Das Interview mit Leo XIV. – die Analyse

Synodalität, LGBT, Proselytismus, Frauenweihe, überlieferter Ritus


Papst Leo XIV. beim Gespräch mit der US-Journalistin Elise Ann Allen (Crux), das zur Grundlage des Gesprächsbuchs: "Leo XIV. Weltbürger und Missionar des 21. Jahrhunderts" wurde.
Papst Leo XIV. beim Gespräch mit der US-Journalistin Elise Ann Allen (Crux), das zur Grundlage des Gesprächsbuchs: "Leo XIV. Weltbürger und Missionar des 21. Jahrhunderts" wurde.

Von Cami­nan­te Wanderer*

Anzei­ge

Ich kann mich ein­fach nicht dar­an gewöh­nen, daß Päp­ste Inter­views geben. Eigent­lich wür­de ich es vor­zie­hen, wenn sie die­ses For­mat ganz ver­mei­den wür­den, und ich hof­fe nur, daß Leo XIV. nicht Gefal­len dar­an fin­det, sodaß wir am Ende wöchent­li­che Inter­views bekom­men, so wie es bei sei­nem ver­stor­be­nen Vor­gän­ger der Fall war. Aber da wir nun schon eine pon­ti­fi­ka­le Stel­lung­nah­me die­ser Art haben, wol­len wir sehen, was sich dar­über sagen läßt.

I. Der Papst ist katholisch

Zunächst ein­mal, wie ich im vor­he­ri­gen Arti­kel bereits sag­te, ist klar, daß der Papst katho­lisch ist: 

„Ich glau­be fest an Jesus Chri­stus, und das ist mei­ne Prio­ri­tät, denn ich bin der Bischof von Rom und Nach­fol­ger Petri, und der Papst muß den Men­schen hel­fen zu ver­ste­hen, beson­ders den Chri­sten, den Katho­li­ken, daß genau das unser Wesen ist. […] Aber ich habe kei­ne Angst zu sagen, daß ich an Jesus Chri­stus glau­be, der am Kreuz gestor­ben ist und von den Toten auf­er­stan­den ist, und daß wir gemein­sam dazu beru­fen sind, die­se Bot­schaft zu teilen.“ 

Ich weiß, er wie­der­holt hier die Grund­la­gen des Kate­chis­mus, aber wir kom­men aus der Erfah­rung mit Fran­zis­kus, der so etwas nie gesagt hat, son­dern eher das Gegen­teil davon zum Aus­druck brach­te oder andeu­te­te. Leo XIV. ist katho­lisch und glaubt, anders als sein Vor­gän­ger, an unver­än­der­li­che Wahrheiten:

„Ich weiß nicht, ob ich eine ande­re Ant­wort habe, als den Leu­ten wei­ter­hin zu sagen, daß es die Wahr­heit gibt, die authen­ti­sche Wahr­heit. Ich habe wenig Ver­ständ­nis dafür, wenn ich höre, wie Leu­te sagen: ‚Das ist eine alter­na­ti­ve Fak­ten­la­ge‘, etwas, das wir in der Ver­gan­gen­heit oft gehört haben.“ 

Ich wäre ver­sucht, wenn ich einen Glocken­turm bei mir zuhau­se hät­te, sofort die Glocken läu­ten zu las­sen. Seit der Zeit Bene­dikts XVI. haben wir kei­ne so kla­ren und katho­li­schen Aus­sa­gen mehr gehört.

Aber abge­se­hen davon, katho­lisch zu sein, weiß Leo XIV. auch sehr genau, was sein munus, sein Amt, ist:

„Papst zu sein, dazu beru­fen, ande­re im Glau­ben zu bestär­ken, was der wich­tig­ste Teil ist, ist auch etwas, das nur durch die Gna­de Got­tes gesche­hen kann; es gibt kei­ne ande­re Erklä­rung. Der Hei­li­ge Geist ist die ein­zi­ge Art, das zu erklä­ren. […] Ich hof­fe, ande­re im Glau­ben bestär­ken zu kön­nen, denn das ist die grund­le­gen­de Auf­ga­be des Nach­fol­gers Petri.“

