Kirchenrechtler: Fiducia supplicans sollte widerrufen und bis dahin von allen Bischöfen und Priestern nicht beachtet werden

Das Interview von Diane Montagne mit dem Kirchenrechtler Father Gerald E. Murray


Der Kirchenrechtler Gerald Murray zeigt die unüberwindlichen Widersprüche der Erklärung Fiducia supplicans zu Homo-Segnungen auf, erhebt den Vorwurf der Häresie und sieht nur einen Weg, die Sache zu bereinigen, indem Fiducia supplicans zurückgenommen wird.
Der Kirchenrechtler Gerald Murray zeigt die unüberwindlichen Widersprüche der Erklärung Fiducia supplicans zu Homo-Segnungen auf, erhebt den Vorwurf der Häresie und sieht nur einen Weg, die Sache zu bereinigen, indem Fiducia supplicans zurückgenommen wird.

Im Dezem­ber ver­öf­fent­lich­te das römi­sche Glau­bens­dik­aste­ri­um unter der Lei­tung von Glau­bens­prä­fekt Vic­tor Manu­el Fernán­dez die Erklä­rung Fidu­cia sup­pli­cans, die Seg­nun­gen von Homo-Paa­ren und ande­ren irre­gu­lä­ren Paa­ren mög­lich macht. Mit ihr wur­de ein Kon­flikt in die Kir­che hin­ein­ge­tra­gen, der nicht mehr ver­stum­men will. Erst im März 2021 hat­te das­sel­be Dik­aste­ri­um, damals noch unter der Bezeich­nung Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on und unter der Lei­tung von Glau­bens­prä­fekt Luis Lada­ria, ein Respon­sum ver­öf­fent­licht, wel­ches das genaue Gegen­teil von Fidu­cia sup­pli­cans besagt. Damit steht seit­her nicht nur eine Neue­rung im Raum, son­dern auch die Glaub­wür­dig­keit der kirch­li­chen Auto­ri­tät auf dem Spiel. Kann die glei­che Auto­ri­tät in der­sel­ben Fra­ge inner­halb von zwei­ein­halb Jah­ren ein­mal ja und ein­mal nein sagen?
Dazu führ­te die beson­ders ver­dien­te Vati­ka­ni­stin Dia­ne Mon­tagna ein Gespräch mit dem New Yor­ker Prie­ster und Kir­chen­recht­ler Gerald E. Mur­ray. Mon­tagna wur­de unter ande­rem durch ein sehr emp­feh­lens­wer­tes Gesprächs­buch mit Bischof Atha­na­si­us Schnei­der und im Herbst 2019 durch ihre hart­näcki­gen Fra­gen bei den Pres­se­kon­fe­ren­zen der Ama­zo­nas­syn­ode zur Pacha­ma­ma bekannt. Kon­se­quent und syste­ma­tisch leg­te sie auch das umfrang­rei­che Gespräch mit Father Mur­ray an, das in einem Aus­zug bei First Things ver­öf­fent­licht wur­de. Hier jener Abschnitt, der Fidu­cia sup­pli­cans betrifft:

Diane Montagna
Dia­ne Montagna
Anzei­ge

Dia­ne Mon­tagna: Pater Mur­ray, was ist ein Segen? Wel­che Bezie­hung hat ein prie­ster­li­cher Segen zum Prie­ster­tum Chri­sti? Und kann ein prie­ster­li­cher Segen jemals „außer­lit­ur­gisch“ sein, d. h. kei­ne Bezie­hung zur Lit­ur­gie haben?

