum Angriff auf den Zölibat. Der priesterliche Zölibat soll, geht es nach diesen Kreisen, bei der Amazonassynode im Oktober 2019 in Frage gestellt werden. Bei der Jugendsynode wollen einige dafür schon Vorarbeit leisten.
Papst Franziskus gab die Parole aus, eine „Kirche mit amazonischen Wurzeln“ zu wünschen. Die kryptische Formulierung verlangt, wie so manches in seinem Pontifikat, zunächst einmal nach Entschlüsselung. Der wahrscheinlich in diesem Zusammenhang passendste Schlüssel zum Verständnis des amtierenden Papstes ist eine Enthüllung seines Vertrauten, Erzbischof Bruno Forte, der Redaktionsverantwortlicher für das Schlußdokument der Familiensynode 2015 war.
Vor drei Jahren ging es um die Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zu den Sakramenten, eine Neuerung, die nicht minder revolutionär ist wie die Neuausrichtung des Priestersakraments. 2014/2016 wurde Hand an das Ehesakrament gelegt, nun soll Hand an das Weihesakrament gelegt werden. Franziskus wolle, nach eigenem Bekunden, „nur“ Prozesse anstoßen, die aber sollen irreversibel sein. Wie Erzbischof Forte im Mai 2016 enthüllte, erteilte ihm Papst Franziskus den Auftrag, die wiederverheirateten Geschiedenen im Schlußdokument nicht zu erwähnen. Seine Begründung? „Sonst machen die uns einen Casino [Wirbel]“. Mit „die“ meinte Franziskus die Verteidiger des Ehesakraments. Mit anderen Worten: Die vom Papst angestrebten Ziele, da brisant, sollen aus taktischen Gründen nicht erwähnt werden, um keinen Widerstand zu provozieren bzw. diesem keine direkten Angriffsflächen zu bieten. Diese Methode wurde im Zusammenhang mit der Familiensynode bereits als unehrlich und eines Papstes unwürdig kritisiert (siehe dazu: Wenn Franziskus etwas Neues will, sagt er es nicht klar und deutlich).
Umweg Amazonas für Zölibatsabschaffung und Frauenpriestertum
Die Amazonassynode bietet die Möglichkeit zu einer ähnlichen Verschleierung. Manche sind überzeugt, daß sie überhaupt nur erfunden wurde, um das Weihesakrament in die Mangel zu nehmen. Die Abschaffung des Zölibats für Priester ist eine Forderung, die während des Zweiten Vatikanischen Konzils auftauchte. Progressive Kirchenkreise des Westens, die mit dieser Forderung bisher gescheitert sind, unternehmen einen neuen Anlauf. Da sie von der Vergangenheit gelernt haben, versuche sie es nicht mehr direkt, sondern über den Amazonas.
Eine Vielzahl von Indizien legt die geradezu zwingende Vermutung nahe, daß dieselbe Methode, von der Erzbischof Forte sprach, auch bei der Sondersynode zur Anwendung kommen soll. Erst recht gilt das, wenn man den Aussagen und Ankündigungen von Verfechtern einer Zölibatsabschaffung folgt. Lange Zeit hielten sie sich verborgen und bestritten. Seit Herbst 2016, seit Franziskus die Einberufung der Amazonassynode bekanntgab, werden ihre Forderungen immer deutlicher und lautstarker formuliert. Die Forderungen kommen vor allem aus Westeuropa und nicht aus dem Amazonas, schon gar nicht von den dortigen Indios, um die es offiziell gehen soll.
Die Abschaffung des Zölibats und die Zulassung verheirateter Männer zur Priesterweihe sind nur ein Punkt auf der Agenda für ein „anderes“ Priestertum. Die Schaffung „neuer Ämter“ ist ein weiterer Punkt. Gemeint ist die Zulassung von Frauen zum Weihesakrament. Da mit Ausnahme der Taufe alle anderen Sakramente vom Weihesakrament abhängen und die Kirche hierarchisch verfaßt ist, steht und fällt die Kirche mit diese Sakrament.
Kardinal Marx will durch Zölibatsaufweichung die Seminare füllen
Die jüngsten Vorstöße gegen den priesterlichen Zölibat und für ein „anderes“ Priestertum kommen aus der Bundesrepublik Deutschland, aus Belgien und aus Österreich.
Am vergangenen Freitag, den 5. Oktober, sprach Kardinal Marx an der Päpstlichen Universität Gregoriana. Im Zusammenhang mit dem sexuellen Mißbrauchsskandal durch Kleriker zog er, laut Kritikern, punktgenau die falschen Schlüsse und forderte eine Diskussion über „Machtmißbrauch und Klerikalismus, Sexualität und Sexualmoral, Zölibat und Ausbildung der Priester“. Die Sünde und die Verantwortung der Täter für ihre Verbrechen blieben ausgeklammert. „Der Zölibat“, sei zwar „nicht die Ursache für Mißbrauch, das ist absolut nicht der Fall“, dennoch gehöre er auf den Prüfstand. Wie für progressive Kirchenkreise gewohnt, sollen strukturelle Veränderungen „Lösungen“ bringen.
Es würde ihn, so Kardinal Marx, jedenfalls nicht wundern, wenn die Jugendsynode zum Schluß käme, daß es „eine Vielzahl an Berufungen zum Priestertum gibt, die bereit sind die Seminare zu füllen unter der Bedingung, daß der Zölibat abgeschafft wird.“
Der Verweis stellt eine Kampfansage dar, allemal eine Ankündigung, daß Kardinal Marx als Synodale – vom Papst persönlich ernannt – auf solche Schlußfolgerungen hinarbeiten wird. Der Verweis ist zudem verführerisch. Er könnte gerade im Westen für progressive, aber auch mediokre Bischöfe verlockend sein, deren Priesterseminare leerstehen.