Wir hören hier die klas­si­sche Leh­re über das Papst­tum wie­der, und dar­über hin­aus schließt er aus­drück­lich die Phan­ta­sien eini­ger kürz­lich amtie­ren­der Pon­ti­f­e­xe aus, die sich für „Exper­ten in Sachen Mensch­lich­keit“ hiel­ten, wie Paul VI., oder für „Exper­ten in Kli­ma­to­lo­gie und Migra­ti­on“, wie Fran­zis­kus. Papst Leo XIV. sagt: 

„Ich sehe nicht, daß mei­ne Haupt­auf­ga­be dar­in besteht, der Pro­blem­lö­ser der Welt zu sein. So sehe ich mei­ne Rol­le über­haupt nicht.“ 

Und er sieht sie nicht so, weil sei­ne Rol­le, sein Amt, sein munus dar­in besteht, uns im Glau­ben zu bestärken.

II. Die Synodalität

Auf die Fra­ge der Jour­na­li­stin nach der von Papst Fran­zis­kus ein­ge­lei­te­ten Syn­oda­li­tät ver­si­chert der Pon­ti­fex, daß er die­sen Weg wei­ter­ge­hen wird, erklärt aber ohne viel Umschwei­fe, daß das, was er unter Syn­oda­li­tät ver­steht, nichts ande­res ist als das, was die Kir­che über vie­le Jahr­hun­der­te prak­ti­ziert hat: allen zuzu­hö­ren. Das waren und sind die öku­me­ni­schen Kon­zi­li­en. So sehr, daß das Kon­zil von Tri­ent (ja, das von Tri­ent) Luther ein­ge­la­den hat, um dort zu spre­chen. Die­ser kam nicht, schick­te aber sei­nen Dele­gier­ten Melan­chthon. Wie gesagt, mir gefiel nicht, daß der Papst James Mar­tin SJ oder die Schwe­ster Caram (die völ­lig ver­rückt ist) emp­fan­gen hat, aber das war lan­ge Zeit die übli­che Vor­ge­hens­wei­se der Kir­che. Ob Ari­us beim Kon­zil von Nicäa gehört wur­de, ist nicht gesi­chert, aber sein Freund Euse­bi­us von Niko­me­di­en war anwe­send und ver­trat sei­ne Ideen. Nesto­ri­us nahm aktiv am Kon­zil von Ephe­sus (431) teil, und Maka­ri­os von Antio­chi­en ver­tei­dig­te per­sön­lich den Mono­the­li­tis­mus auf dem Drit­ten Kon­zil von Kon­stan­ti­no­pel (680–681). Noch ein­mal: Mir gefällt das Bild von Mar­tin oder Caram mit Leo XIV. nicht, aber vor Jahr­hun­der­ten hät­te ich ähn­li­che Bil­der gese­hen, mit weit gefähr­li­che­ren Häre­ti­kern als der leicht­fer­ti­gen Domi­ni­ka­ne­rin oder dem wei­chen Martin.

Des­halb besteht Syn­oda­li­tät, so wie Leo sie ver­steht, nicht dar­in, „zu ver­su­chen, die Kir­che in eine Art demo­kra­ti­sche Regie­rung zu ver­wan­deln, denn wenn wir uns vie­le Län­der der Welt heu­te anschau­en, ist Demo­kra­tie nicht not­wen­di­ger­wei­se eine per­fek­te Lösung für alles“. Wenn wir das Zau­ber­wort hören, mit dem der alte und ver­stor­be­ne Jesu­it die Leu­te bezau­ber­te, müs­sen wir wis­sen, daß sein Nach­fol­ger über ganz ande­re Din­ge spricht.

III. Der Proselytismus

Ein wei­te­rer Unter­schied zu frü­he­ren Pon­ti­fi­ka­ten ist, daß Leo XIV. vie­le Jah­re Mis­sio­nar in Peru war, und wir wis­sen alle, daß nach dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil und vor allem mit dem „Magi­steri­um“ von Fran­zis­kus Mis­sio­na­re oft nicht die Auf­ga­be hat­ten, das Evan­ge­li­um zu pre­di­gen: Pro­se­ly­tis­mus war ver­bo­ten, und zwar nicht nur in Mis­si­ons­län­dern, son­dern auch in ehe­mals christ­li­chen Län­dern. Tat­säch­lich ken­ne ich meh­re­re Fäl­le, in denen fran­zö­si­sche und spa­ni­sche Prie­ster die Auf­nah­me von Kon­ver­ti­ten aus dem Islam oder christ­li­chen Sek­ten ver­wei­gert haben. Leo XIV. hin­ge­gen fei­ert die­se Hin­wen­dung von Jugend­li­chen und Erwach­se­nen zur Tau­fe und zum Glauben: 