Gerald E. Mur­ray: Im Respon­sum 2021 wird das Römi­sche Ritua­le zitiert und fest­ge­stellt, daß die Got­tes­dien­ste zur Kate­go­rie der Sakra­men­ta­li­en gehö­ren, mit denen die Kir­che „uns zum Lob Got­tes auf­ruft, uns ermu­tigt, sei­nen Schutz zu erfle­hen, und uns ermahnt, Sei­ne Barm­her­zig­keit durch unser hei­li­ges Leben zu suchen“. Im Respon­sum heißt es wei­ter, daß Seg­nun­gen zur „Gat­tung der Sakra­men­ta­li­en“ gehö­ren und „lit­ur­gi­sche Hand­lun­gen der Kir­che“ bedeu­ten. Seg­nun­gen sind also ihrem Wesen nach lit­ur­gi­sche Hand­lun­gen. Die Kate­go­rie der „pasto­ra­len Seg­nun­gen“ ist in der Kir­che unbe­kannt. Die­se Kate­go­rie wird in Fidu­cia sup­pli­cans als „inno­va­ti­ver Bei­trag“ und als „ech­te Wei­ter­ent­wick­lung des­sen, was im Lehr­amt und in den offi­zi­el­len Tex­ten der Kir­che über Seg­nun­gen gesagt wur­de“, beschrie­ben. Fidu­cia sup­pli­cans behaup­tet, daß pasto­ra­le Seg­nun­gen in die Kate­go­rie der „Volks­fröm­mig­keit“ pas­sen, wie sie im Direk­to­ri­um für Volks­fröm­mig­keit und Lit­ur­gie der Kon­gre­ga­ti­on für den Got­tes­dienst von 2002 beschrie­ben wird. Es gibt jedoch kei­nen Hin­weis dar­auf, daß die Kir­che jemals prie­ster­li­che Seg­nun­gen als Akte der Volks­fröm­mig­keit betrach­tet hat.
Das Respon­sum zitiert fer­ner das Römi­sche Ritua­le, in dem es heißt, daß die Sakra­men­ta­li­en „als eine Art Nach­ah­mung der Sakra­men­te ein­ge­führt wor­den sind“. Seg­nun­gen „sind vor allem Zei­chen der geist­li­chen Wir­kun­gen, die durch die Für­spra­che der Kir­che erzielt wer­den“. Ein prie­ster­li­cher Segen ist eine Amts­hand­lung, bei der ein von Gott geweih­ter Ver­tre­ter die gött­li­che Gunst für das zu Seg­nen­de erbit­tet und damit mit­teilt, daß das zu Seg­nen­de wür­dig ist, einen sol­chen Segen zu emp­fan­gen. Jede Bezie­hung, die geseg­net wer­den soll, muß daher zunächst in den Augen Got­tes als wür­dig beur­teilt wer­den, um Got­tes Gunst zu erhal­ten. Sün­di­ge Bezie­hun­gen sind in den Augen Got­tes nicht wür­dig und kön­nen nicht geseg­net wer­den. Das Respon­sum erin­nert uns dar­an, daß Gott „die Sün­de nicht seg­nen will und kann“.

Dia­ne Mon­tagna: Men­schen wer­den geseg­net, Öl und Was­ser wer­den geseg­net, Fel­der und Häu­ser wer­den geseg­net, aber Ver­bre­cher­syn­di­ka­te, Fol­ter­ge­rä­te und Ver­hü­tungs­mit­tel nicht. War­um kön­nen man­che Din­ge geseg­net wer­den und ande­re nicht?

Gerald E. Mur­ray: Seg­nun­gen kön­nen unbe­leb­ten Gegen­stän­den, Tie­ren (wie die Seg­nung von Läm­mern am Fest der Hei­li­gen Agnes), Men­schen und ihren Bezie­hun­gen erteilt wer­den. Der Prie­ster als geweih­ter Die­ner Chri­sti bit­tet Gott, wohl­wol­lend auf das zu schau­en, was geseg­net wird, was bedeu­tet, daß er ent­schie­den hat, daß das, was geseg­net wird, Got­tes Gunst ver­dient. Das Respon­sum ist ein­deu­tig, was die Seg­nung mensch­li­cher Bezie­hun­gen betrifft:
„Dar­aus folgt, eine Seg­nung einer mensch­li­chen Bezie­hung erfor­dert, daß sie dar­auf hin­ge­ord­net ist, das Gute, das ihr zuge­sagt und ver­lie­hen wird, zu emp­fan­gen und aus­zu­drücken. […] Die Ord­nung, die befä­higt, die Gabe zu emp­fan­gen, ist durch die ‚Plä­ne Got­tes, die in die Schöp­fung ein­ge­schrie­ben und von Chri­stus dem Herrn voll­stän­dig offen­bart sind‘, gege­ben. […] Aus den oben genann­ten Grün­den kann ‚die Seg­nung gleich­ge­schlecht­li­cher Ver­bin­dun­gen nicht als zuläs­sig ange­se­hen werden‘.“

