Quis est iste rex gloriae? Wer ist der König der Herrlichkeit?

Geistlicher Vortrag von Erzbischof Carlo Maria Viganò


Jesus, der wahre König und Hohepriester, zieht in Jerusalem ein
Jesus, der wahre König und Hohepriester, zieht in Jerusalem ein

Erz­bi­schof Car­lo Maria Viganò hielt am ver­gan­ge­nen Sams­tag einen geist­li­chen Vor­trag zum Palm­sonn­tag und dem Beginn der Kar­wo­che. Der Bogen, den er dabei spannt, wirft auch einen Blick auf die heu­ti­gen Ver­hält­nis­se und Ereig­nis­se. Dabei tritt er mit gewohn­ter Deut­lich­keit als Kri­ti­ker des der­zei­ti­gen Pon­ti­fi­kats auf, aber auch der Ver­su­che bestimm­ter Krei­se, die er iden­ti­fi­ziert, die poli­ti­sche Macht an sich zu rei­ßen. Man­chen geht die Kri­tik des ehe­ma­li­gen Apo­sto­li­schen Nun­ti­us in den USA zu weit, beden­kens­wert soll­te sie aber alle­mal sein. Dem Hören soll­te man sich nicht ver­wei­gern, son­dern hören und abwägen.

QUIS EST ISTE REX GLORIÆ?

Anzei­ge

Exsul­ta satis, filia Sion, jubi­la filia Jeru­sa­lem.
Ecce Rex tuus venit tibi.
Sach 9, 9

Die fei­er­li­chen Zele­bra­tio­nen der Kar­wo­che begin­nen mit dem tri­um­pha­len Ein­zug unse­res Herrn in Jeru­sa­lem, der als König Isra­els begrüßt wird. Die hei­li­ge Kir­che, das Volk des neu­en und ewi­gen Bun­des, macht sich die öffent­li­che Ehrung ihres Herrn zu eigen:

Hi pla­cue­re tibi, placeat devo­tio nost­ra: Rex bone, Rex cle­mens, cui bona cunc­ta placent.

Doch um zu ver­deut­li­chen, wie wan­kel­mü­tig und mani­pu­lier­bar die Men­ge ist, sehen wir am Palm­sonn­tag die Men­ge, die mit Pal­men und Oli­ven­zwei­gen fei­ert, und eini­ge Tage spä­ter hören wir, wie sie das Cru­ci­fi­ge ruft und den­sel­ben König auf dem für Skla­ven reser­vier­ten Scha­fott in den Tod schickt.

Wir wis­sen nicht, ob die­je­ni­gen, die dem Herrn vor den Toren der Hei­li­gen Stadt zuju­bel­ten, die­sel­ben waren, die sich vor dem Prä­to­ri­um ver­sam­mel­ten und von den Hohen­prie­stern und den Schrift­ge­lehr­ten des Vol­kes auf­ge­hetzt wur­den. Es ist aber nicht schwer zu ver­mu­ten – auch auf­grund ande­rer ähn­li­cher Epi­so­den im Lau­fe der Geschich­te –, daß vie­le unter bei­den Umstän­den anwe­send waren, aus dem ein­fa­chen Ver­gnü­gen her­aus, einem Ereig­nis bei­zu­woh­nen, den Mas­sen zu fol­gen, ein „Sel­fie“ zu machen, wie wir heu­te sagen wür­den. Ande­rer­seits: Waren es nicht die­sel­ben Juden, die sich in der Wüste ein gol­de­nes Kalb bau­ten, wäh­rend Moses auf dem Sinai die Geset­zes­ta­feln emp­fing? Und wie oft haben die­sel­ben Juden, die den Gott Isra­els beju­belt hat­ten, am Ende „öku­me­nisch“ die Prie­ster des Baal will­kom­men gehei­ßen und sich mit Göt­zen­die­ne­rei ver­un­rei­nigt, die von den Pro­phe­ten ange­kün­dig­ten Stra­fen ver­dient und dann ihre Untreue bereut, nur um kurz dar­auf wie­der damit anzu­fan­gen? Das ist die Mas­se, lie­be Brü­der; die Mas­se, die die Ver­meh­rung der Bro­te und Fische, die Hei­lung der Aus­sät­zi­gen, der Krüp­pel, des Knech­tes des Haupt­manns und die Auf­er­ste­hung des Laza­rus mit­er­lebt, sich dann aber auf dem Weg nach Gol­ga­tha drängt, um unse­ren Herrn zu beschimp­fen und zu bespucken, oder auch nur, um zuzu­schau­en, ut vide­ret finem (Mt 26,57), um zu sehen, wie es aus­ge­hen würde.

