Es bedurfte eines Jesuitenpapstes, um das Opus Dei zu demolieren

Eine Legende wurde wahr


Papst Franziskus mit dem derzeit amtierenden Prälaten des Opus Dei, Msgr. Fernando Ocáriz Braña, im Jahr 2017, als dieser an die Spitze des Werkes Gottes trat. Franziskus verweigerte ihm die Bischofsweihe, was, im nachhinein betrachtet, der Auftakt zur schrittweisen, aber konsequenten Demontage des Opus Dei war.
Papst Franziskus mit dem derzeit amtierenden Prälaten des Opus Dei, Msgr. Fernando Ocáriz Braña, im Jahr 2017, als dieser an die Spitze des Werkes Gottes trat. Franziskus verweigerte ihm die Bischofsweihe, was, im nachhinein betrachtet, der Auftakt zur schrittweisen, aber konsequenten Demontage des Opus Dei war.

San­dro Magi­ster, der heim­li­che Doy­en der Vati­ka­ni­sten, befaß­te sich in einem sei­ner jüng­sten Auf­sät­ze mit den jüng­sten päpst­li­chen Maß­nah­men gegen das Opus Dei (s. auch Dolch­stoß von Papst Fran­zis­kus gegen das Opus Dei). In den ver­gan­ge­nen Wochen war die Freu­de groß und unver­hoh­len in bestimm­ten Krei­sen, die dar­über jubel­ten, daß end­lich Schluß sei mit der „Extra­wurst“ für das Opus Dei, so Ulrich Fricker in der Her­der Kor­re­spon­denz. Hier Magi­sters Text:

Es bedurfte eines Jesuitenpapstes, um das Opus Dei zu demolieren

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Von San­dro Magister

Über die Feind­schaft zwi­schen der Socie­tas Jesu (Gesell­schaft Jesu, Jesui­ten­or­den) und dem Opus Dei (Werk Got­tes) ist viel gesagt wor­den. Aber die Obe­ren des Wer­kes dach­ten und befürch­te­ten schon zu Beginn, daß die Legen­de Wirk­lich­keit wer­den wür­de, als der Jesu­it Jor­ge Mario Berg­o­glio 2013 den Thron des Petrus bestieg. Ihr Ent­schluß war es, sich in völ­li­ges Schwei­gen zurück­zu­zie­hen, in den Schat­ten zu tre­ten wie ein Maul­wurf in sei­nem Loch, in der Hoff­nung, daß die­ses Pon­ti­fi­kat ohne Scha­den für sie vor­über­ge­hen wür­de, ohne ihre Errun­gen­schaf­ten der gol­de­nen Jah­re unter Bene­dikt XVI. und noch mehr unter Johan­nes Paul II. zunich­te zu machen.

Statt­des­sen ist genau das pas­siert. Zuerst mit einem lang­sa­men Schritt, dann mit einer zuneh­mend beschleu­nig­ten Bewe­gung, bis Papst Fran­zis­kus im August die­ses Jah­res mit dem letz­ten Schlag das zer­stör­te, was das Opus Dei über Jahr­zehn­te auf­ge­baut hatte.

Am Titel ändert sich nichts: Das Werk ist wei­ter­hin eine „Per­so­nal­prä­la­tur“, die ein­zi­ge mit die­ser Qua­li­fi­ka­ti­on in der Kir­che. Doch Papst Fran­zis­kus hat es, zunächst mit der Apo­sto­li­schen Kon­sti­tu­ti­on Prae­di­ca­te evan­ge­li­um vom 19. März 2022, dann mit dem Apo­sto­li­schen Schrei­ben Ad cha­ris­ma tuen­dum vom dar­auf­fol­gen­den 14. Juli und schließ­lich mit dem Motu pro­prio vom 8. August 2023, sei­ner Sub­stanz beraubt und zu einer „öffent­li­chen Kle­ri­ker­ver­ei­ni­gung päpst­li­chen Rechts mit der Mög­lich­keit der Inkar­di­nie­rung von Geist­li­chen“ her­ab­ge­stuft, das heißt, zu einem ein­fa­chen Zusam­men­schluß von Prie­stern, heu­te unge­fähr 2.000, und dem Vati­ka­ni­schen Dik­aste­ri­um für den Kle­rus unter­stellt, ohne Auto­ri­tät mehr über die 90.000 Lai­en, die die eigent­li­che Stär­ke der Gesell­schaft waren und die nun wie­der kano­nisch allein von ihren jewei­li­gen Pfar­rern und Bischö­fen abhän­gig sind. Genau das, denn das ist es, was der neue, von Fran­zis­kus modi­fi­zier­te Canon 296 des Kodex des Kir­chen­rechts fest­legt, der sich wie­der­um auf Canon 107 des­sel­ben Kodex bezieht (es sei denn, die gegen­tei­li­ge Inter­pre­ta­ti­on von Juan Igna­cio Arrie­ta, Sekre­tär des Dik­aste­ri­ums für Geset­zes­tex­te, gilt, wonach gemäß Canon 302 des­sel­ben Kodex die ein­fach als „Kle­ri­ker“ defi­nier­ten Ver­ei­ne zwar von Geist­li­chen gelei­tet wer­den, sich aber auch aus Gläu­bi­gen zusammensetzen).

