Der argentinische Blogger Caminante Wanderer lädt angesichts der desolaten Lage, in der sich die Kirche, insbesondere ihre Hierarchie, befindet, zu einem Gedankenspiel ein, das ein Wunschtraum sein mag, dessen Realisierbarkeit er jedoch am Beispiel des argentinischen Staats- und Regierungschefs Javier Milei aufzeigt, über dessen Programm in Europa kaum jemand etwas ungefiltert erfährt. Was wider Erwarten durch Milei in Argentinien möglich wurde, könnte doch auch in der Kirche möglich werden. Hier der vollständige Text.
Das Lob der Torheit: der nächste Papst
Von Caminante Wanderer*
Erasmus von Rotterdam schrieb in seinem „Moriae Encomium“ („Lob der Torheit“), daß „das wahre Glück etwas ist, das nur die Torheit bieten kann“. Eine seiner Ideen ist, daß es einige Errungenschaften gibt, wie z. B. das Glück, die nur mit einem gewissen Maß an Torheit erreicht werden können. Oder anders ausgedrückt: Manche Errungenschaften oder Leistungen können nur von denen erreicht werden, die einen gewissen Grad an Wahnsinn besitzen.
Am 2. September des vergangenen Jahres habe ich einen Beitrag veröffentlicht, in dem ich meine ernsthaften Bedenken geäußert habe, daß Javier Milei aufgrund seiner Verrücktheit ein geeigneter Präsident sein könnte. Ich glaube nicht, daß ich mich in bezug auf das Vorhandensein dieser besonderen Eigenschaft geirrt habe, aber ich habe mich in bezug auf die Möglichkeit geirrt, daß er eine gute Regierung führen könnte, oder zumindest eine viel bessere Regierung, als wir alle trotz seines Wahnsinns erwartet hatten.
Betrachten wir den Fall aus einem anderen Blickwinkel: Nur ein Verrückter konnte in Argentinien, dem Mutterland des peronistischen Populismus, eine unerläßliche siebenprozentige Anpassung des BIP durchführen, in wenigen Monaten das Haushaltsdefizit beseitigen – zu dem Argentinien seit 70 Jahren verdammt war – und nicht nur den sozialen Frieden, sondern auch Zustimmungsraten von über 50 Prozent aufrechterhalten. Aber noch schockierender ist, daß nur ein Verrückter es wagen kann, das zu tun, was er in einem „Kulturkampf“, wie er es nennt, tut. Wer hätte gedacht, daß ein Machthaber es wagen würde, das INADI (Institut gegen Diskriminierung) oder das Frauenministerium zu schließen, mit der Begründung, daß sie keinen Zweck erfüllten und ihr einziges Ziel darin bestehe, linke Politik zu indoktrinieren? Und mehr noch: Wer kommt auf die Idee, die Außenpolitik Argentiniens, mit Ausnahme der Handelsbeziehungen, einer Gruppe von Beamten zu übertragen, die von den Medien als „Ultrakatholiken“ bezeichnet werden? Und diese Beamten haben sich nicht nur darauf beschränkt, Erklärungen abzugeben: Sie weigerten sich, die OAS-Erklärung von Asuncion zu unterzeichnen, was zur Folge hatte, daß mehrere Absätze, die den klimagrünen Unsinn enthielten, geändert werden mußten. Die argentinische Delegation zog sich zudem vom Klimagipfel in Baku zurück, weil sie die dahinter stehende Ideologie anprangerte. In der UN-Generalversammlung stimmte Argentinien gegen eine Resolution zum Schutz der Rechte indigener Völker (denn wir alle wissen, was das in Wirklichkeit bedeutet). Argentinien war das einzige G20-Land, das gegen eine Erklärung zur Gleichstellung der Geschlechter und zur Stärkung der Rolle der Frau stimmte (was immer mit Abtreibung und anderen Schandtaten zu tun hat). Und Präsident Milei selbst hat sich in der UN-Generalversammlung gegen Abtreibung, gegen die Herrschaft der globalen Eliten und gegen die Agenda 2030 ausgesprochen. Darüber hinaus wird die Regierung im Haushalt, der in diesen Tagen im Kongreß debattiert wird, NULL Dollar für die Finanzierung der Sexualerziehung in Schulen bereitstellen, eine der „Errungenschaften“, die von der peronistischen Linken besonders hochgehalten wird. Nur ein Verrückter wie Milei kann in der Lage sein, das zu tun, was viele von uns für unmöglich hielten, und nur ein Verrückter wie Trump wird in der Lage sein, Entscheidungen zu treffen, die uns genauso oder noch mehr zum Besseren überraschen werden als die von Milei.