Wer war beim könig­li­chen Ein­zug des Herrn in Jeru­sa­lem nicht anwe­send? Die zivi­le und reli­giö­se Obrig­keit, eben­so wie die Mäch­ti­gen bei der Geburt des Hei­lands in jener abge­le­ge­nen Grot­te in Beth­le­hem in der Nacht auf den 25. Dezem­ber vor zwei­tau­send­vier­und­zwan­zig Jah­ren abwe­send waren. Weder die Hohen­prie­ster, noch die Schrift­ge­lehr­ten, noch Hero­des waren anwe­send, die eigent­lich nicht ein­mal als wirk­li­che Auto­ri­tä­ten zu betrach­ten waren, da sowohl die Hohen­prie­ster Han­nas und Kai­phas als auch König Hero­des durch Betrug und mani­pu­lier­te Ernen­nun­gen – nihil sub sole novi – an die Macht gelangt waren und somit kei­ne legi­ti­me Macht dar­stell­ten. Ins­be­son­de­re Kai­phas stamm­te nicht aus dem Haus Aaron – dem prie­ster­li­chen Stamm der Juden –, son­dern war 25 n. Chr. von Vale­ri­us Gra­tus zum Hohen­prie­ster ernannt wor­den und blieb bis 36 n. Chr. im Amt, als er vom Statt­hal­ter von Syri­en Luci­us Vitel­li­us abge­setzt wur­de. Es han­del­te sich also um eine kai­ser­li­che Ernen­nung und nicht um ein erb­li­ches Recht, wie es von Gott fest­ge­legt und bis zur Zeit der Mak­ka­bä­er (1 Makk 10,20) durch­ge­hend aus­ge­übt wur­de, als Jona­than das Hohe­prie­ster­tum über­nahm.
Auch der König von Gali­läa war nicht legi­tim, denn sei­ne Ernen­nung wur­de zwar von sei­nem Vater Hero­des dem Gro­ßen beschlos­sen, der das Reich zwi­schen sei­nen Söh­nen Archelaus (dem Judäa, Idu­mäa und das süd­li­che Sama­ria gehör­ten), Hero­des Phil­ip­pus (dem die nord­öst­li­che Regi­on des Tibe­ri­as­sees gehör­te) und Hero­des Anti­pas (der zum Tetrar­chen von Gali­läa und Per­äa ernannt wur­de) auf­teil­te. Hero­des Anti­pas regier­te von 4 v. Chr. bis 39 n. Chr. jedoch auf Geheiß der kai­ser­li­chen Auto­ri­tät und konn­te daher eher als Mario­net­te im Dien­ste Roms denn als ech­ter Herr­scher betrach­tet wer­den. Er dürf­te sich nicht wesent­lich von einem moder­nen Tru­deau oder Macron unter­schie­den haben, die vom World Eco­no­mic Forum her­an­ge­züch­tet und vom Deep Sta­te ein­ge­setzt wur­den, um den Inter­es­sen der Eli­te in Kana­da oder Frank­reich zu die­nen. Ande­rer­seits war Hero­des auch am kai­ser­li­chen Hof in Rom gewe­sen, wo er eine Affä­re mit Hero­di­as, der Frau sei­nes Bru­ders Phil­ip­pus, begon­nen und sie spä­ter – ent­ge­gen dem Gesetz des Moses – gehei­ra­tet hat­te, was die Ver­ur­tei­lung durch den Täu­fer zur Fol­ge hat­te, der dafür ver­haf­tet und hin­ge­rich­tet wur­de. Die Tat­sa­che, daß unser Herr dem Hero­des nicht ant­wor­ten woll­te – als Pon­ti­us Pila­tus ihn die­sem vor­füh­ren ließ, damit er über ihn rich­te, da er als Gali­lä­er sei­ner Juris­dik­ti­on unter­stand –, bestä­tigt, daß Chri­stus sei­ne Auto­ri­tät als unrecht­mä­ßig ansah.

