Warten auf den weißen Rauch

Die Kirche braucht einen heiligen Papst


Weißer Rauch, der 2013 aus der Sixtinische Kapelle aufstieg
Weißer Rauch, der 2013 aus der Sixtinische Kapelle aufstieg

Von Rober­to de Mat­tei*

Wäh­rend wir auf den wei­ßen Rauch über der Six­ti­ni­schen Kapel­le war­ten, fra­gen wir uns: Was wer­den die ersten Wor­te sein, die der neue Papst von der Log­gia des Peters­doms aus spre­chen wird? „Brü­der und Schwe­stern, guten Abend“, wie Papst Fran­zis­kus, oder „Gelobt sei Jesus Chri­stus“, wie Johan­nes Paul II.? Oder eine For­mel wie die von Bene­dikt XVI., der zunächst sag­te: „Nach dem gro­ßen Papst Johan­nes Paul II. haben die Kar­di­nä­le mich gewählt, einen ein­fa­chen und beschei­de­nen Arbei­ter im Wein­berg des Herrn“, und dann hin­zu­füg­te: „In der Freu­de des auf­er­stan­de­nen Herrn, im Ver­trau­en auf sei­ne stän­di­ge Hil­fe, laßt uns vor­an­schrei­ten. Der Herr wird uns hel­fen, und Maria, sei­ne hei­li­ge Mut­ter, wird auf unse­rer Sei­te sein“?

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Sicher­lich wer­den die Wor­te und Gesten, mit denen der künf­ti­ge Papst sein Pon­ti­fi­kat eröff­nen wird, bereits eine Ten­denz erken­nen las­sen und dem Sensus fidei des katho­li­schen Vol­kes ein erstes Ele­ment der Unter­schei­dung bie­ten. Wird der vom Kar­di­nals­kol­le­gi­um gewähl­te Papst, wel­chen Namen er auch immer tra­gen wird, in die Fuß­stap­fen von Fran­zis­kus tre­ten oder sich von des­sen Pon­ti­fi­kat abset­zen, das nach Ansicht vie­ler eine Kata­stro­phe für die Kir­che darstellte?

Die Kan­di­da­tur des Staats­se­kre­tärs von Papst Fran­zis­kus, Pie­tro Paro­lin, wirft in die­ser Hin­sicht ern­ste Pro­ble­me auf. In der Tat ist es in der Neu­zeit mit Aus­nah­me von Pius XII. noch nie vor­ge­kom­men, daß ein Staats­se­kre­tär Papst wur­de, weil die Papst­wäh­ler im all­ge­mei­nen bei ihrer Wahl beto­nen wol­len, daß sich jedes Pon­ti­fi­kat vom vor­he­ri­gen unter­schei­det. Die Über­nah­me des päpst­li­chen Amtes durch den ehe­ma­li­gen Staats­se­kre­tär stellt hin­ge­gen das größt­mög­li­che Ele­ment der Kon­ti­nui­tät zwi­schen dem alten und dem neu­en Papst dar, da es unwei­ger­lich zu einer gewis­sen Osmo­se zwi­schen dem Papst und sei­nem ersten Mit­ar­bei­ter kommt. Wenn dies der Fall ist, wird das Kon­kla­ve kurz sein. Wenn im Gegen­teil die Kan­di­da­tur von Kar­di­nal Paro­lin, die von den gro­ßen Medi­en unter­stützt wird, schei­tert, ist ein lan­ges Kon­kla­ve zu erwar­ten, in dem die ver­schie­de­nen Ten­den­zen, die es heu­te in der Kir­che gibt, offen zuta­ge tre­ten werden.

Wie wür­den die Mas­sen­me­di­en auf ein Kon­kla­ve reagie­ren, das 50 Tage dau­ern wür­de wie jenes von Gre­gor XVI. oder drei­ein­halb Mona­te wie das von Pius VII.? Ein Kon­kla­ve schon von 36 Tagen wie bei der Wahl von Bene­dikt XIII. oder von 26 Tagen wie bei der Wahl von Hadri­an VI. wür­de wahr­schein­lich aus­rei­chen, um Druck und media­le Inter­fe­ren­zen bis in die Six­ti­ni­sche Kapel­le her­vor­zu­ru­fen. Aber der Hei­li­ge Geist, der der Geist der Wahr­heit ist, drängt die Papst­wäh­ler unter den Kar­di­nä­len nicht.

Wer auch immer der neue Papst sein wird, das erste grund­le­gen­de The­ma, mit dem er sich befas­sen wird müs­sen, ist das der Gerech­tig­keit. Die Beto­nung der Barm­her­zig­keit im Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus hat in der Tat zu einem Ver­lust nicht nur der Bedeu­tung der Gerech­tig­keit, son­dern auch ihrer prak­ti­schen Aus­übung inner­halb der Kir­che geführt.