„Gestern habe ich mich mit einer Grup­pe jun­ger Fran­zo­sen getrof­fen. Im letz­ten Jahr haben tau­sen­de jun­ge Erwach­se­ne frei die Tau­fe gesucht. Sie wol­len zur Kir­che kom­men, weil sie gemerkt haben, daß ihr Leben leer ist, oder ihnen etwas fehlt, oder daß es kei­nen Sinn hat, und sie ent­decken neu etwas, das die Kir­che zu bie­ten hat.“ 

Und was sie zu bie­ten hat, ist nicht mehr und nicht weni­ger als Jesus Chri­stus, an den er glaubt. Die Ver­än­de­rung, auch wenn sie sub­til vor­ge­tra­gen wird, ist grundlegend.

IV. Die Weihe von Frauen

Dazu sagt er: 

„Ich hof­fe, den Schrit­ten von Fran­zis­kus zu fol­gen, ein­schließ­lich der Ernen­nung von Frau­en in bestimm­te Füh­rungs­po­si­tio­nen auf ver­schie­de­nen Ebe­nen im Leben der Kir­che, indem ihre Gaben und ihr Bei­trag auf viel­fäl­ti­ge Wei­se aner­kannt werden.“ 

Und ohne dem The­ma aus­zu­wei­chen, stellt er klar, daß das eigent­li­che Pro­blem ist, ob Frau­en das Wei­he­sa­kra­ment emp­fan­gen kön­nen. Er denkt nicht ein­mal dar­an, sich die Exi­stenz von Frau­en als Prie­ste­rin­nen vor­zu­stel­len, son­dern spricht von Dia­ko­nin­nen. Und er bringt sub­til ein Ad-homi­nem-Argu­ment vor, das in weni­gen Wor­ten besagt: 

„Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil hat das stän­di­ge Dia­ko­nat wie­der­her­ge­stellt, und in vie­len Diö­ze­sen gibt es stän­di­ge Dia­ko­ne, und trotz­dem fra­gen wir uns immer noch, was sie sind und wozu sie dienen.“ 

Ergo, laßt uns kei­ne Dia­ko­nin­nen weihen.

Aber der deut­lich­ste Satz dazu lautet: 

„Ich habe momen­tan nicht die Absicht, die Leh­re der Kir­che zu die­sem The­ma zu ändern.“ 

Das heißt, solan­ge ich Papst bin, wird es kei­ne Dia­ko­nin­nen geben. Was an die­ser Stel­le und auch beim Homo-The­ma auf­fällt, ist die For­mu­lie­rung „momen­tan“; es ist ver­ständ­lich, daß das Unzu­frie­den­heit her­vor­ruft, und vie­le, mei­ner Ansicht nach zu Unrecht, anneh­men, die­se For­mu­lie­rung impli­zie­re zwangs­läu­fig, daß der Papst in Zukunft eine Ände­rung die­ser Leh­re in Betracht zie­hen könn­te. Ich den­ke das nicht. Sehen wir es rein logisch: Leo XIV. ist schließ­lich Mathe­ma­ti­ker. Die For­mu­lie­rung beschränkt die Ver­nei­nung („Ich habe nicht die Absicht“) auf die Gegen­wart (t), ohne sie auf zukünf­ti­ge Zeit­punk­te (t’) aus­zu­deh­nen. Wenn die Aus­sa­ge ¬I(y, C, t) lau­tet (wobei I „die Absicht zu ändern“ bedeu­tet, y der Spre­cher, C die Leh­re und t der gegen­wär­ti­ge Zeit­punkt ist), dann betont „momen­tan“, daß die Ver­nei­nung nur für t gilt, der Zustand in t’ aber offen bleibt. Die kon­tro­ver­se For­mu­lie­rung macht die Aus­sa­ge zu einer tem­po­ra­len Kon­di­tio­na­len: ∀t’ (t’ = t → ¬I(y, C, t’)), wobei t die Gegen­wart ist. Sie trifft kei­ne Aus­sa­ge über t’ ≠ t.

