Die EU hat ein blaues Auge

Was das EU-Wahlergebnis der Kirche sagen sollte


Die EU ging aus den EU-Parlamentswahlen am 10. Juni mit einem blauen Auge hervor
Die EU ging aus den EU-Parlamentswahlen am 10. Juni mit einem blauen Auge hervor

Das Ergeb­nis der Wah­len zum EU-Par­la­ment ist viel­schich­tig, so viel­schich­tig eben wie die EU-Rea­li­tät der 27 Mit­glieds­staa­ten. Eine Gesamt­schau ist daher sehr schwie­rig. Den­noch las­sen sich eini­ge Ele­men­te erken­nen, die auch die katho­li­sche Kir­che beden­ken sollte.

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Da steht an erster Stel­le der deut­li­che Rechts­ruck, wobei das rech­te Spek­trum sei­ner­seits recht inho­mo­gen ist. Gleich in meh­re­ren Staa­ten wur­den Rechts­par­tei­en erst­mals in der Nach­kriegs­ge­schich­te zur stärk­sten Kraft. Das gilt für die Frei­heit­li­che Par­tei Öster­reichs von Her­bert Kickl in Öster­reich, das Ras­sem­blem­ent Natio­nal von Mari­ne Le Pen in Frank­reich, die Fra­tel­li d’Italia von Gior­gia Melo­ni in Ita­li­en und den Vlaams Belang in Bel­gi­en. Dazu­zu­rech­nen sind auch die Nie­der­lan­de mit der Par­tij voor de Vri­jheid von Geert Wil­ders, deren erster Platz in den Tabel­len nur des­halb nicht erkenn­bar ist, weil Sozi­al­de­mo­kra­ten und Grü­ne mit einer gemein­sa­men Liste kan­di­dier­ten – und einen Ver­lust von mehr als acht Pro­zent hin­neh­men muß­ten. Vier die­ser Län­der gehö­ren zum Kern­raum, zu den sechs Grün­der­staa­ten der euro­päi­schen Eini­gung. Zu nen­nen ist natür­lich auch Ungarn, wo die Fidesz von Vik­tor Orbán ihren ersten Platz sou­ve­rän behaup­ten konnte.

In ande­ren Län­dern konn­ten christ­de­mo­kra­ti­sche und ande­re alt­bür­ger­li­che Par­tei­en den ersten Platz ver­tei­di­gen oder zurück­ge­win­nen, so die CDU/​CSU in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, der Part­ido Popu­lar in Spa­ni­en, die Nea Demo­kra­tia in Grie­chen­land, Fine Gail in Irland, die Christ­lich­so­zia­len in Luxem­burg und die Slovens­ka demo­k­rats­ka stran­ka in Slo­we­ni­en. Zwi­schen der ersten und der zwei­ten Grup­pe gibt es dabei erheb­li­che Brü­che, da erste­re oft erst durch den Nie­der­gang zwei­te­rer oder deren schritt­wei­ses Abrut­schen nach links ent­stan­den sind.

Als unmit­tel­ba­re Fol­ge des Wahl­tags wer­den bereits Ende Juni in Frank­reich Par­la­ments­neu­wah­len statt­fin­den und auch Bel­gi­ens Regie­rung ist noch am Wahl­abend zurück­ge­tre­ten. Glei­ches wür­de man sich ange­sichts des Wahl­de­ba­kels auch von der Ber­li­ner Ampel­re­gie­rung und der schwarz-grü­nen Bun­des­re­gie­rung in Wien erwar­ten. In bei­den Län­dern stimm­te nur mehr ein Drit­tel der Wäh­ler für die Regie­rungs­par­tei­en. Auch der spa­ni­schen Links­re­gie­rung von Pedro Sanchez wur­de von den Wäh­lern eine, betrach­tet man die knap­pen Wahl­er­geb­nis­se der ver­gan­ge­nen Jah­re, erstaun­lich deut­li­che Abfuhr erteilt.

Zwei Botschaften an die Kirche

Der ver­ord­ne­te Mul­ti­kul­tu­ra­lis­mus mit sei­ner unge­zü­gel­ten Ein­wan­de­rung und dem ersticken­den „Diversitäts“-Kult gefällt deut­li­cher weni­ger, als der Medi­en-Main­stream es pro­pa­giert. Die Wäh­ler haben ein Signal gegen die zer­set­zen­de Belie­big­keit und für mehr Iden­ti­tät gesetzt. Das ist ein erster Hin­weis, den auch die katho­li­sche Kir­che aus den Wahl­er­geb­nis­sen hören sollte.

Das Anwach­sen rech­ter Par­tei­en geht aller­dings nicht mit einer erkenn­ba­ren Rück­be­sin­nung auf die Kir­che ein­her. Der histo­ri­sche Gleich­schritt zwi­schen dem Wahl­ver­hal­ten, einer kon­ser­va­ti­ven Grund­hal­tung und der Stär­ke der Kir­che ist nicht mehr gege­ben. Die Rechts­wen­de erfolgt weit­ge­hend ohne die Kir­che. Die Men­schen, die sich rech­ten Par­tei­en zuwen­den, füh­len sich nicht nur von den bis­her regie­ren­den Par­tei­en nicht mehr ver­tre­ten, son­dern oft auch von der Kir­che im Stich gelas­sen. Sie hör­te ihnen nicht mehr zu, son­dern belehr­te sie oft nicht min­der pene­trant wie die Agit­prop-Abtei­lun­gen der „Staats­me­di­en“. Die Wäh­ler gehen daher ihren Weg allein. Das soll­te der zwei­te wich­ti­ge Hin­weis und ein Alarm­si­gnal für die Kir­che sein. Sie hat durch ihren Links­ruck ein Vaku­um ent­ste­hen las­sen, das sie ihrem Auf­trag gemäß fül­len soll­te. Und sie soll­te dar­in wirk­lich eine ech­te Chan­ce sehen, nach­dem sie die Coro­na-Chan­ce der offe­nen statt der vom Staat ver­rie­gel­ten Türen ver­spielt hat.