In Isra­el gab es also zur Zeit Chri­sti kei­ne wirk­li­che reli­giö­se oder zivi­le Auto­ri­tät. War­um die­ser Spiel­raum, die­se vaca­tio? Den­noch erkann­ten die Juden die Hohen­prie­ster und Hero­des an, so wie Berg­o­glio und die Regie­rungs­chefs der Natio­nen sich heu­te selbst aner­ken­nen, obwohl sie sich ein­deu­tig der von Gott gewoll­ten Auto­ri­tät ent­frem­det haben. Die Ant­wort, die wir geben kön­nen, ist, daß die Vor­se­hung woll­te, daß das Kom­men unse­res Herrn secund­um car­nem zeigt, daß Er der wah­re König und Hohe­prie­ster ist, nicht nur als Urhe­ber und Garant der irdi­schen Auto­ri­tät, son­dern auch als legi­ti­mer Inha­ber die­ser Auto­ri­tät durch gött­li­ches Recht, durch Geburt und – kurz danach – durch Sieg. Des­halb sind die jüdi­schen Köni­ge, die Hohen­prie­ster und Schrift­ge­lehr­ten abwe­send sowohl bei Chri­sti Geburt als auch bei Sei­ner Epi­pha­nie und Sei­nem Ein­zug in Jerusalem.

Ver­su­chen wir nun, lie­be Brü­der, die Sze­ne zu betrach­ten, die sich uns zeigt. Es ist der 10. Tag des Monats Nisan, sechs Tage vor dem Pes­sach­fest, an dem das Gesetz von den Juden ver­langt, das Oster­lamm zu beschaf­fen. Hier sehen wir also – nach den Wor­ten des Täu­fers (Joh 1,29) – das Agnus Dei, das fünf Tage spä­ter, zur neun­ten Stun­de des Kar­frei­tags – der Para­s­ce­ve – am Kreuz sein Leben aus­hau­chen soll­te, zur glei­chen Zeit, als die Juden das Lamm auf zwei Spie­ße auf­spieß­ten, um es zu bra­ten, in Erin­ne­rung an die Flucht aus Ägyp­ten und die Durch­que­rung des Roten Mee­res in das gelob­te Land. Den Augen des gläu­bi­gen Vol­kes konn­te die­se Sym­bo­lik nicht entgehen.

Auf einem Esel sit­zend, wie König Salo­mo bei sei­ner Krö­nung (1. Köni­ge 1,38–40); bei sei­nem Vor­über­ge­hen mit Palm­we­deln und auf dem Boden aus­ge­brei­te­ten Umhän­gen geehrt (2. Köni­ge 9–13), faßt Chri­stus alle irdi­sche, zeit­li­che und geist­li­che Macht in sich zusam­men, zeigt sich in ple­ni­tu­do pote­sta­tis und wird vom Volk beju­belt: Bene­dic­tus qui venit in nomi­ne Domi­ni, rufen die pue­ri Hebræorum. Hosan­na filio David, d. h. dem Nach­kom­men des ein­sti­gen Herr­scher­hau­ses, dem ver­hei­ße­nen Mes­si­as, dem, den der Pro­phet Sachar­ja vor­aus­ge­sagt hat (Sach 9,9):

Freue dich sehr, Toch­ter Zion!
freu dich, Toch­ter Jeru­sa­lem!
Sie­he, dein König kommt zu dir.
Er ist recht­schaf­fen und sieg­reich,
demü­tig, er rei­tet auf einem Esel,
dem Foh­len einer Eselin.