Bedeu­tet die­se Aus­sa­ge, daß der Papst glaubt, die Leh­re wer­de sich künf­tig ändern? Nein. Logisch gese­hen impli­ziert sie kei­ne Erwar­tung eines Wech­sels. Die For­mu­lie­rung ist neu­tral bezüg­lich der Über­zeu­gun­gen des Pon­ti­fex zur Zukunft; sie läßt nur die logi­sche Mög­lich­keit eines Wech­sels (oder Nicht-Wech­sels) in t’ offen, ohne eine kon­kre­te Über­zeu­gung zu for­mu­lie­ren. Logisch folgt nicht, daß Leo XIV. an P (die Absicht zu ändern) für t’ glaubt, denn ¬I in t führt nicht zu einer Erwar­tung von I in t’.

Wenn wir die Über­zeu­gung des Pap­stes aus­klam­mern, bedeu­tet das, daß ein Wech­sel erfol­gen wird? Nein. Es besteht kei­ne logi­sche Impli­ka­ti­on, daß ein Wech­sel in der Zukunft statt­fin­det. Die For­mu­lie­rung behaup­tet weder zukünf­ti­ge Aktio­nen noch deren Ver­nei­nung; sie beschreibt nur das Feh­len der Absicht in t. Logisch bedeu­tet ¬I(y, C, t) nicht I(y, C, t’) noch die tat­säch­li­che Durch­füh­rung des Wech­sels (wofür nicht nur Absicht, son­dern auch Fähig­keit und Hand­lung nötig wären).

Aus logi­scher Sicht kann dem Papst also kei­ne Aus­sa­ge oder Annah­me über eine zukünf­ti­ge Ände­rung der Leh­re bezüg­lich des weib­li­chen Dia­ko­nats oder der Akzep­tanz homo­se­xu­el­ler Hand­lun­gen zuge­schrie­ben wer­den. Daß die Logik uns dies sagt, bedeu­tet jedoch nicht, daß die For­mu­lie­rung nicht pro­ble­ma­tisch ist, weil vie­le leicht zu einer ungül­ti­gen Schluß­fol­ge­rung kom­men kön­nen, wie es tat­säch­lich gesche­hen ist. War­um hat der Papst sie dann benutzt? Ich sehe zwei Mög­lich­kei­ten: Ent­we­der er glaubt tat­säch­lich, daß sich die katho­li­sche Leh­re ändern könn­te, oder er woll­te die Aus­sa­ge abmil­dern, um die Femi­ni­stin­nen, die ihn umge­ben, zu beru­hi­gen. Wel­che der bei­den Optio­nen stimmt, weiß nur er, aber wie gesagt, Leo XIV. ist katho­lisch, wes­halb ich eher an die zwei­te Mög­lich­keit glau­be. Es ver­steht sich von selbst, daß es eine Nai­vi­tät typisch US-ame­ri­ka­ni­scher Art ist, zu glau­ben, mit die­ser Aus­sa­ge wür­den sich die Wogen glät­ten. Es beru­higt nie­man­den, denn die Femi­ni­stin­nen sind wütend, eben­so wie die Homo-Gemein­schaft, die eher zor­nig ist über das, was der Papst gesagt hat. Ein Blick auf die neue­sten Posts von Spe­co­la und die dort berich­te­ten Nach­rich­ten über die aktu­el­len Hyste­rien des „femi­ni­sti­schen Kol­lek­tivs“ und des „LGBT-Kol­lek­tivs“ genügt. Leo XIV. spricht in dem Inter­view zu allen Katho­li­ken und hat die „Sor­ge“, mei­ner Mei­nung nach ver­geb­lich, nie­man­den – zumin­dest nicht zu sehr – zu belei­di­gen. Und das Ergeb­nis ist, daß er alle ver­är­gert. Aber das Wesent­li­che ist, daß es logisch kei­nen Grund gibt anzu­neh­men, die­se Aus­sa­ge spie­ge­le eine Mei­nung des Pap­stes über zukünf­ti­ge Ände­run­gen der Leh­re in so sen­si­blen und heik­len Fra­gen wider.