Dia­ne Mon­tagna: Die Kir­che hat einen beson­de­ren Segen für Paa­re. Durch den Ritus der Ver­lo­bung wird die Ver­lo­bung eines Man­nes und einer Frau, d. h. eines Paa­res, von der Kir­che geseg­net. Und der Segen, den der Pfar­rer einem Ehe­paar bei der Trau­ung erteilt, wird erteilt, „um ihre Ver­bin­dung im Namen der Kir­che zu sank­tio­nie­ren und den Segen Got­tes noch stär­ker auf sie her­ab­zu­ru­fen“. Die zen­tra­le Aus­sa­ge von Fidu­cia sup­pli­cans ist, daß es mög­lich ist, mit einem „pasto­ra­len“ Segen „Paa­re in irre­gu­lä­ren Situa­tio­nen und gleich­ge­schlecht­li­che Paa­re“ zu seg­nen. Wie ist es mög­lich, ein „Paar“ zu seg­nen, ohne sei­ne „Bezie­hung“ zu segnen?

Der Kir­chen­recht­ler Gerald E. Murray

Gerald E. Mur­ray: Es ist unmög­lich, ein Paar zu seg­nen, ohne die Bezie­hung zu seg­nen, die die bei­den Per­so­nen zu einem Paar macht. Etwas ande­res zu behaup­ten, ist eine Übung in Dop­pel­zün­gig­keit.
„Paar“ ist ein Wort, das die Kir­che bis­her nur auf einen Mann und eine Frau ange­wandt hat, die ver­hei­ra­tet sind oder die Ehe in Erwä­gung zie­hen. So bezieht sich das Wort „Paar“ im Kate­chis­mus der Katho­li­schen Kir­che sieb­zehn­mal auf ein ver­hei­ra­te­tes Paar. Die Ver­nach­läs­si­gung die­ser Spe­zi­fi­ka­ti­on ist ein grund­le­gen­der Feh­ler von Fidu­cia sup­pli­cans. Sexu­el­le Unmo­ral, sei sie beab­sich­tigt oder ver­wirk­licht, kann zwei Per­so­nen nicht zu einem Paar machen. Zwei Ehe­bre­cher und zwei zusam­men­le­ben­de Homo­se­xu­el­le sind kei­ne Paa­re, weil sie nicht hei­ra­ten kön­nen. Zumin­dest eine Per­son in einer ehe­bre­che­ri­schen Ver­bin­dung ist bereits Teil eines Paa­res und kann daher kei­ne neue Paar­be­zie­hung ein­ge­hen.
Die Wör­ter „Paar“ [„cou­ple“] und „Kopu­la­ti­on“ lei­ten sich von der­sel­ben latei­ni­schen Wur­zel ab – „copu­la­re“ – und bedeu­ten „sich ver­ei­ni­gen“, „sich zusam­men­schlie­ßen“. Ein Mann und eine Frau wer­den ein Paar, wenn sie durch ihre Hand­lun­gen zei­gen, daß sie eine Bezie­hung auf­ge­baut haben, die wahr­schein­lich auf den Aus­tausch des Ehe­ge­lüb­des hin­aus­läuft, des­sen Ziel es ist, ihre Ehe durch die kör­per­li­che Ver­ei­ni­gung der Kopu­la­ti­on zu voll­zie­hen. Sodo­mie ist eine ent­wür­di­gen­de Simu­la­ti­on der Kopu­la­ti­on. Es han­delt sich nicht um eine vom Schöp­fer gewoll­te sexu­el­le Ver­ei­ni­gung, die auf Ein­heit und Fort­pflan­zung aus­ge­rich­tet ist. Viel­mehr han­delt es sich um einen unna­tür­li­chen Miß­brauch des Kör­pers. Ehe­bruch ist eine ver­bo­te­ne, nicht­ehe­li­che Form der Kopu­la­ti­on, die gegen die bestehende(n) eheliche(n) Bindung(en) ver­stößt. In der Logik von Fidu­cia sup­pli­cans wird die sexu­el­le Unmo­ral des Ehe­bruchs und der Sodo­mie so dar­ge­stellt, daß sie das mensch­li­che Gut zwei­er Men­schen, die ein Paar bil­den, her­vor­bringt. Die­ser Gedan­ke ist häre­tisch.
Fidu­cia sup­pli­cans ver­wen­det das Wort „Paar“ in einem rein sozio­lo­gi­schen Sinn, um von zwei Men­schen zu spre­chen, die zwar nicht mit­ein­an­der ver­hei­ra­tet, aber in einer Art sexu­el­ler Bezie­hung ver­eint sind, die eine Unter­grup­pe der all­ge­mei­nen Kate­go­rie von Bezie­hun­gen dar­stellt, die sexu­el­le Hand­lun­gen beinhal­ten. Der Arche­typ die­ser all­ge­mei­nen sozio­lo­gi­schen Kate­go­rie ist, zumin­dest tra­di­tio­nell, die ehe­li­che Gemein­schaft von Mann und Frau. Die Kir­che lehrt, daß ande­re sexu­el­le Part­ner­schaf­ten unmo­ra­li­sche Par­odien der Ehe sind. Dazu gehö­ren ehe­bre­che­ri­sche Ver­bin­dun­gen, homo­se­xu­el­le Ver­bin­dun­gen, inze­stuö­se Ver­bin­dun­gen, poly­ga­me Ver­bin­dun­gen und poly­amo­re Ver­bin­dun­gen.
Die Kir­che kann nicht eine rein sozio­lo­gi­sche Beschrei­bung des mensch­li­chen Sexu­al­ver­hal­tens ver­wen­den, geschwei­ge denn gut­hei­ßen, und gleich­zei­tig der Leh­re Chri­sti treu blei­ben. Fidu­cia sup­pli­cans begeht einen schwer­wie­gen­den Feh­ler, indem sie die­je­ni­gen, die Ehe­bruch oder Sodo­mie bege­hen, als Paa­re bezeich­net. Die­ser Feh­ler bil­det die Grund­la­ge für die häre­ti­sche Behaup­tung von Fidu­cia sup­pli­cans, daß die Kir­che ehe­bre­che­ri­sche und homo­se­xu­el­le „Paa­re“ seg­nen kann und sollte.