In den Bestre­bun­gen des Opus Dei, die in den gol­de­nen Jah­ren weit­ge­hend ver­wirk­licht wer­den konn­ten, soll­te die Per­so­nal­prä­la­tur eine Art Diö­ze­se ohne eige­nes abge­grenz­tes Ter­ri­to­ri­um sein, son­dern sich auf die gan­ze Welt erstrecken, mit ihrem Bischof in der Per­son des Prä­la­ten des Wer­kes, ihren Prie­stern und ihren Gläu­bi­gen. Sie muß­te daher in die­ser ganz beson­de­ren Form Teil der hier­ar­chi­schen Struk­tur der Kir­che sein und in der Kurie die Kon­gre­ga­ti­on der Bischö­fe zum Bezugs­punkt haben.

Die Errich­tung des 1928 gegrün­de­ten Opus Dei als Per­so­nal­prä­la­tur geht auf das Jahr 1982 zurück, sie­ben Jah­re nach dem Tod des Grün­ders, des Spa­ni­ers Jose­ma­ría Escri­vá de Bala­guer, der 2002 hei­lig­ge­spro­chen wur­de. Dann aber, anders als es ange­strebt war, wur­de es im Kodex des Kir­chen­rechts von 1983 nicht den hier­ar­chi­schen Struk­tu­ren der Kir­che zuge­ord­net, son­dern dem Kapi­tel „De popu­lo Dei“.

Ande­rer­seits wer­den Escri­vás Nach­fol­ger zu Bischö­fen ernannt: zuerst Álva­ro del Por­til­lo, dann Javier Eche­var­ría, der im Amt war, als Berg­o­glio Papst wur­de. Nach sei­nem Tod im Jahr 2017 folg­te ihm der der­zei­ti­ge Prä­lat Fer­nan­do Ocá­riz nach, dem Fran­zis­kus jedoch die Bischofs­wür­de nicht ver­lieh. Und dies war bereits der erste Schlag, den der Jesui­ten­papst dem Werk Got­tes ver­setz­te. Es war das Vor­spiel für das anschlie­ßend ab 2022 fol­gen­de abso­lu­te Ver­bot, dem Prä­la­ten die Bischofs­wei­he zu spen­den, obwohl ihm das Recht belas­sen wur­de, „die ent­spre­chen­den Insi­gni­en“ ver­wen­den zu kön­nen, die einem Ehren­ti­tel als Apo­sto­li­scher Pro­to­no­tar supra numer­um zustehen.

Zu Beginn des Pon­ti­fi­kats von Fran­zis­kus ver­füg­te das Opus Dei über zwei pro­mi­nen­te Kar­di­nä­le: in der Kurie Julián Her­ranz Casa­do, einen maß­geb­li­chen Kano­ni­sten; in Peru Juan Luis Cipria­ni Thor­ne, Erz­bi­schof von Lima. Dar­über hin­aus gab es auf der gan­zen Welt zahl­rei­che Diö­ze­sen, die von Mit­glie­dern des Wer­kes gelei­tet wur­den: allein in Peru ein hal­bes Dut­zend, alle mit kon­ser­va­tiv ori­en­tier­ten Bischö­fen, als deren Gegen­spie­ler, punkt­ge­nau laut Dreh­buch, Jesui­ten­bi­schö­fe der ent­ge­gen­ge­setz­ten Ori­en­tie­rung entgegentraten.