Und für uns ist es beru­hi­gend zu wis­sen, daß es für eine sehr lan­ge Zeit – man erwar­tet ein lan­ges Pon­ti­fi­kat – kei­ne dra­ma­ti­schen Ver­än­de­run­gen geben wird, die wahr­schein­lich zum Schis­ma füh­ren wür­den. Wie ein Kom­men­ta­tor zum vor­he­ri­gen Arti­kel sag­te: „Wir haben Zeit gewon­nen.“ Und dar­auf sind wir Argen­ti­ni­er gut vorbereitet.

V. Zu den LGBT

Kom­men wir zum The­ma LGBT. Ich gebe zu, daß mir die­se Abkür­zun­gen unan­ge­nehm sind, aber ich benut­ze sie ein­fach wegen ihrer Prak­ti­ka­bi­li­tät beim Ver­fas­sen eines Artikels.

Der Papst beginnt auf die Fra­ge der Jour­na­li­stin hin mit einer kla­ren Aussage: 

„Es erscheint mir sehr unwahr­schein­lich, zumin­dest in naher Zukunft, daß sich die Leh­re der Kir­che in bezug auf Sexua­li­tät und Ehe ändert.“ 

Sehr deut­lich, und zu der ver­wir­ren­den For­mu­lie­rung „in naher Zukunft“ haben wir bereits oben aus­führ­lich Stel­lung genom­men. Kurz dar­auf bekräf­tigt er noch einmal: 

„Die Leh­re der Kir­che wird so blei­ben, wie sie ist, und das ist das, was ich im Moment dazu sagen kann. Ich hal­te das für sehr wichtig.“

Und ande­rer­seits erin­nert er an die tra­di­tio­nel­le Lehre: 

„Fami­li­en müs­sen unter­stützt wer­den, das, was man die tra­di­tio­nel­le Fami­lie nennt. Die Fami­lie besteht aus Vater, Mut­ter und Kin­dern. Die Rol­le der Fami­lie in der Gesell­schaft, die in den letz­ten Jahr­zehn­ten gelit­ten hat, muß aner­kannt und wie­der gestärkt werden.“ 

Und er betont: 

„Die Fami­lie ist ein Mann und eine Frau in einem fei­er­li­chen Bund, geseg­net im Sakra­ment der Ehe. Aber schon wenn ich das sage, weiß ich, daß man­che das falsch ver­ste­hen werden.“ 

Er weiß, daß es den LGBTQ nicht gefal­len wird, aber er sagt es ihnen trotz­dem ganz offen.

Was vie­le am mei­sten ver­wirrt hat, ist eine wei­te­re Aus­sa­ge zum Thema: 

„Was ich zu sagen ver­su­che, ist das, was Fran­zis­kus sehr klar gesagt hat, als er sag­te: ‚Alle, alle, alle.‘ Alle sind eingeladen.“ 

Doch hier gibt es einen fun­da­men­ta­len Unter­schied: Wäh­rend Fran­zis­kus kei­ne Bedin­gun­gen stell­te, sodaß sei­ne Wor­te als bedin­gungs­lo­se Auf­nah­me ver­stan­den wur­den, die nahe am Rela­ti­vis­mus war, ver­wen­det Papst Leo eine reli­giö­se Spra­che, die die Bedeu­tung des­sen, was Fran­zis­kus sag­te, umkehrt: 

„Ich lade aber kei­ne Per­son ein, weil sie eine bestimm­te Iden­ti­tät hat oder nicht. Ich lade eine Per­son ein, weil sie Sohn oder Toch­ter Got­tes ist.“ 

Das heißt, man tritt der Kir­che nicht bei, indem man sich als schwul, bise­xu­ell oder trans defi­niert und ver­langt, daß alle einen so akzep­tie­ren. Wir haben schon anders­wo gesagt, daß es für die katho­li­sche Leh­re kei­ne anthro­po­lo­gi­sche Kate­go­rie „Homo­se­xu­el­le“ gibt, und es ist eine Fal­le, die­se Lüge zu über­neh­men. Es gibt Män­ner und Frau­en, die Ver­su­chun­gen ent­ge­gen dem Sech­sten Gebot mit Per­so­nen des­sel­ben Geschlechts haben, genau­so wie es Men­schen gibt, die ver­sucht sind, Arme zu unter­drücken oder Arbei­ter beim Lohn zu betrü­gen – alle die­se Fäl­le sind Ver­su­chun­gen, die, wenn sie sich ver­wirk­li­chen, Sün­den dar­stel­len, die zum Him­mel schrei­en. Gott ruft alle durch sei­ne Kir­che ohne Eti­ket­tie­rung, aber die­se alle sol­len sich auch nicht selbst eti­ket­tie­ren, um erkannt zu wer­den und stolz auf ihre Ver­su­chun­gen und Sün­den zu sein, die auf dem Eti­kett ste­hen. In die Kir­che tritt man als Geschöpf ein, das Erlö­sung braucht. Kind Got­tes zu sein bedeu­tet, daß die welt­li­chen Kate­go­rien in der Suche nach Hei­lig­keit trans­for­miert wer­den. Und genau das sagt Papst Leo: „Ich lade eine Per­son ein, weil sie Sohn oder Toch­ter Got­tes ist“, das heißt, weil sie sich von der Gna­de hat ver­wan­deln las­sen und ein neu­er Mensch ist.