Dia­ne Mon­tagna: Kar­di­nal Fernán­dez hat dar­auf bestan­den, daß Fidu­cia sup­pli­cans die Leh­re der Kir­che über die Ehe nicht ändert.

Gerald E. Mur­ray: Die­ses Behar­ren ist merk­wür­dig und auf­schluß­reich. War­um soll­te er befürch­ten, daß irgend­je­mand den­ken könn­te, die Seg­nung eines gleich­ge­schlecht­li­chen „Paa­res“ wür­de „in irgend­ei­ner Wei­se die immer­wäh­ren­de Leh­re der Kir­che über die Ehe ändern“? Viel­leicht, weil vie­le gleich­ge­schlecht­li­che „Paa­re“ behaup­ten, sie sei­en ver­hei­ra­tet, sich dort, wo dies legal ist, einer zivi­len Trau­ung unter­zie­hen und wol­len, daß ihre ver­bind­li­che Bezie­hung von der Kir­che einer katho­li­schen Ehe gleich­ge­stellt wird. Des­halb wol­len sie ihre „Ehe“ von einem Prie­ster seg­nen las­sen. Ein­fach aus­ge­drückt: Die Seg­nung eines gleich­ge­schlecht­li­chen „Paa­res“, das stan­des­amt­lich ver­hei­ra­tet ist, ähnelt der Seg­nung eines hete­ro­se­xu­el­len Paa­res, das kirch­lich hei­ra­tet. Was wie eine Ehe­seg­nung aus­sieht, wird von vie­len als eine Locke­rung des Wider­stan­des der Kir­che gegen die gleich­ge­schlecht­li­che Ehe oder zumin­dest als eine Locke­rung des kirch­li­chen Ver­bots der Sodo­mie, wenn nicht gar als eine offe­ne Befür­wor­tung der Sodo­mie als etwas Gutes ange­se­hen werden.