Die Kir­che ist eine sozia­le Rea­li­tät, die äuße­re Nor­men ver­langt und postu­liert, mit den dem Recht eige­nen Merk­ma­len. Die Gesamt­heit der ver­schie­de­nen Geset­ze und Regeln, die in der katho­li­schen Kir­che gel­ten, bil­det das kano­ni­sche Recht, das natür­lich nichts mit dem Recht der demo­kra­ti­schen Ord­nun­gen zu tun hat, da sowohl die Grund­la­ge sei­ner Macht als auch sei­ne Aus­übung unter­schied­lich sind.

Das Recht steht der Will­kür ent­ge­gen, die eine Fol­ge der Auf­ga­be des Rechts­cha­rak­ters der Kir­che ist. In den Jah­ren des Kon­zils und der Nach­kon­zils­zeit wur­de ein anti­ju­ri­di­scher Kampf von Theo­lo­gen geführt, die behaup­te­ten, die Näch­sten­lie­be dem Recht ent­ge­gen­zu­set­zen. Aber die „Kir­che der Näch­sten­lie­be“, die des objek­ti­ven Boll­werks des Rechts beraubt ist, läuft Gefahr, sich in eine Struk­tur zu ver­wan­deln, in der sich der Stär­ke­re durch­setzt. Ein Bei­spiel dafür ist, was unter dem Pon­ti­fi­kat von Fran­zis­kus bei vie­len Ordens­ge­mein­schaf­ten gesche­hen ist. Auf die Ent­sen­dung eines Kom­mis­sars folg­te oft ein Dekret zur Auf­he­bung oder voll­stän­di­gen Reform des Insti­tuts, ohne ange­mes­se­ne Begrün­dung, in der soge­nann­ten „spe­zi­fi­schen Form“, d. h. mit päpst­li­cher Geneh­mi­gung, ohne eine Berufungsmöglichkeit.

Selbst gegen ein­zel­ne Prie­ster wird häu­fig nicht das gericht­li­che Ver­fah­ren, son­dern das mit dem neu­en Gesetz­buch von 1983 ein­ge­führ­te Ver­wal­tungs­straf­ver­fah­ren ein­ge­setzt. Die Fol­ge ist eine justi­tia­li­sti­sche Pra­xis, bei der das Gesetz, das ein Instru­ment der Wahr­heit sein soll­te, zu einem Instru­ment der Macht gewor­den ist, und zwar von denen, die es beherr­schen. Daher auch die Vor­wür­fe gegen Papst Fran­zis­kus, er habe sei­ne Macht will­kür­lich ausgeübt.

Das Pro­blem der Gerech­tig­keit betrifft auch das Han­deln des Pap­stes in einem schwie­ri­gen inter­na­tio­na­len Umfeld. Im Ange­sicht des Krie­ges hat sich die Stim­me der Päp­ste immer erho­ben, um zum Frie­den auf­zu­ru­fen, aber um wah­ren Frie­den zu erlan­gen – so lehr­te Pius XII. –, muß das natio­na­le und inter­na­tio­na­le Leben „von Chri­stus als sei­nem uner­läß­li­chen Fun­da­ment aus­ge­hen, von der Gerech­tig­keit ver­wirk­licht und von der Lie­be gekrönt wer­den“ (Enzy­kli­ka Sum­mi Pon­ti­fi­ca­tus vom 20. Okto­ber 1939).

All­ge­mei­nes Bedau­ern über den Krieg und abstrak­te Frie­dens­ap­pel­le rei­chen nicht aus. „Frie­den um jeden Preis“, so erin­ner­te uns Pius XII. in sei­ner Radio­bot­schaft an die Welt vom 24. Dezem­ber 1948, för­dert die Sicher­heit derer, die Aggres­sio­nen vor­be­rei­ten. Das Lehr­amt der Kir­che lehrt, daß die tie­fen und wah­ren Ursa­chen des Krie­ges gei­sti­ger und mora­li­scher Natur sind und auf die Ver­let­zung der natür­li­chen und christ­li­chen Ord­nung zurück­ge­hen: mit einem Wort, auf die Abkehr vom Gesetz Got­tes. Nur die Ach­tung des Natur­rechts und die Bekeh­rung zu Chri­stus kön­nen der Welt den Frie­den und der Kir­che die Ehre zurückgeben.