Tat­sa­che ist, daß unter der Herr­schaft von Fran­zis­kus die Kar­di­nä­le Her­ranz und Cipria­ni Thor­ne, auch aus Alters­grün­den, schnell von der Büh­ne ver­schwan­den und auch die Diö­ze­san­bi­schö­fe des Werks nach und nach ver­schwin­den. Heu­te gibt es in Peru nur noch einen, Ricar­do Gar­cía Gar­cía, an der Spit­ze der win­zi­gen Ter­ri­to­ri­al­prä­la­tur Yauyos-Cañete-Huarochiri.

Im Jahr 2016 erfolg­te die Ernen­nung des US-Ame­ri­ka­ners Greg Bur­ke, ehe­ma­li­ger Rom-Kor­re­spon­dent von Fox News und des Time Maga­zi­ne, zum Direk­tor des vati­ka­ni­schen Pres­se­am­tes und Vati­kan­spre­cher. Bur­ke war „Numerari­er“ des Opus Dei, also ein unver­hei­ra­te­tes Lai­en­mit­glied mit Keuschheits‑, Armuts- und Gehor­sams­ge­lüb­de, wie unter Johan­nes Paul II. bereits Vati­kan­spre­cher Joa­quín Navarro-Valls.

Bur­ke trat die Nach­fol­ge des Jesui­ten Feder­i­co Lom­bar­di an und war jah­re­lang im Staats­se­kre­ta­ri­at mit der Bezeich­nung Seni­or Com­mu­ni­ca­ti­on Advi­sor buch­stäb­lich auf die­se Auf­ga­be hin auf­ge­baut wor­den. Tat­säch­lich behan­del­te ihn der Papst jedoch sehr schlecht, indem er sei­ne eige­nen per­sön­li­chen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­be­auf­trag­ten ein­setz­te und das Pres­se­amt syste­ma­tisch umging.

Im Okto­ber 2018, wäh­rend der Jugend­syn­ode, wur­de Bur­ke sogar sei­ne Auf­ga­be ver­wei­gert, das täg­li­che Pres­se­brie­fing über das Gesche­hen in der Syn­oden­ver­samm­lung abzu­hal­ten. Am fol­gen­den 31. Dezem­ber trat er von sei­nem Amt zurück und mit ihm auch sei­ne Stell­ver­tre­te­rin, die Spa­nie­rin Palo­ma Gar­cía Ovejero.

Heu­te spielt das Opus Dei im Vati­kan kei­ner­lei wich­ti­ge Rol­le mehr, nach­dem es im Jahr 2012 mit der Ent­fer­nung des „Supra­nu­merari­ers“ Etto­re Got­ti Tede­schi bereits die Prä­si­dent­schaft der Vatik­an­bank IOR ver­lo­ren hat­te. In der Welt­hier­ar­chie ist José Hora­cio Gómez, seit 2010 Erz­bi­schof von Los Ange­les und von 2016 bis 2019 Vor­sit­zen­der der US-Bischofs­kon­fe­renz, heu­te das ein­zi­ge pro­mi­nen­te Mit­glied des Wer­kes, wur­de jedoch von Papst Fran­zis­kus nie zum Kar­di­nal erhoben.

Umge­kehrt hin­ge­gen wächst rund um den amtie­ren­den Papst der Jesui­ten­hof­staat dra­ma­tisch an, ange­führt von drei Kar­di­nä­len: dem Luxem­bur­ger Jean-Clau­de Hol­le­rich, Gene­ral­be­richt­erstat­ter der Syn­oda­li­täts­syn­ode, dem Kana­di­er Micha­el Czer­ny und dem Ita­lie­ner Gian­fran­co Ghir­lan­da, alle mit Haupt­rol­len. Es gibt noch einen vier­ten Jesui­ten­kar­di­nal, den Spa­ni­er Luis Fran­cis­co Lada­ria Fer­rer, schei­den­der Prä­fekt des Dik­aste­ri­ums für die Glau­bens­leh­re, aber er hat­te den Feh­ler, mit den von Fran­zis­kus zuge­las­se­nen abwei­chen­den Lehr­mei­nun­gen nicht ein­ver­stan­den zu sein, der sich sei­ner befrei­te, indem er ihn in den Ruhe­stand schick­te und durch eine Figur mit dia­me­tral ent­ge­gen­ge­setz­ter Aus­rich­tung ersetzte.