Berlin und Wien

Blickt man auf die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, zeigt die poli­ti­sche Land­kar­te ein zwei­ge­teil­tes Land, ein schwar­zes West­deutsch­land mit weni­gen grü­nen Ein­spreng­seln und ein blau­es Mit­tel­deutsch­land. Die AfD wur­de bun­des­weit zweit­stärk­ste Kraft und ist damit als Par­tei rechts der Uni­on defi­ni­tiv eta­bliert. Ihr ist eine Sen­sa­ti­on gelun­gen, die man vor weni­gen Jah­ren in jedem EU-Land, aber nicht in der BRD für mög­lich hielt.

Die Zwei­tei­lung des Lan­des scheint auch in der AfD vor­han­den zu sein, zwi­schen einer West-AfD, die sich eine Kohl-CDU der 80er Jah­re zurück­wünscht, und einer Ost-AfD, die eine sol­che Erfah­rung nicht kennt und die nach einer grund­le­gen­de­ren Wen­de sucht. Die Wei­ge­rung, ihren eige­nen Spit­zen­kan­di­da­ten Maxi­mi­li­an Krah, einen tra­di­ti­ons­ver­bun­de­nen Katho­li­ken, in die AfD-Dele­ga­ti­on im EU-Par­la­ment auf­zu­neh­men, ist auch Aus­druck die­ser inne­ren Dif­fe­ren­zen. Krah, der mit­ten im Wahl­kampf unter dem Vor­wand einer histo­risch kor­rek­ten, aber nicht poli­tisch kor­rek­ten Aus­sa­ge in Ungna­de gefal­len war, wird, wie es aus­sieht, als AfD-Ver­tre­ter außer­halb der AfD-Dele­ga­ti­on dem EU-Par­la­ment ange­hö­ren und damit in sei­nem par­la­men­ta­ri­schen Hand­lungs­spiel­raum ein­ge­schränkt sein. Da scheint das letz­te Wort aber noch nicht gespro­chen zu sein.

In Öster­reich, um ein Ele­ment her­aus­zu­grei­fen, schaff­te der Tiro­ler FPÖ-Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­te Gerald Hau­ser den Sprung ins EU-Par­la­ment, der sich in den ver­gan­ge­nen Jah­ren uner­müd­lich der Coro­na-Auf­klä­rung ver­schrie­ben hat­te. „Pfi­zer-Uschi“ wird sich über sol­che Neu­zu­gän­ge nicht freu­en, und das ist gut so. Hau­ser ist aus der Kir­che aus­ge­tre­ten, weil er sich von ihr im Stich gelas­sen fühl­te. Ein sol­cher Schritt auf­grund von poli­ti­schen Dif­fe­ren­zen ist eben­so bedau­er­lich wie hoch­dis­ku­ta­bel. Doch damit sym­bo­li­siert Hau­ser den beschrie­be­nen Bruch, der durch ein­sei­ti­ge poli­ti­sche Posi­tio­nie­run­gen der Kir­che ent­stan­den ist, und das soll­te in der kirch­li­chen Hier­ar­chie zu einem drin­gen­den Nach­denk­pro­zeß führen.

Für das Leben und die Familie

Je genau­er man das Ergeb­nis betrach­tet, desto mehr inter­es­san­te Details las­sen sich ent­decken. Nur eines sei noch erwähnt: Aus Ita­li­en zie­hen rund 20 Abge­ord­ne­te in das EU-Par­la­ment ein, die das Mani­fest Pro Vita & Fami­glia unter­zeich­net und damit eine Ver­pflich­tungs­er­klä­rung abge­ge­ben haben, sich mit ihrem Man­dat für das Lebens­recht der unge­bo­re­nen Kin­der und für den Schutz und die För­de­rung der Fami­lie und die Bil­dungs­frei­heit ein­zu­set­zen. Letz­te­res bezieht sich einer­seits auf die recht­li­che und finan­zi­el­le Gleich­be­hand­lung katho­li­scher Pri­vat­schu­len neben dem staat­li­chen Schul­we­sen und ande­rer­seits auf die Mög­lich­keit des Hausunterrichts.

Das Mani­fest für das Leben und die Fami­lie war von der Lebens­rechts- und Fami­li­en­be­we­gung Pro Vita & Fami­glia ver­öf­fent­licht und den Kan­di­da­ten über­mit­telt wor­den. Die Orga­ni­sa­ti­on wird im Lau­fe des Som­mers ein Büro in Brüs­sel eröff­nen, so ihr Spre­cher Jaco­po Cog­he, um von dort aus die Arbeit der Unter­zeich­ner und von Abge­ord­ne­ten aus ande­ren Län­dern zu unter­stüt­zen, zusam­men­zu­füh­ren und Ein­fluß auf die EU-Poli­tik zu nehmen.

„Die­se Euro­pa­wah­len lie­fern kla­re Signa­le“, so Cog­he, „näm­lich den deut­li­chen Rück­gang der pro­gres­si­ven Par­tei­en und die kla­re Bestä­ti­gung der kon­ser­va­ti­ven Par­tei­en, ein Zei­chen dafür, daß mehr und mehr Bür­ger der ideo­lo­gi­schen Poli­tik über­drüs­sig sind.“

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: pxhe​re​.com

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