Dia­ne Mon­tagna: Vie­le haben argu­men­tiert, daß Fidu­cia sup­pli­cans vor­schlägt, „Ein­zel­per­so­nen“ und nicht „Paa­re“ zu seg­nen. Wie ste­hen Sie zu die­ser Debat­te, und wie lesen Sie das Dokument?

Gerald E. Mur­ray: Die Behaup­tung, daß zwei Per­so­nen in einer ehe­bre­che­ri­schen oder homo­se­xu­el­len Bezie­hung als Ein­zel­per­so­nen und nicht als Paar geseg­net wer­den, kann ange­sichts des Titels von Teil III von Fidu­cia sup­pli­cans nicht logisch auf­recht­erhal­ten wer­den: „Seg­nun­gen von Paa­ren in irre­gu­lä­ren Situa­tio­nen und von Paa­ren des glei­chen Geschlechts“. Wie Sie in einem Posting auf X (ehe­mals Twit­ter) her­vor­ge­ho­ben haben, wird in der eng­li­schen Über­set­zung fälsch­li­cher­wei­se das Wort „indi­vi­du­als“ für das ita­lie­ni­sche costo­ro ver­wen­det, was „sie/​diese“ bedeu­tet („In einem kur­zen Gebet, das die­sem spon­ta­nen Segen vor­aus­geht, könn­te der geweih­te Amts­trä­ger dar­um bit­ten, daß die ein­zel­nen Frie­den haben“, Fidu­cia sup­pli­cans, 38). Die ande­ren vom Hei­li­gen Stuhl ver­öf­fent­lich­ten Sprach­fas­sun­gen über­set­zen costo­ro kor­rekt. Der Segen wird für sie erteilt, nicht für die ein­zel­nen Per­so­nen. Was auch immer der Grund für die­sen Feh­ler sein mag, die­se Fal­sch­über­set­zung kann nicht die Grund­la­ge für eine plau­si­ble Behaup­tung sein, daß der Autor von Fidu­cia sup­pli­cans nicht die Absicht hat­te, die Seg­nung von Paa­ren, son­dern nur von Ein­zel­per­so­nen zu erlauben.

Dia­ne Mon­tagna: Das Respon­sum erklär­te, daß sei­ne eige­ne „nega­ti­ve“ Ant­wort „die Seg­nung ein­zel­ner Per­so­nen mit homo­se­xu­el­len Nei­gun­gen nicht aus­schließt, die den Wil­len bekun­den, in Treue zu den geof­fen­bar­ten Plä­nen Got­tes zu leben, wie sie von der kirch­li­chen Leh­re vor­ge­schla­gen wer­den“. Kar­di­nal Fernán­dez schrieb in sei­ner Ein­lei­tung zu Fidu­cia sup­pli­cans, das Doku­ment sei eine Reak­ti­on der „brü­der­li­chen Lie­be“ auf die­je­ni­gen, die die „nega­ti­ve Ant­wort“ des Respon­sums von 2021 „nicht tei­len“. Wenn Fidu­cia sup­pli­cans nur die Seg­nung von Ein­zel­per­so­nen vor­schla­gen und nicht die Seg­nung homo­se­xu­el­ler „Paa­re“ geneh­mi­gen wür­de, war­um wäre dann das Doku­ment über­haupt not­wen­dig, und war­um soll­ten jene, die die Ant­wort des Respon­sums nicht „tei­len“, die­se Erklä­rung als einen Akt „brü­der­li­cher Näch­sten­lie­be“ betrachten?

