
Am gestrigen Montag, dem 23. Juni 2025, empfing Papst Leo XIV. erstmals den Großmeister des Souveränen Malteserordens, Fra‘ John T. Dunlap, mit der Ordensleitung in Audienz. Die Begegnung fand nach dem Protokoll statt, das üblicherweise katholischen Staatsoberhäuptern vorbehalten ist. Allein dies markierte schon eine deutliche Abgrenzung zum vorangegangenen Pontifikat. Der Heilige Vater erschien zur Audienz in Mozzetta und Stola – ein sichtbares Zeichen für die institutionelle wie auch geistliche Bedeutung der Begegnung. Die Ordensleitung wiederum war in Uniform erschienen, nicht mehr im bürgerlichen Anzug, wie es unter Papst Franziskus der Fall war.
Es war das erste offizielle Zusammentreffen zwischen dem ältesten Ritterorden der Welt und dem neugewählten Kirchenoberhaupt. Während der Audienz übermittelte Großmeister Fra‘ Dunlap dem Papst die Grüße und die uneingeschränkte Bereitschaft des Ordens zur Zusammenarbeit mit dem erneuerten Heiligen Stuhl. In seiner Ansprache brachte er seine „Verehrung und volle Verbundenheit“ zum Ausdruck und würdigte die Ehre, daß Leo XIV. bereits in seiner Zeit als Kardinal dem Orden angehört hatte – eine Tatsache, die die geistliche Verbindung zwischen beiden Institutionen vertiefe.
Der Souveräne Malteserorden, der auf eine beinahe tausendjährige Geschichte zurückblicken kann, vereint seinen religiösen Charakter mit humanitärer und diplomatischer Tätigkeit in über 120 Ländern weltweit.
Die Geste, den Großmeister mit den päpstlichen Insignien zu empfangen, die üblicherweise für Staatsbesuche reserviert sind, rief auch den souveränen Status des Ordens in Erinnerung – ein Status, der durch diplomatische Beziehungen zu mehr als 100 Staaten und zum Heiligen Stuhl unterstrichen wird. Der Orden ist ein eigenständiges Völkerrechtssubjekt. Genau dieser Status war unter Papst Franziskus massiv in Frage gestellt worden. Franziskus hatte den damaligen 79. Großmeister und Fürsten, Fra’ Matthew Festing, zum Rücktritt gezwungen und den Orden de facto unter kommissarische Aufsicht gestellt, um den einfluß- und vermögensstarken Orden in eine von Santa Marta gewünschte Richtung zu lenken. Diese Richtung war dabei weniger durch klare Inhalte als vielmehr durch politische Gefälligkeiten und Formen des Klientelismus geprägt.
Die Krise des Ordens nahm Ende 2016 ihren Lauf, als Papst Franziskus in internen Spannungen Partei für ihm nahestehende Mitglieder des Ordens ergriff. Der damalige Großmeister Festing hatte den Großkanzler des Ordens entlassen, der in der Verwaltung humanitärer Programme in schwerwiegender Weise von der katholischen Morallehre abgewichen war – insbesondere durch die Duldung der Verteilung von Verhütungsmitteln. Der entlassene Kanzler wandte sich an Santa Marta – und erhielt überraschenderweise die volle Rückendeckung des Papstes. Franziskus setzte daraufhin Festing ab und installierte den entlassenen Kanzler wieder in seinem Amt. Von einer Souveränität des Ordens konnte fortan keine Rede mehr sein.
In den Konflikt geriet auch Kardinal Raymond Burke, Bergoglios Hauptfeind im Kardinalskollegium. Burke war von Franziskus als Präsident des Obersten Gerichtshofs der Apostolischen Signatur abgesetzt und als Kardinalprotektor zum Malteserorden abgeschoben worden. Dort unterstützte der Kardinal, wie es seine Aufgabe war, Großmeister Festing und kam dadurch erneut Franziskus in die Quere. Franziskus beließ ihm zwar sein Amt, setzte jedoch einen zusätzlichen päpstlichen Delegaten ein, auf den alle Vollmachten übergingen (siehe Kardinal Burke wehrt sich gegen „Verleumdung“ – Wer verstehen will, was im Vatikan geschieht, muß hinter die Kulissen blicken).
Mit seinen Eingriffen übernahm Papst Franziskus faktisch selbst die Leitung des Ordens und forcierte Reformen, die die über Jahrhunderte gewachsene Struktur und Autonomie des Ritterordens veränderten. Damit wurden nicht nur Fragen der äußeren Souveränität, sondern auch der inneren Identität aufgeworfen – und führten zu tiefgreifenden Spannungen, die auch durch anonyme Plakate in Rom zum Ausdruck gebracht wurden.
Aus dem Orden selbst stammt auch der Autor der international vielbeachteten Streitschrift Der Diktatorpapst, die unter dem Pseudonym Marcantonio Colonna erschien und später als Werk des englischen Ritters Henry Sire identifiziert wurde. Sires Mitgliedschaft im Orden wurde suspendiert – ein Zustand, der bis heute andauert.
Mittlerweile steht mit dem 81. Großmeister und Fürsten bereits der zweite Nachfolger des von Franziskus abgesetzten Großmeisters an der Spitze des Ordens, da der erste Nachfolger, kurz nach seiner Wahl, im Jahr 2020 verstorben ist. 2021 verstarb auch Fra‘ Festing und ließ sich auf der Insel Malta begraben, nach der sich der Orden benennt. Der Orden heißt eigentlich Johanniterorden. Da in der Zeit der Reformation ein Teil des Ordens jedoch verlorenging und der rein zivile Orden in den protestantischen Ländern den ursprünglichen Namen usurpierte, benannte sich der rechtmäßige katholische Orden zur Unterscheidung nach der Mittelmeerinsel, auf der er bis zu Napoleon Europa vor der islamischen Bedrohung verteidigte. Über diese Verteidiger Europas dreht Mel Gibson gerade einen Film an den Originalschauplätzen.
Die gestrige Audienz stand im Zeichen der Aussöhnung. Sie war eine Geste des Respekts und der Wiederannäherung, die innerhalb des Ordens mit sichtlicher Erleichterung und tiefer Genugtuung aufgenommen wurde.
Unmittelbarer Anlaß für die Audienz war das Fest von Johannes dem Täufer, dem Namenspatron des 1099 gegründeten Ritterordens, dessen Ursprünge in einer 1048 gegründeten Bruderschaft am Hospital vom Heiligen Johannes zu Jerusalem liegen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va (Screenshot)