Sucht zuerst das Reich Got­tes und sei­ne Gerech­tig­keit, so wird euch alles ande­re dazu­ge­ge­ben“ (Mt 6,31–33). Die­se Wor­te des Evan­ge­li­ums sind ein Lebens­pro­gramm für jeden Men­schen und kön­nen es auch für ein Pon­ti­fi­kat sein. Die gött­li­che Gerech­tig­keit ist die Ord­nung der Din­ge auf Erden und im Him­mel, wobei alles auf Gott bezo­gen und geord­net wer­den soll. Gott ist natür­lich nicht nur unend­lich gerecht, son­dern auch unend­lich barm­her­zig, und es gibt kein gött­li­ches Urteil, dem nicht Barm­her­zig­keit inne­wohnt, eben­so wie es kei­nen Aus­druck gött­li­cher Barm­her­zig­keit gibt, dem nicht eine tie­fe Gerech­tig­keit inne­wohnt. Das viel­leicht schön­ste Bei­spiel für die­se Umar­mung von Gerech­tig­keit und Barm­her­zig­keit wird uns durch das Sakra­ment der Buße gege­ben, in dem der Sün­der gerich­tet und frei­ge­spro­chen wird. Das größ­te Anlie­gen des Pon­ti­fi­kats von Papst Fran­zis­kus, das in der Ermah­nung Amo­ris lae­ti­tia zum Aus­druck kommt, scheint dar­in zu bestehen, mög­lichst vie­le Men­schen zum Sakra­ment der Eucha­ri­stie zu füh­ren. Es ist nun not­wen­dig, die Bedeu­tung des Buß­sa­kra­ments zu erläu­tern, das die Reue über die eige­nen Sün­den vor­aus­setzt, ohne die man nicht zur Men­sa eucha­ri­sti­ca kom­men kann.

Was wir vom näch­sten Papst am mei­sten ver­lan­gen müs­sen, ist die Hei­lig­keit, die ein Wesens­merk­mal der Kir­che ist. In Zei­ten des all­ge­mei­nen Unbe­ha­gens und der Ver­wir­rung, schreibt Pater Gar­ri­gou-Lagran­ge in sei­nem Mei­ster­werk „Des Chri­sten Weg zu Gott – Asze­tik und Mystik nach den drei Stu­fen des geist­li­chen Lebens“, ist es not­wen­dig, daß jeder von uns an das eine Not­wen­di­ge denkt und den Herrn um Hei­li­ge bit­tet, die nur aus die­sem Gedan­ken leben und die die gro­ßen Impuls­ge­ber sind, die die Welt braucht. Dom Pro­sper Gué­ran­ger drückt es nicht anders aus, wenn er in „Der christ­li­che Sinn der Geschich­te“ schreibt, daß Gott in sei­ner unend­li­chen Gerech­tig­keit und Barm­her­zig­keit den ver­schie­de­nen Epo­chen Hei­li­ge schenkt oder beschließt, sie nicht zu schen­ken, sodaß man das Ther­mo­me­ter der Hei­lig­keit braucht, um den Zustand der Nor­ma­li­tät einer Epo­che oder einer Gesell­schaft zu mes­sen. Die Hei­lig­keit eines Pap­stes ist jedoch an die Aus­übung sei­ner Regie­rung gebun­den. In die­sem Sin­ne war zum Bei­spiel Coele­stin V. zwar ein Hei­li­ger, aber kein hei­li­ger Papst, im Gegen­satz zu Pius V., Pius X. und vie­len ande­ren Päp­sten, die die ihnen anver­trau­te uni­ver­sa­le Her­de mit heroi­scher Tugend geführt haben.

Wir brau­chen einen kom­pro­miß­lo­sen, in Leh­re und Moral inte­gren Papst, der in der Lage ist, die Kir­che mit Festig­keit und über­na­tür­li­chem Geist zu lei­ten. Es ist zu hof­fen, daß das Ther­mo­me­ter der Hei­lig­keit, in die­sem Sin­ne ver­stan­den, in der Six­ti­ni­schen Kapel­le eine hohe Tem­pe­ra­tur errei­chen wird. Aber ein voll­stän­dig katho­li­scher Papst wür­de genü­gen. Andern­falls wer­den alle Pro­ble­me explo­die­ren, ange­fan­gen bei den ersten Wor­ten des neu­en Pap­stes, die er von der Segens­log­gia des Peters­doms aus, spre­chen wird.

*Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt in deut­scher Über­set­zung: Ver­tei­di­gung der Tra­di­ti­on: Die unüber­wind­ba­re Wahr­heit Chri­sti, mit einem Vor­wort von Mar­tin Mose­bach, Alt­öt­ting 2017, und Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil. Eine bis­lang unge­schrie­be­ne Geschich­te, 2. erw. Aus­ga­be, Bobin­gen 2011.
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Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana

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