Gerald E. Mur­ray: Kar­di­nal Fernán­dez erklärt, daß Fidu­cia sup­pli­cans ein Akt „brü­der­li­cher Näch­sten­lie­be“ gegen­über den­je­ni­gen ist, die „die nega­ti­ve Ant­wort des Respon­sums nicht tei­len“ oder die „For­mu­lie­rung sei­ner Ant­wort … nicht klar genug fan­den“. Der Aus­druck „nicht tei­len“ ist ein Euphe­mis­mus für „nicht akzep­tie­ren“. Die­je­ni­gen, die die Ant­wort nicht akzep­tie­ren, hal­ten sie für falsch, was bedeu­tet, daß sie kei­nen Zwei­fel an ihrer Bedeu­tung haben. Die Behaup­tung, ande­re hiel­ten die Ant­wort und die dazu­ge­hö­ri­ge Erklä­rung für nicht klar genug, ist schwer­lich ernst zu neh­men. Es geht nicht um die angeb­li­che Unklar­heit des Respon­sums, son­dern um die Ableh­nung der Ant­wort und ihrer Erläu­te­rung.
Kar­di­nal Fernán­dez schreibt in sei­ner Ein­lei­tung, daß „eini­ge die Klar­heit des Doku­ments und sei­ne Über­ein­stim­mung mit der immer­wäh­ren­den Leh­re der Kir­che begrüß­ten“. Er bezieht sich nicht auf die „angeb­li­che“ Klar­heit des Doku­ments und auch nicht auf das, „was eini­ge für die Klar­heit des Doku­ments hiel­ten“. Laut Kar­di­nal Fernán­dez ist das Respon­sum klar und steht im Ein­klang mit der katho­li­schen Leh­re.
War­um gibt Kar­di­nal Fernán­dez dann eine Erklä­rung ab, die im Wider­spruch zum Respon­sum steht, und behaup­tet, es gäbe kei­nen Wider­spruch, son­dern nur eine inno­va­ti­ve Ent­wick­lung der Leh­re, wenn es doch die Auf­ga­be des Glau­bens­dik­aste­ri­ums ist, die ewi­ge Leh­re der Kir­che zu ver­tei­di­gen? Fidu­cia sup­pli­cans wie­der­holt zunächst das Ver­bot, homo­se­xu­el­le Part­ner­schaf­ten zu seg­nen, um dann spä­ter das Ver­bo­te­ne zu geneh­mi­gen und zu behaup­ten, dies sei mög­lich, weil ein Paar und sei­ne Ver­bin­dung zwei getrenn­te Din­ge sei­en. Die Ver­ei­ni­gung wer­de nicht geseg­net, nur das Paar.
Das ist ein irre­füh­ren­des Wort­spiel, das dar­auf abzielt, die Beschwer­den jener zu befrie­di­gen, die die Ableh­nung sol­cher Seg­nun­gen durch das Respon­sum „nicht tei­len“. Ehe­bre­che­ri­sche und homo­se­xu­el­le „Paa­re“ glau­ben nicht, daß ihre Ver­bin­dung nicht geseg­net wird, wenn sie als Paar geseg­net wer­den.
Mit die­sem geschei­ter­ten Ver­such der Ver­bal­tech­nik wird ver­sucht, eine Ände­rung der Leh­re und Pra­xis der Kir­che durch­zu­set­zen, ohne daß dies den Anschein hat. Es ist eine Tak­tik, die sich auf die Nei­gung gläu­bi­ger Katho­li­ken stützt, alles zu akzep­tie­ren, was von einem römi­schen Dik­aste­ri­um kommt. In die­sem Fall muß eine sol­che Nei­gung durch die vor­ran­gi­ge Pflicht ersetzt wer­den, alles abzu­leh­nen, was dem von den Apo­steln über­lie­fer­ten Glau­ben wider­spricht.
Fidu­cia sup­pli­cans behaup­tet fälsch­li­cher­wei­se, es hand­le sich um einen „Akt brü­der­li­cher Näch­sten­lie­be“ gegen­über jenen, die die Seg­nung ihrer Ver­ei­ni­gung als gleich­ge­schlecht­li­ches „Paar“ wün­schen. In Wirk­lich­keit wird kei­ne christ­li­che Näch­sten­lie­be gezeigt, wenn zwei Men­schen, die in eine schwer unmo­ra­li­sche Bezie­hung ver­wickelt sind, nicht auf­ge­for­dert wer­den, die­se Bezie­hung zu been­den, son­dern viel­mehr ange­wie­sen wer­den, nach vor­ne zu kom­men, um sich als „Paar“ von einem Prie­ster seg­nen zu lassen.