Um die­se Idee zu ver­stär­ken, spart er nicht mit einer kla­ren Ansa­ge an die Deut­schen und Belgier:

„Im Nor­den Euro­pas ver­öf­fent­licht man bereits Ritua­le, um ‚Per­so­nen zu seg­nen, die sich lie­ben‘, so drücken sie es aus, was aus­drück­lich gegen das Doku­ment ver­stößt, das Papst Fran­zis­kus geneh­migt hat, Fidu­cia supplicans.“ 

Er sagt ihnen: „Das dürft ihr nicht tun“, als War­nung: „Wenn ihr nicht damit auf­hört, wer­de ich es verbieten.“

Vie­le sehen dar­in eine Bestä­ti­gung von Fidu­cia sup­pli­cans. Ich sehe jedoch eine klu­ge tak­ti­sche Bewe­gung eines Kano­ni­sten. Er sagt ihnen nicht, daß die Ritua­le an sich falsch sind, indem er sich auf den Liber Gomorrhia­nus des hei­li­gen Petrus Dami­an stützt – das hät­te kei­ne Wir­kung gehabt. Er beruft sich viel­mehr auf ein aktu­el­les und gel­ten­des Doku­ment; sie – die Deut­schen – haben kei­ne Argu­men­te, es wei­ter­hin zu tun. Das ist die­sel­be Tak­tik, mit der man Mon­si­gno­re Colom­bo oder Mon­si­gno­re Loza­no wider­legt, wenn sie die knien­de Mund­kom­mu­ni­on ver­bie­ten, näm­lich mit dem Mis­sa­le Roma­num von Paul VI., das mir zwar nicht gefällt, aber eben gül­tig ist, und nicht mit den Tex­ten von Pius V. oder Kar­di­nal Otta­via­ni, denn die Argu­men­ta­ti­on wür­de bei letz­te­ren kei­ne Wir­kung entfalten.

VI. Die traditionelle Messe

Kom­men wir zum letz­ten The­ma: die tra­di­tio­nel­le Mes­se. Der Pon­ti­fex sagt: 

„Es gibt ein wei­te­res The­ma, das auch umstrit­ten ist, und zu dem ich bereits meh­re­re Bit­ten und Brie­fe erhal­ten habe: die Fra­ge, wie die Leu­te immer wie­der die [Wieder-]Einführung der Mes­se in Latein erwäh­nen. Nun, man kann die Mes­se jetzt schon auf Latein fei­ern. Wenn es die Mes­se des Zwei­ten Vati­ka­nums ist, gibt es kein Pro­blem. Offen­sicht­lich bin ich mir nicht sicher, wohin das gehen wird, wenn man die triden­ti­ni­sche Mes­se und die Mes­se von Paul VI. gegen­über­stellt. Es ist offen­sicht­lich sehr kompliziert.“

