(Rom) Die Frage des Priestermangel, der Abschaffung des Zölibats als Voraussetzung für das Priestertum und die Zulassung verheirateter Männer zur Priesterweihe werden jüngst wieder mit besonderer Insistenz diskutiert. In der gestrigen Ausgabe der Tageszeitung La Vanguardia veröffentlichte deren Rom-Korrespondent, Eusebio Val, auf zwei ganzen Seiten eine umfangreiche Reportage mit dem Titel „Die Stunde der verheirateten Priester?“ Eine Reportage, die interessante Stimmen zu Wort kommen läßt.
La Vanguardia, die größte Tageszeitung Kataloniens, berichtete dabei auch auch über die Positionen zweier führender Vatikanisten, von Sandro Magister und Marco Tosatti, die beide dem Pontifikat von Papst Franziskus kritisch gegenüberstehen. Beide vertreten die Ansicht, daß der argentinische Papst zwar betont, daß die Abschaffung des Zölibats „keine Lösung“ für den Priestermangel sei, aber gleichzeitig in seinem Umfeld Wege zur Überwindung des Priestermangels prüfen läßt, die eine Aufhebung des Priesterzölibats vorsehen.
Die Tageszeitung zitiert den Vatikanisten Sandro Magister zu Papst Franziskus:
„Er spricht immer auf zweideutige Weise. Das darf uns gar nicht wundern. Das ist sein Stil. Die Zweideutigkeit öffnet einen Spalt, um über etwas diskutieren zu können, und ihm, um dann am Ende darüber entscheiden zu können.“
Nicht weniger kritisch äußerte sich Marco Tosatti. Papst Franziskus trage nicht dazu bei, Priesterberufungen zu fördern und den Priestermangel zu beheben:
„Es scheint mir offensichtlich, daß es von diesem Papst keinen Ansporn für junge Männer (Richtung Priestertum) gibt. Die Zahlen sagen das, und über Zahlen kann man nicht diskutieren.“
Gerade der Tradition verbundene Orden und Gemeinschaften, „wie zum Beispiel die Franziskaner der Immakulata oder die Priesterbruderschaft der heiligen Apostel haben viele Berufungen“. Doch genau sie „werden aber heute von ihrem Bischof oder dem Papst angegriffen“.
Und weiter:
„Wenn sich junge Männer sich ihnen [diesen Orden und Gemeinschaften] anschließen, und du haust ihnen eins über den Kopf, dann kannst du nicht erwarten, daß Berufungen an anderen Stellen erwachsen.“
Für beide Vatikanisten, so La Vanguardia, geht es bei der Frage, wie der Priestermangel behoben werden kann, nicht darum die Lehre der Kirche „zu liberalisieren oder zu relativieren, sondern um das genaue Gegenteil“. Die jungen Menschen, die eine Berufung verspüren, meinen es ernst und wollen ernstgenommen werden. Sie wollen in der Kirche nicht das gleiche, das sie auch anderswo finden können. Sie verpflichten sich ein Leben lang. Sie müssen das für etwas tun, das sich lohnt und nicht bloß für einen allgemeinen Diskurs von Güte und Solidarität. Sie suchen mehr und das finden sie derzeit nicht. Das scheint mir offensichtlich.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL/Blog do Fernando (Screenshot)