Dia­ne Mon­tagna: In Fidu­cia sup­pli­cans 31 heißt es: „In dem hier umris­se­nen Hori­zont liegt die Mög­lich­keit der Seg­nung von Paa­ren in irre­gu­lä­ren Situa­tio­nen und von gleich­ge­schlecht­li­chen Paa­ren… In die­sen Fäl­len wird ein Segen gespen­det, … der die Anru­fung eines her­ab­stei­gen­den Segens von Gott selbst für die­je­ni­gen ist, die sich als mit­tel­los und sei­ner Hil­fe bedürf­tig erken­nen und nicht die Legi­ti­ma­ti­on ihres eige­nen Sta­tus bean­spru­chen, son­dern dar­um bit­ten, daß alles, was in ihrem Leben und ihren Bezie­hun­gen wahr, gut und mensch­lich gül­tig ist, durch die Gegen­wart des Hei­li­gen Gei­stes berei­chert, geheilt und erhöht wird.“ Was sagen Sie dazu?

Gerald E. Mur­ray: Eine Bezie­hung, die auf dem gegen­sei­ti­gen Ver­spre­chen beruht, Sodo­mie zu bege­hen, ist nicht in der Lage, „berei­chert“ zu wer­den. Die töd­li­che Wun­de in den See­len der bei­den Per­so­nen, die mit­ein­an­der Sodo­mie bege­hen, kann nur dadurch „geheilt“ wer­den, daß die Bezie­hung been­det wird. Das Ver­blei­ben in einer sol­chen Bezie­hung ist ein Bei­na­he-Anlaß zur Tod­sün­de. Sie kann nicht „durch die Gegen­wart des Hei­li­gen Gei­stes erhöht wer­den“, da der Hei­li­ge Geist eine sol­che Bezie­hung ver­ur­teilt und ver­bie­tet. „Mensch­li­che Bezie­hun­gen“, die auf Sodo­mie beru­hen, kön­nen nicht „in der Treue zum Evan­ge­li­um rei­fen und wach­sen“, wie es in die­sem Abschnitt wei­ter heißt, und kön­nen nicht „von ihren Unvoll­kom­men­hei­ten und Schwä­chen befreit wer­den“. Nur wenn die Bezie­hung auf­hört zu exi­stie­ren, erhal­ten die bei­den Men­schen, die zuvor in ein solch schwer­wie­gend unmo­ra­li­sches Ver­hal­ten ver­wickelt waren, die Mög­lich­keit, durch Got­tes Gna­de „in der Treue zum Evan­ge­li­um zu rei­fen und zu wach­sen“ und „von ihren Unvoll­kom­men­hei­ten und Schwä­chen befreit zu wer­den“ als Per­so­nen, die Ver­ge­bung für ihre Sün­den suchen.

Dia­ne Mon­tagna: Fidu­cia sup­pli­cans 39 stellt fest, daß, wenn „Paa­re“ in – wie es euphe­mi­stisch heißt – „irre­gu­lä­ren Situa­tio­nen“ und „gleich­ge­schlecht­li­che Paa­re“ um eine Seg­nung bit­ten, es zu „Ver­wir­rung oder Skan­dal“ kom­men könn­te, wenn die Seg­nung „im direk­ten Zusam­men­hang mit einer stan­des­amt­li­chen Fei­er oder sonst in irgend­ei­ner Ver­bin­dung damit erteilt“ würde.