Im ersten Absatz möch­te ich eini­ge Punk­te her­vor­he­ben. Erstens, es geht um den Aus­druck „Latin Mass“, mit dem sich eng­lisch­spra­chi­ge Men­schen fälsch­li­cher­wei­se auf die tra­di­tio­nel­le Mes­se bezie­hen. Der Papst sagt, wenn es sich um eine „Mes­se in Latein“ im all­ge­mei­nen han­delt, kön­ne es sich um die Mes­se von Paul VI. han­deln, die auf Latein gefei­ert wird, „und das sei kein Pro­blem“. Das Pro­blem ist, daß es selbst dann Pro­ble­me gibt. Wir haben kürz­lich erwähnt, daß meh­re­re argen­ti­ni­sche Bischö­fe ihren Gläu­bi­gen ver­bie­ten, auf den Knien zu kom­mu­ni­zie­ren, und schlim­mer noch, es wird ver­bo­ten, in ihren Pfarr­mes­sen auf Latein zu sin­gen. Jeder kann sich vor­stel­len, was mit einem Prie­ster pas­sie­ren wür­de, der auf die Idee käme, die Mes­se auf Latein zu zele­brie­ren, auch wenn es der Novus Ordo ist. Ent­we­der weiß der Papst nicht, was tat­säch­lich in einem gro­ßen Teil der katho­li­schen Welt geschieht, oder er ver­sucht „den Hasen zu beschäf­ti­gen“, also das The­ma zu umgehen.

Aber das tut er nicht, son­dern spricht die Sache direkt an: 

„Ich den­ke, manch­mal waren die soge­nann­ten ‚Abusus‘ [Miß­bräu­che] der Lit­ur­gie der Mes­se des Zwei­ten Vati­ka­nums nicht hilf­reich für Men­schen, die eine tie­fe­re Erfah­rung des Gebets, der Begeg­nung mit dem Geheim­nis des Glau­bens such­ten, die sie in der Fei­er der triden­ti­ni­schen Mes­se zu fin­den glaub­ten. Noch ein­mal, wir sind pola­ri­siert, sodaß wir sagen: ‚Nun, wenn wir die Lit­ur­gie des Zwei­ten Vati­ka­nums rich­tig fei­ern, fin­dest du wirk­lich so einen gro­ßen Unter­schied zwi­schen die­ser und jener Erfahrung?‘“

Hier sehe ich zwei Pro­ble­me: Die Miß­bräu­che der Mes­se des Zwei­ten Vati­ka­nums waren nicht nur für eine bestimm­te Grup­pe von Men­schen (die eine tie­fe­re Erfah­rung des Gebets und des Kon­takts mit dem Geheim­nis des Glau­bens such­ten) nicht hilf­reich, son­dern für alle Katho­li­ken, für die römi­sche Lit­ur­gie und für die Kir­che selbst schäd­lich. Ein Abusus [Miß­brauch] kann nie nütz­lich sein und darf nie zuge­las­sen wer­den. Und es scheint – und ich beto­ne den Kon­di­tio­nal – daß Leo eine Lösung anbie­tet: „Fei­ern wir die Mes­se von Paul VI. fromm und das Pro­blem ist gelöst.“

In die­sem Bereich muß man nicht wei­ter aus­füh­ren, daß das kei­ne Lösung ist. Viel­leicht kann der Papst das eigent­li­che Pro­blem nicht erken­nen und redu­ziert den gan­zen Streit auf eine Fra­ge unter­schied­li­cher pie­ti­sti­scher Emp­find­lich­kei­ten? Das ist wahr­schein­lich und nicht überraschend.

Eine sehr klu­ge Freun­din war beson­ders wütend über die­se Aus­sa­ge: „Leo XIV. ver­steht nicht, daß Lit­ur­gie etwas Emp­fan­ge­nes ist und Teil der Tra­di­ti­on und des­halb nicht von einer Grup­pe Bes­ser­wis­ser oder einem Papst refor­miert wer­den kann.“ Genau das sag­te auch Papst Bene­dikt XVI. Aber das Pro­blem ist, daß die­sen wich­ti­gen und sen­si­blen Punkt weder Paul VI., der die Reform auto­ri­sier­te, noch Johan­nes Paul II., der sie festig­te, noch Fran­zis­kus, der sie als ein­zi­gen Weg der Lex oran­di eta­blier­te, ver­stan­den haben. Noch mehr, ich wage zu sagen, weil ich es gehört habe, daß auch ein Teil der Mit­glie­der der Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius X. und der Prie­ster­bru­der­schaft St. Petrus das nicht ver­steht, für die gilt, „wenn die Reform der Mes­se von einem ortho­do­xen Papst gemacht wor­den wäre, sie sie akzep­tiert hät­ten“, so wie sie die Refor­men von Pius XII. und Johan­nes XXIII. akzep­tiert haben. Es erscheint mir daher unge­recht, von Papst Leo, der in der schlimm­sten Theo­lo­gie der 70er Jah­re aus­ge­bil­det wur­de, Klar­heit in einem Punkt zu ver­lan­gen, den nicht ein­mal die Anhän­ger der Tra­di­ti­on selbst besit­zen, geschwei­ge denn sei­ne unmit­tel­ba­ren Vorgänger.