Wie die Schil­de­rung des Evan­ge­li­ums zeigt, fin­det die Krö­nung des Herrn auf dem Ölberg statt, weni­ger als drei Kilo­me­ter von der Hei­li­gen Stadt ent­fernt, und der könig­li­che Zug bewegt sich in Rich­tung des Tem­pels, was an Psalm 23 erinnert:

O Tore, hebt eure Gie­bel empor!
und ihr ewi­gen Tore, steht auf;
Laßt den König der Herr­lich­keit ein­tre­ten.
Wer ist die­ser König der Herr­lich­keit?
Er ist der Herr, stark und mäch­tig,
der Herr, mäch­tig im Kampf.
O Tore, hebt eure Gie­bel empor;
erhebt euch, ihr ewi­gen Tore,
lasst den König der Herr­lich­keit ein­tre­ten.
Wer ist die­ser König der Herr­lich­keit?
Er ist der Herr der Heer­scha­ren;
er ist der König der Herrlichkeit.

Die Dar­brin­gung eines Opfers auf dem Altar, das in der Abend­däm­me­rung dar­ge­bracht wird (Mk 11,11), weist auf die bevor­ste­hen­de Pas­si­on unse­res Herrn hin. Wir kön­nen uns vor­stel­len, wel­che Besorg­nis eine solch impo­san­te Erschei­nung bei den Behör­den aus­lö­ste. Und es ist kein Zufall: Die­ser zivi­le und reli­giö­se Ritus – gekenn­zeich­net durch die Wie­der­ho­lung eines prä­zi­sen Zere­mo­ni­ells, das den Prie­stern und Schrift­ge­lehr­ten wohl­be­kannt war – soll­te in gewis­ser Wei­se die Wie­der­her­stel­lung des jüdi­schen Rei­ches im Hin­blick auf die Pas­si­on dar­stel­len, so daß es der König und Hohe­prie­ster Isra­els sein wür­de, der den Altar von Gol­ga­tha bestei­gen wür­de, um sich der Maje­stät des Vaters als Löse­geld für die Sün­den sei­nes Vol­kes anzu­bie­ten. Wir wer­den den Herrn wie­der in könig­li­che Gewän­der geklei­det sehen – den schar­lach­ro­ten Man­tel und die Kro­ne, wenn auch mit Dor­nen –, wie er sich auf der Log­gia des Prä­to­ri­ums prä­sen­tiert. Ecce rex vester (Joh 19,13), sagt Pila­tus zu den Juden. Die­se ant­wor­ten, indem sie beken­nen, daß der Thron Davids unbe­setzt ist: Non habe­mus regem, nisi Cæsa­rem (ebd., 14). Und auch im Titu­lus cru­cis wird die­sel­be Wahr­heit bekräf­tigt: Iesus Naza­re­nus, Rex Iudæorum (ebd., 19). Denn wäre Chri­stus im höch­sten Akt des Opfers nicht als König und Hoher­prie­ster aner­kannt wor­den, hät­te er weder die Men­schen noch die Völ­ker, die Gegen­stand der Erlö­sung waren, vor dem Vater ver­tre­ten können.