Gerald E. Mur­ray: Das Pro­blem ist nicht in erster Linie der Zeit­punkt der Seg­nung. Ver­wir­rung und Skan­dal wer­den gera­de des­halb ent­ste­hen, weil Men­schen, die eine ehe­bre­che­ri­sche zivi­le Ehe oder eine gleich­ge­schlecht­li­che zivi­le Ehe ein­ge­gan­gen sind, sich für ver­hei­ra­tet hal­ten und wol­len, daß die Kir­che sie als ver­hei­ra­tet behan­delt. Ins­be­son­de­re wol­len sie, daß die Kir­che die durch ihre zivi­len Ehen geschlos­se­ne Ver­bin­dung seg­net, so wie die Kir­che die­je­ni­gen seg­net, die in einer kirch­li­chen Trau­ung den Bund der Ehe ein­ge­hen. Inter­es­sen­grup­pen und ver­schie­de­ne Akti­vi­sten wol­len, daß die Kir­che ihre Leh­re ändert und Zweit­ehen und gleich­ge­schlecht­li­che Ehen aner­kennt. Vor­erst sind sie weit­ge­hend zufrie­den mit dem, was als ein erstes Zuge­ständ­nis ange­se­hen wird, wie die­se Zusam­men­stel­lung von Reak­tio­nen der Catho­lic League for Reli­gious and Civil Rights zeigt.

Dia­ne Mon­tagna: In Fidu­cia sup­pli­cans 40 heißt es, daß „mit die­sen Seg­nun­gen … in der Tat nichts legi­ti­miert, son­dern viel­mehr das eige­ne Leben für Gott geöff­net wer­den soll, um sei­ne Hil­fe für ein bes­se­res Leben zu erbit­ten und auch den Hei­li­gen Geist anzu­ru­fen, damit die Wer­te des Evan­ge­li­ums mit grö­ße­rer Treue gelebt wer­den können.“

Gerald E. Mur­ray: Ein Prie­ster kann nicht mit Sicher­heit wis­sen, daß das „Paar“ nicht die Absicht hat, „irgend­et­was zu legi­ti­mie­ren“, da, wie es in dem Doku­ment heißt, „eine umfas­sen­de mora­li­sche Ana­ly­se kei­ne Vor­be­din­gung für die Ertei­lung des Segens“ sein darf (Fidu­cia sup­pli­cans, 25).
Das Wort „legi­ti­mie­ren“ bedeu­tet, legi­tim zu machen. „Legi­tim“ bedeu­tet recht­mä­ßig im enge­ren Sin­ne. Im wei­te­ren Sin­ne bedeu­tet es sank­tio­niert, geneh­migt, zuläs­sig oder erlaubt. Die ein­deu­ti­ge Absicht des Hei­li­gen Stuhls in die­ser Erklä­rung ist es, etwas zu legi­ti­mie­ren, näm­lich die Ertei­lung des Segens an ehe­bre­che­ri­sche „Paa­re“ und homo­se­xu­el­le „Paa­re“, die öffent­lich die Leh­re der Kir­che über den rich­ti­gen Gebrauch des sexu­el­len Ver­mö­gens inner­halb eines lebens­lan­gen, dau­er­haf­ten Ehe­ban­des ableh­nen, das nur durch die Ehe geschlos­sen wer­den kann.
Ich fra­ge mich, wie Kar­di­nal Fernán­dez im Lich­te von Fidu­cia sup­pli­cans auf fol­gen­de Fra­ge ant­wor­ten wür­de: „Ist es so, daß die Kir­che ihre Prie­ster nur anweist, Paa­re in Bezie­hun­gen zu seg­nen, die die Kir­che für recht­mä­ßig segens­fä­hig hält, weil sie gut sind?“ Wenn er zustimmt, dann muß er glau­ben, daß ehe­bre­che­ri­sche und sodo­mi­ti­sche Bezie­hun­gen Gott nicht belei­di­gen. Wenn er nicht zustimmt, muß er glau­ben, daß die Sün­de selig­ma­chend ist. Bei­de Ant­wor­ten ste­hen im Wider­spruch zur Glau­bens­leh­re.
Fidu­cia sup­pli­cans ist eine offen­sicht­li­che Kata­stro­phe, die vom Hei­li­gen Stuhl wider­ru­fen und zurück­ge­nom­men wer­den soll­te. Bis das geschieht, soll­te es von allen Bischö­fen, Prie­stern und Dia­ko­nen nicht beach­tet werden.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: First Things/​MiL/​X (Screen­shots)

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