Belgische Bischofskonferenz „für verheiratete Priester“
Ein weiterer Vorstoß kommt aus Belgien. Gestern, den 10. Oktober, veröffentlichte die Internetseite der Belgischen Bischofskonferenz einen Artikel mit der Überschrift:
„Verheiratete Männer, die zum Priestertum berufen sind? Die belgischen Bischöfe sind dafür“.
Bei der Jugendsynode in Rom zeigt sich Msgr. Jean Kockerols, Weihbischof von Mecheln-Brüssel, am Mittwoch überzeugt, daß verheiratete Männer „positiv auf einen Ruf zum Priestertum reagieren“ würden. Seine Aussage sieht der Weihbischof als Beitrag zum Thema „Berufung“ der Jugendsynode.
Der Sprecher der Belgischen Bischofskonferenz, der Jesuit Tommy Scholtes, sagte auf Presseanfrage, daß Kockerols seine Stellungnahme vorher allen Bischöfen zukommen hatte lassen. Man könne daher sagen, daß er „im Namen der Bischofskonferenz“ gesprochen habe, so Scholtes. Kockerols wurde von der Bischofskonferenz als Synodale nach Rom entsandt.
Der von Papst Franziskus eingesetzt Primas von Belgien, der Erzbischof von Mecheln-Brüssel, Jozef De Kesel, den Franziskus auch zum Kardinal machte, hatte sich bereits am 8. Mai 2016, wenige Monate nach seiner Ernennung, für die Abschaffung des Zölibats ausgesprochen.
Paulo Süss und die kirchlichen Alt-68er
Der Österreichische Rundfunk strahlte ebenfalls gestern in der Sendung Praxis – Religion und Gesellschaft auf Radio Ö1 den Beitrag „Amazonien: Schauplatz einer Bischofssynode mit Sprengkraft?“ aus. In der Ankündigung zur Sendung hieß es:
„Es sollen auch Themen behandelt werden, die die gesamte katholische Kirche weltweit betreffen. Erwartet wird etwa auch eine Debatte über eine eventuelle Lockerung des Zölibats und damit die Zulassung sogenannter ‚viri probati‘, verheirateter Männer mit Lebenserfahrung, zum Priesteramt. Dazu ein Interview mit dem deutschen Befreiungstheologen Paulo Suess, der seit Jahrzehnten in Lateinamerika tätig ist.“
Paulo Suess, in Wirklichkeit Paul Günther Süss aus Gundelfingen, ist seit den 60er Jahren in Brasilien tätig. Er steht auf politisch so linken und kirchlich so modernistischen Positionen, daß er selbst von Kardinal Claudio Hummes, als dieser noch Erzbischof von Sao Paulo war, gemaßregelt wurde. Das ist aber lange her. Heute versteht man sich wieder, und um genau zu sein, verstand man sich immer. Die Rede ist, daß Hummes Kündigung „strategisch“ gewesen sei. Hummes ist ein persönlicher Freund des Papstes und aufgrund seines Ranges die eigentliche treibende Kraft in Sachen Amazonassynode.
Suess zeigte sich im Radio-Interview überzeugt, daß die Amazonas-Priester in jeder Gemeinde problemlos „vier oder fünf Männer“ zu benennen wüßten, „die Eucharistie feiern“ könnten. Man brauche sie nur „zu ordinieren“. Das sei „kein Problem“. Man könne das „sofort“ machen.
Auch zu den Frauen sieht Suess nicht nur Handlungsbedarf, sondern auch Möglichkeiten. Man könnte mit den „Diakonissen“ beginnen, wobei er offensichtlich „Diakoninnen“ meinte. Zentral sei, so der Befreiungstheologe, daß der Papst „mutige Vorschläge von der Basis“ und „regionale“ Lösungen will.
Die Sendungsmoderatorin sagte in der Abmoderation: Es sei „kaum verwunderlich“, angesichts der Aussagen von Suess, der sich dabei auf Papst Franziskus berief, daß „allein schon die Ankündigung“ über eine „Lockerung des Zölibats“ und die „Zulassung von Frauen“ zum Weihesakrament nachdenken zu wollen, „konservative Kreise“ auf den Plan rufe, die „zu verhindern versuchen, daß auf dieser Sondersynode [Amazonassynode] die Entwicklung in diese Richtung gehen wird“.
Die Analyse klingt auf den ersten Blick neutral. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind in Wirklichkeit Partei. Die einseitige Auswahl von Themen, Interview- und Studiogäste bedeutet eine massive Manipulation der öffentlichen Meinung und eine Einmischung in innerkirchliche Angelegenheiten – und das schon seit vielen Jahren. Wer nicht links oder progressiv ist, wird im besten Fall als „ultrakonservativ“ beschimpft – oder schlimmer. Über glaubens- und kirchentreue Katholiken wird im öffentlichen Rundfunk nur geredet. Sie dürfen aber nicht selber zu Wort kommen.
Zölibat und Weihepriestertum sind seit Ende der 60er Jahre Hauptangriffspunkte der Modernisten. Die ergrauten Akteure der kirchlichen 68er-Generation, wie Suess, Bischof Kräutler und Kardinal Hummes, führen heute den damals verlorenen Kampf fort. Sie sind Getriebene, denn sie wissen, es ist wahrscheinlich ihre letzte Chance.
Text. Giuseppe Nardi
Bild: CathoBel/Vatican.va/MiL (Screenshots)