Wenn wir eine Par­al­le­le zwi­schen die­sen Ereig­nis­sen und den heu­ti­gen zie­hen, könn­ten wir eine beun­ru­hi­gen­de Ana­lo­gie zwi­schen den Hand­lun­gen des San­he­drins und jener katho­li­schen Hier­ar­chie erken­nen, die die Macht in Rom an sich reißt. Wir erah­nen, wel­che heu­te die gro­ße Besorg­nis eini­ger Prä­la­ten – und von Berg­o­glio selbst – sein könn­te ange­sichts der Gefahr, daß sie bei ihrem Betrug von Chri­stus selbst auf­ge­deckt wer­den, der kommt, um sich die usur­pier­te Auto­ri­tät, die nicht dazu dient, den Gläu­bi­gen die Hei­li­ge Schrift zu eröff­nen, son­dern sie in Unwis­sen­heit zu hal­ten und sich selbst die Macht zu erhal­ten, zurück­zu­ho­len. Glau­ben Sie, die Reak­ti­on wür­de so anders aus­fal­len als die des San­he­drins, der durch den Ansturm des Vol­kes in Jeru­sa­lem auf­ge­schreckt wur­de, um einen unbe­kann­ten Pro­phe­ten aus Gali­läa zum König aus­zu­ru­fen? Was wür­de der neue Kai­phas wohl sagen, wenn er sein Anse­hen als Hoher­prie­ster bedroht und den Betrug auf­ge­deckt sähe, der ihn an die Macht gebracht hat? Wenn er dar­an erin­nert wür­de, daß er der Stell­ver­tre­ter einer Auto­ri­tät ist, die nicht sei­ne eige­ne ist, und nicht ihr Eigen­tü­mer? Glau­ben Sie, er wäre bereit, auf das Papst­tum zu ver­zich­ten, das er an sich geris­sen hat, um den Herrn, in des­sen Namen er die Kir­che regie­ren soll­te, auf den Thron stei­gen zu las­sen? Oder wür­de er sich nicht eher an die welt­li­chen Behör­den wen­den und den kor­rup­ten Beam­ten und Poli­ti­kern, die ihn als Papst aner­ken­nen, klar machen, daß die­ser Gali­lä­er auch ihre eben­falls usur­pier­te Macht bedroht? Wür­de er nicht das Ein­grei­fen der Armee for­dern, um den Auf­stand nie­der­zu­schla­gen und ihn wegen Auf­ruhrs und Hoch­ver­rats zum Tode zu ver­ur­tei­len? Viel­mehr: Erscheint es Ihnen nicht so, daß der Grund für die Ver­ur­tei­lung gera­de dar­in liegt, daß Er es gewagt hat, sich als König und Sohn Got­tes zu bezeich­nen – quia Fili­um Dei se fecit (Joh 19,7) – in einer Welt, die sich demo­kra­tisch nennt und die kei­nen König außer dem Cäsar – also der heid­ni­schen Macht eines Ein­dring­lings – und kei­nen Gott außer dem Men­schen aner­kennt? Und wie wür­den die Main­stream-Medi­en in die­sem nicht all­zu hypo­the­ti­schen Rah­men über die Nach­rich­ten berich­ten, vor­aus­ge­setzt, die Zen­sur oder irgend­ein Gesetz gegen Hate speech wür­de nicht ver­hin­dern, daß dar­über berich­tet wird, und dazu zwin­gen, daß man so tut, als sei nichts geschehen?

Eini­gen Kir­chen­vä­tern zufol­ge besteht der Tri­umph­zug Chri­sti in Jeru­sa­lem aus zwei Grup­pen: Im alle­go­ri­schen Sinn der Hei­li­gen Schrift wären die­je­ni­gen, die dem Herrn vor­an­ge­hen, die Israe­li­ten, und die­je­ni­gen, die ihm fol­gen, die bekehr­ten Hei­den. Und viel­leicht gab es unter den Juden auch Eife­rer, die auf einen Volks­auf­stand gegen den römi­schen Ein­dring­ling hoff­ten und den Herrn dann im Stich lie­ßen, als ihnen klar wur­de, daß er sich nicht poli­tisch instru­men­ta­li­sie­ren las­sen wür­de: Sie wer­den es sein, die dann, ent­täuscht von ihren eige­nen revo­lu­tio­nä­ren Erwar­tun­gen, das Cru­ci­fi­ge rufen werden.