Er endet mit einer guten Nach­richt, ja, einer sehr guten Nachricht: 

„Ich hat­te noch nicht die Gele­gen­heit, wirk­lich mit einer Grup­pe von Men­schen zusam­men­zu­sit­zen, die sich für den triden­ti­ni­schen Ritus ein­set­zen. Bald wird sich die Gele­gen­heit bie­ten, und ich bin sicher, daß es Gele­gen­hei­ten geben wird, dar­über zu spre­chen. Aber das ist ein The­ma, bei dem wir, viel­leicht auch mit der Syn­oda­li­tät, zusam­men­kom­men und reden müs­sen. Es ist zu einem The­ma gewor­den, das so pola­ri­siert, daß die Leu­te oft nicht bereit sind, ein­an­der zuzuhören.“

Eini­ge Hart­näcki­ge haben dies über­se­hen, ohne zu bemer­ken, daß es eine Neu­ig­keit ist, die die Situa­ti­on der Ver­tei­di­ger der über­lie­fer­ten Mes­se radi­kal ver­än­dern könn­te. Der Papst setzt die Syn­oda­li­tät, wie er sie ver­steht, als Zuhö­ren ein. Wäh­rend Fran­zis­kus sich mit den Obe­ren der Petrus­bru­der­schaft und des Insti­tuts Chri­stus König und Hohe Prie­ster getrof­fen hat, waren das kei­ne „syn­oda­len“ Tref­fen, und damit mei­ne ich Tref­fen, die dar­auf abziel­ten, die Grün­de der ande­ren zu hören, um eine Ent­schei­dung über ein kon­kre­tes Pro­blem zu tref­fen. Die Ent­schei­dung hat­te er schon vor­her mit Tra­di­tio­nes cus­to­des getrof­fen – eben­so wie Johan­nes Paul II. mit Eccle­sia Dei, bevor er den Obe­ren der neu­ge­grün­de­ten Petrus­bru­der­schaft emp­fing. Ich den­ke, daß die ein­zi­ge „syn­oda­le“ Begeg­nung eines Pap­stes zum The­ma der tra­di­tio­nel­len Lit­ur­gie das Tref­fen war, das Paul VI. am 11. Sep­tem­ber 1976 mit Mon­si­gno­re Mar­cel Lefeb­v­re hat­te – vor fast fünf­zig Jah­ren – und die­ses Tref­fen dau­er­te nur 38 Minu­ten. Vor­her­seh­ba­rer­wei­se brach­te es nichts.

Kon­kret sagt ein Papst nach 50 Jah­ren, daß er eine Ver­samm­lung der­je­ni­gen ein­be­ru­fen wird, die die über­lie­fer­te Lit­ur­gie unter­stüt­zen und ver­tei­di­gen, um ihnen zuzu­hö­ren und eine Lösung zu fin­den. Die vor­he­ri­gen Päp­ste lie­ßen sich von Mit­glie­dern ihrer Kurie bera­ten, um zu ent­schei­den; Leo will alle anhö­ren. Ich weiß nicht, wie der Mecha­nis­mus die­ses Tref­fens sein wird und wer ein­ge­la­den wird, aber allein die Tat­sa­che, daß Leo XIV. sich öffent­lich ver­pflich­tet, eines ein­zu­be­ru­fen, hal­te ich für eine Neu­ig­keit, die wir nur begrü­ßen können.

Im gro­ßen und gan­zen scheint mir das Inter­view gut und viel­ver­spre­chend zu sein. Es wird Din­ge geben, die uns weni­ger gefal­len, und ande­re, die uns über­haupt nicht gefal­len, aber das recht­fer­tigt kei­nes­wegs die infa­me Behaup­tung, Papst Leo sei ein ‚Fran­zis­kus mit guten Manie­ren‘. Er ist katho­lisch; der Ver­stor­be­ne war es nicht.

*Cami­nan­te Wan­de­rer ist ein argen­ti­ni­scher Phi­lo­soph und Blogger.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Crux/​Youtube (Screen­shot)

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

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