Kurz gesagt: Ein Tor – sei es Milei, sei es Trump, und es werden sicher noch andere hinzukommen – ist in der Lage, das Ruder herumzureißen und in kürzester Zeit zu ändern, was festgefahren schien, und in wenigen Monaten Gebiete zurückzuerobern, von denen wir dachten, wir hätten sie längst verloren. Aber die Frage, die ich in diesem Beitrag stellen möchte, ist, ob wir eine Analogie zur Kirche herstellen können. Es versteht sich von selbst, daß die Krise in der Kirche ungeheuerlich ist, und wir Katholiken verzweifeln daran, daß es keine Lösung zu geben scheint, weil wir einigermaßen davon überzeugt sind, daß kein Kardinal in der Lage sein wird, nach seiner Wahl zum römischen Pontifex die drastischen Veränderungen vorzunehmen, die es zu tun gilt. Träumen wir aber für einen Moment vom Unmöglichen, wie wir es nicht nur während der abscheulichen Kirchner-Regierungen, sondern auch während der Regierung des bescheidenen Mauricio Macri geträumt haben. Stellen wir uns einen Papst vor, der, nachdem alle Amtsinhaber an der Römischen Kurie wie üblich ihren Rücktritt eingereicht haben, sie alle annimmt und Tucho als Gefängniskaplan nach Ushuaia am Beagle-Kanal nach Feuerland schickt (er würde sich sicher gut mit dem linksperonistischen Gouverneur Melella anfreunden, der 2019 erklärte, homosexuell zu sein); Arthur Roche als Bischof auf die Insel Juan Bravo schickt und alle anderen bergoglianischen Purpurträger als Missionare nach Nordkorea entsendet. Abbé Claude Barthe wird Präfekt des Dikasteriums für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, Kardinal Raymond Burke zum Präfekten für die Glaubenslehre und Kardinal Sarah zum Präfekten für die Bischöfe. Er sollte sofort alle argentinischen Bischöfe zum Rücktritt auffordern – wie Franziskus es mit den chilenischen Bischöfen getan hat –, dann den Rücktritt der Hälfte von ihnen akzeptieren und die wichtigsten Bischofssitze mit guten Priestern besetzen, die wir alle kennen und deren Namen wir hier nicht nennen wollen. Und dasselbe wird in Spanien getan, um die Priester der Sakristei der Vendée zu rehabilitieren, sie zu Bischöfen zu ernennen, und mit ihnen die Untragbaren zu ersetzen, die jetzt auf der Halbinsel bestimmen. Und dasselbe von Land zu Land. Der neue Papst erklärt die strittigen Punkte von Amoris laetitiae für ungültig, hört auf, von „Mutter Erde“ und der globalen Erderwärmung zu fabulieren und erklärt Fiducia supplicans für null und nichtig. Und wir könnten noch lange weiter von solchen Maßnahmen träumen. Und sicherlich würden wir ein paar Minuten später aufwachen, und in halber Verzweiflung ausrufen: „Genug von diesem Unsinn“ und weiter den Rosenkranz beten.
Ich behaupte, daß wir Argentinier im vergangenen Jahr ähnliche Wünsche hatten. Doch das Undenkbare ist geschehen: Viele dieser Sehnsüchte sind mehr oder weniger in Erfüllung gegangen, und viele andere werden sich in den kommenden Monaten weiter verwirklichen. Wie war das möglich? Was war die Bedingung dafür, daß diese vermeintlichen optimistischen Selbsttäuschungen in Erfüllung gehen konnten? Seltsamerweise kam ein Verrückter an die Macht. Und kehren wir zum Fall der Kirche zurück: Könnte in der Kirche etwas Ähnliches geschehen wie in Argentinien und in den Vereinigten Staaten? Würden die Kardinäle es wagen, einen Toren zu wählen, um die Kirche zu regieren, als letzten Ausweg, um ihre Selbstzerstörung zu verhindern? Aber was noch wichtiger ist: Gibt es ein Mitglied des Kardinalskollegiums, das zu einer solchen Torheit fähig ist?
Ich glaube, es gibt einen, und das ist Kardinal Gerhard Müller.
Einige gute Freunde werden sich ärgern und zu mir sagen: „Müller ist ein Moderner!“, „Nein, er ist ein Modernist!“, „Als er in der Glaubenslehre war, hat er sich nicht für die Tradis eingesetzt“, „Er zelebriert nur gelegentlich den überlieferten Ritus der heiligen Messe!“, „Er war ein Freund von Gustavo Gutierrez!“, „Er zelebriert den neuen Ritus!“, „Er konzelebriert!“ und andere Aussagen mit demselben Tenor. Das ist im übertragenen Sinn mehr oder weniger dasselbe, was andere gute Freunde über Milei sagen: „Er hat nicht die Keuschheit des heiligen Ludwig Gonzaga!“, „Er hat nicht den Glauben des heiligen Ludwig IX., König von Frankreich!“, „Er hat viele Juden in seine Regierung berufen!“, „Er hat ‚Liberalismus ist Sünde‘ von Sardà y Salvany nicht gelesen!“ Und sie haben Recht. Er ist all das und noch viel mehr, aber trotzdem tut Milei weit mehr für die Wiederherstellung der Grundsätze der westlichen Zivilisation als alle Präsidenten der letzten fünfzig Jahre. Warum also nicht die Möglichkeit offen lassen, daß ein Kardinal mit dem gleichen Grad an Torheit (oder Wagemut?) wie Milei das gleiche für die Kirche tun könnte?
*Caminante Wanderer, argentinischer Blogger und Philosoph
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Caminante Wanderer