Wir haben also drei Kate­go­rien von Men­schen: die­je­ni­gen, die Chri­stus beju­belt haben; die­je­ni­gen, die das Cru­ci­fi­ge geschrien haben; und die­je­ni­gen, die bei­des getan haben. Die ersten sind treu, die zwei­ten treu­los und per­fi­de, die drit­ten ein­fach nur Mit­tel­maß. Fra­gen wir uns also: In wel­cher Kate­go­rie wäre ich gewe­sen?Viel­leicht nicht beim Pöbel, den der San­he­drin auf­ge­wie­gelt hat, um das Todes­ur­teil über Chri­stus von Pila­tus zu erpres­sen: Sie sind erklär­te Fein­de Got­tes und zögern nicht, im Rausch ihrer Ver­blen­dung sein Blut auf sich her­ab­zu­ru­fen. Wir hät­ten bes­ser zu denen gehö­ren sol­len, die den Herrn prie­sen und wäh­rend der Pas­si­on mit Johan­nes, Maria und den from­men Frau­en am Fuß des Kreu­zes stan­den. Aber oft müs­sen wir schmerz­lich erken­nen, daß unse­re Untreue – wie die des Vol­kes, das einst das aus­er­wähl­te war – uns dazu ver­lei­tet, uns auf die Sei­te Chri­sti zu stel­len, wenn er tri­um­phiert, und gegen Ihn zu schrei­en oder Ihn – wie Petrus – zu ver­leug­nen, wenn Er ver­haf­tet, ver­ur­teilt, blu­tig geschla­gen, mit Dor­nen gekrönt, wie ein Ver­rück­ter geklei­det und mit Schan­de bedeckt wird: enga­gier­te Katho­li­ken unter Pius XII. und laue Moder­ni­sten mit dem Kon­zil; hel­den­haf­te Ver­tei­di­ger des Glau­bens in Zei­ten des Frie­dens in einer katho­li­schen Nati­on und stum­me Voll­strecker der welt­li­chen Men­ta­li­tät in Zei­ten der Ver­fol­gung in in einem anti­ka­tho­li­schen Staat; from­me Ver­eh­rer der über­lie­fer­ten Mes­se, wenn Bene­dikt XVI. sie erlaubt, und gewis­sen­haf­te Voll­strecker von Tra­di­tio­nis custo­des, wenn der Jesu­it von San­ta Mar­ta deren Zele­bra­ti­on ein­schränkt oder untersagt.

Aber war­um – so fra­ge ich mich – gibt es die­se Unduld­sam­keit gegen­über dem Tran­szen­den­ten? War­um die­se Abnei­gung gegen das Hei­li­ge und damit auch gegen die Hei­lig­keit der Auto­ri­tät Chri­sti, des Königs und Hohen­prie­sters, die in unser Mensch­sein ein­bricht? Was stört so sehr die Macht der Hohen­prie­ster zur Zeit unse­res Herrn? Was stört so sehr seit über zwei­hun­dert Jah­ren die Macht der welt­li­chen Insti­tu­tio­nen und seit sech­zig Jah­ren die des moder­ni­sti­schen San­he­drins? Ich glau­be, die Ant­wort liegt im Stolz von uns armen, elen­den Sterb­li­chen, die die Macht Chri­sti nicht aner­ken­nen und sich ihr nicht unter­wer­fen wol­len, weil wir wis­sen, daß dann kein Platz mehr für unser Par­ti­cu­la­re, für unse­re schä­bi­gen Inter­es­sen und unse­re Macht­ge­lü­ste wäre. Letzt­lich ist es Luzi­fers Non ser­viam, das sich in der Geschich­te fort­setzt, in dem tra­gi­schen Ver­such, die gött­li­che Ord­nung zu unter­gra­ben, und in der noch tra­gi­sche­ren Illu­si­on, daß wir uns selbst genü­gen, daß wir die Welt als Ziel und nicht als Durch­gangs­ort betrach­ten, daß wir uns ein Para­dies auf Erden schaf­fen könn­ten, in dem Frei­heit, Brü­der­lich­keit und Gleich­heit das mensch­li­che Gegen­stück zu Glau­be, Hoff­nung und Liebe ist. Wir haben Angst davor, daß Chri­stus regiert, weil wir wis­sen, daß wir dort, wo die Auto­ri­tät Chri­stus gehört und Sei­nem Gesetz ent­spricht, nicht mehr das Sagen haben, und daß die Macht, die wir als Stell­ver­tre­ter Chri­sti ver­wal­ten, nicht mehr als Vor­wand die­nen kann, hin­ter dem wir unse­re törich­te Anma­ßung, sicut dii zu sein, ver­stecken kön­nen. Das gilt sowohl für den zivi­len als auch für den kirch­li­chen Bereich. Doch Stell­ver­tre­ter Chri­sti in welt­li­chen oder geist­li­chen Din­gen zu sein soll­te eine Ehre und kei­ne Demü­ti­gung sein. Des­halb, lie­be Brü­der, ist es furcht­bar, daß der­je­ni­ge, der auf dem Thron Petri sitzt, es für „unbe­quem“ hält, den Titel „Die­ner der Die­ner Got­tes“ zu tra­gen, und den Titel „Stell­ver­tre­ter Chri­sti“ gestri­chen hat. Indem er auf die­se Wei­se die not­wen­di­ge Unter­ord­nung unter Chri­stus abge­schüt­telt hat, hat er die vol­le und tota­le Ver­ant­wor­tung für sei­ne eige­nen Irr­tü­mer, Irr­leh­ren und Skan­da­le über­nom­men; und gleich­zei­tig ver­wei­gert er stolz jene staat­li­chen Gna­den, die der Herr sonst sei­nem Vikar auf Erden gewährt hät­te. Die­se Anma­ßung schnei­det die Legi­ti­mi­tät der Auto­ri­tät an der Wur­zel selbst ab, die ent­we­der von Gott kommt oder eine haß­er­füll­te und unrecht­mä­ßi­ge Tyran­nei ist.