Am Tag nach dem päpst­li­chen Motu pro­prio vom 8. August erklär­te der Prä­lat des Opus Dei Ocá­riz sei­ne völ­li­ge Unter­wer­fung unter die Maß­nah­men. Was ein gro­ßer Exper­te auf die­sem Gebiet, Gian­car­lo Roc­ca, Prie­ster der Gesell­schaft des Hei­li­gen Pau­lus und seit 1969 Lei­ter des monu­men­ta­len „Dizio­na­rio degli isti­tu­ti di per­fe­zio­ne“ („Wör­ter­buchs der Ordens­ge­mein­schaf­ten“), in Set­ti­ma­na News wie folgt zusammenfaßt:

„Papst Fran­zis­kus hat das Opus Dei auf einen Sta­tus her­ab­ge­stuft, der noch nied­ri­ger ist als der eines Säku­lar­in­sti­tuts, als das es 1950 aner­kannt wur­de, mit dem Stolz, das erste Säku­lar­in­sti­tut und damit Modell der­sel­ben gewe­sen zu sein. Als welt­li­ches Insti­tut hat­te das Opus Dei damals einen Gene­ral­vor­sit­zen­den und konn­te Prie­ster und Lai­en inkar­di­nie­ren. Nach der neu­en For­mel von Papst Fran­zis­kus kön­nen nur Geist­li­che in die neue öffent­li­che Kle­ri­ker­ver­ei­ni­gung inkar­di­niert wer­den, die dem Dik­aste­ri­um für den Kle­rus unter­stellt ist. Es ist offen­sicht­lich, daß dem Opus Dei die Lai­en ent­zo­gen wer­den, die sei­ne Stär­ke aus­mach­ten und die nicht län­ger als sei­ne Mit­glie­der betrach­tet wer­den können.“

Geral­di­na Bon, Pro­fes­so­rin für Kir­chen­recht an der Uni­ver­si­tät Bolo­gna, wie­der­um hat einen „nur müh­sam lös­ba­ren Wider­spruch“ aus­ge­macht in der von Fran­zis­kus vor­ge­nom­me­nen Assi­mi­lie­rung zwi­schen der noch immer für das Opus Dei gel­ten­den Qua­li­fi­ka­ti­on als „Per­so­nal­prä­la­tur“ und sei­ner Neu­de­fi­ni­ti­on als Ver­ein, der aus­schließ­lich aus Kle­ri­kern besteht.

Aber nur weni­ge schei­nen sich um die­se x‑te Ver­wir­rung zu küm­mern, die der amtie­ren­de Papst her­bei­ge­führt hat, viel­leicht auch wegen der weit ver­brei­te­ten Abnei­gung, durch die das Opus Dei seit Jahr­zehn­ten bestraft wird, unab­hän­gig von sei­nen tat­säch­li­chen Vor­zü­gen oder Fehlern.

Ein ein­drucks­vol­ler Beweis für die­se histo­ri­sche Abnei­gung kann bei­spiels­wei­se hier in die­sem 2003 post­hum ver­öf­fent­lich­ten Gespräch zwi­schen vier berühm­ten und geschätz­ten ita­lie­ni­schen katho­li­schen Intel­lek­tu­el­len gele­sen wer­den, von denen der erste, der Poli­ti­ker und Prie­ster Giu­sep­pe Dos­set­ti, eine Schlüs­sel­fi­gur bei der Ent­wick­lung des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils war.

Es scheint nicht, als wür­de Berg­o­glio sehr anders über das Opus Dei den­ken als jene Run­de, wenn man betrach­tet, wie er als Papst das Werk Got­tes reduzierte.

PS: Eini­ge Hin­wei­se des Opus-Dei-Prie­sters Rudolf Lorenz aus Finn­land zu Magi­sters Arti­kel, die Magi­ster im Anhang ver­öf­fent­lich­te, wur­den bereits in die Über­set­zung eingearbeitet.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati­can­Me­dia (Screen­shot)

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