Lie­be Brü­der, die­se Zei­ten der Apo­sta­sie unter­schei­den sich nicht von den Zei­ten der Pas­si­on, denn die Pas­sio Chri­sti von damals muß sich not­wen­di­ger­wei­se in der Pas­sio Eccle­siæ von heu­te und am Ende der Zeit erfül­len: Was das Haupt durch­ge­macht hat, muß auch der Mysti­sche Leib durch­ma­chen. Aber Vor­sicht: Ein ande­rer wird ver­su­chen, als König und Papst auf­zu­tre­ten, und er wird der Anti­christ sein, eine höl­li­sche Fäl­schung und teuf­li­sche Umkeh­rung des Frie­dens­für­sten. Selbst in jenen Tagen der Fin­ster­nis – die laut dem Pro­phe­ten Dani­el drei­ein­halb Jah­re dau­ern wer­den – wird es Scha­ren von Men­schen geben, die die­sen Mann prei­sen, indem sie ihn als Gott anbe­ten, und ande­re, die ihn als Hoch­stap­ler und Die­ner des Satans erken­nen wer­den. Die Täu­schun­gen und Wun­der­ta­ten des Soh­nes des Ver­der­bens wer­den uns glau­ben machen, daß er die Macht erobert hat, daß die Kir­che end­gül­tig aus­ge­löscht ist, daß die zivi­le und reli­giö­se Auto­ri­tät vakant ist. Dann wird der hei­li­ge Micha­el den Anti­chri­sten töten, dann wird die Jung­frau der Schlan­ge den Kopf zer­tre­ten, dann wird der Herr in Herr­lich­keit kom­men, um die Leben­den und die Toten zu rich­ten, indem er wie­der­kommt als Sohn Got­tes, König und Hoher­prie­ster. Laßt uns dafür sor­gen, daß wir uns in der Zahl des Pus­il­lus grex, der klei­nen Her­de, wie­der­fin­den, die sich nicht ver­füh­ren ließ und treu blieb. Freue dich sehr, Toch­ter Zion, freue dich, Toch­ter Jeru­sa­lem! Sie­he, dein König kommt zu dir (Sach 9,9). So sei es.

+ Car­lo Maria Viganò, Erzbischof

24. März 2024
Domi­ni­ca II Pas­sio­nis seu in Palmis

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: MiL

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