Flüchtige Hypothesen zum nächsten Papst

Ein Wendepunkt im Pontifikat, der seine Schatten auf die Nachfolge wirft


2013 wurden vom päpstlichen Zeremonienmeister die Türen zum Konlave geschlossen. Wer wird aus dem nächsten Konklave als Papst hervorgehen? Einige Gedanken.
2013 wurden vom päpstlichen Zeremonienmeister die Türen zum Konlave geschlossen. Wer wird aus dem nächsten Konklave als Papst hervorgehen? Einige Gedanken.

Von Cami­nan­te Wanderer*

Anzei­ge

Vor­her­sa­gen, Pro­phe­zei­un­gen oder Mut­ma­ßun­gen über die Iden­ti­tät des näch­sten Pap­stes kön­nen nur kurz­le­bi­ge Hypo­the­sen sein. Um sie zu bestä­ti­gen, muß das Ereig­nis, das wir erwar­ten, erst ein­mal ein­tre­ten, und solan­ge das nicht der Fall ist, haben unse­re Hypo­the­sen nur eine sehr begrenz­te Gül­tig­keit. Vor eini­gen Mona­ten haben wir gedacht, daß einer der wahr­schein­lich­sten Anwär­ter Matteo Kar­di­nal Zup­pi ist, der der Kan­di­dat von Berg­o­glio zu sein schien. Nun scheint mir, daß die­se Mög­lich­keit aus zwei unvor­her­ge­se­he­nen Grün­den in wei­te Fer­ne gerückt ist: sein durch­schla­gen­der Miß­er­folg bei der beab­sich­tig­ten Ver­mitt­lung im rus­sisch-ukrai­ni­schen Kon­flikt und sei­ne Posi­tio­nie­rung auf einer kon­ti­nui­täts­ori­en­tier­ten Linie mit dem der­zei­ti­gen Pontifikat.

Letz­te­res ist mei­ner Mei­nung nach der erste Fak­tor, der in den ver­gan­ge­nen Mona­ten bei den Teil­neh­mern des näch­sten Kon­kla­ves in den Vor­der­grund getre­ten ist: Die mei­sten von ihnen wer­den um jeden Preis einen neu­en Berg­o­glio ver­mei­den wol­len. Für die­ses Umden­ken, das noch vor kur­zem unmög­lich schien, ist das aus­schlag­ge­bend, was ich für einen der schwer­sten Feh­ler des Pon­ti­fi­kats von Fran­zis­kus hal­te: die Ernen­nung von Kar­di­nal Vic­tor Manu­el Fernán­dez an die Spit­ze des Dik­aste­ri­ums für die Glaubenslehre.

Ein Dumm­kopf begeht unwei­ger­lich Dumm­hei­ten, aber eines sind die Dumm­hei­ten, die ein dum­mer Pfar­rer bege­hen mag und die leicht von sei­nem Bischof beho­ben wer­den kön­nen. Etwas ande­res sind sind die Dumm­hei­ten, die ein Dumm­kopf begeht, der in eines der wich­tig­sten Ämter der Kir­che auf­ge­stie­gen ist.

Die Ver­kün­di­gung der Erklä­rung Fidu­cia sup­pli­cans und die Ent­deckung sei­nes bis­her ver­bor­ge­nen Buches „Die mysti­sche Pas­si­on“ waren zwei Ereig­nis­se, die ihn in den Augen des übri­gen Kar­di­nals­kol­le­gi­ums, das ihn mit gro­ßem Miß­trau­en betrach­ten wird, prägen.

Es wird den Mit­glie­dern des Kol­le­gi­ums nicht gefal­len, einen Por­no­kar­di­nal neben sich sit­zen zu haben, der offen­sicht­lich eine sexu­el­le Fixie­rung hat, die noch nicht über­wun­den ist. Und bekannt­lich liegt der Feh­ler, wie der Volks­mund sagt, nie beim Schwein, son­dern bei dem, der es füttert.

Die erste Schuld trifft den guten Bischof Adol­fo Ara­na, der, man muß es sagen, einer der besten des argen­ti­ni­schen Epi­sko­pats war, der ihn zum Prie­ster geweiht hat. Die zwei­te Schuld trifft Bischof Ramón Staf­fola­ni, der ihn nach der Ver­öf­fent­li­chung sei­nes por­no­gra­fi­schen Buches, das er 1998 zusam­men mit „Die Kunst des Küs­sens“ mit Pau­ken und Trom­pe­ten in der Stadt Río Cuar­to vor­stell­te, nicht sank­tio­niert hat, wie die ent­spre­chen­de Aus­ga­be der Lokal­zei­tung El Pun­tal bezeugt. Die letz­te und größ­te Schuld trägt Jor­ge Mario Berg­o­glio, der ihn zum Bischof ernann­te und ihn in sein heu­ti­ges Amt beför­der­te. Genau aus die­sem Grund wer­den vie­le der Kar­di­nä­le ver­su­chen zu ver­hin­dern, daß die Kir­che erneut in solch unver­ant­wort­li­che Hän­de gerät.

Wel­cher Kar­di­nal wird näch­ster Papst?

Ein zwei­ter Fak­tor, der eine Rol­le spie­len wird, ist die Tat­sa­che, daß die Kar­di­nä­le ein­an­der nicht ken­nen, da Fran­zis­kus dar­auf geach­tet hat, das Hei­li­ge Kol­le­gi­um mit unbe­kann­ten Per­sön­lich­kei­ten zu beset­zen, die sei­ne Her­de in fer­nen Län­dern hüten, und er hat gro­ße Sorg­falt dar­auf ver­wen­det, sie nicht im Kon­si­sto­ri­um zusammenzubringen.

Erin­nern wir uns dar­an, daß das letz­te Kon­si­sto­ri­um im Febru­ar 2014 – also vor zehn Jah­ren – statt­fand und daß dort die The­men der näch­sten Syn­ode über die Fami­lie bespro­chen wur­den. Das war damals, als Kar­di­nal Kas­per alle sei­ne pro­gres­si­ven The­sen vor­tra­gen konn­te und er von Kar­di­nal Caf­farra, den wir in guter Erin­ne­rung haben, mit Nach­druck und soli­der Begrün­dung wider­legt wur­de. Des­halb hat Fran­zis­kus, der Papst der Syn­oda­li­tät, des Dia­logs und des Zuhö­rens, beschlos­sen, kein neu­es Gene­ral­kon­si­sto­ri­um mehr ein­zu­be­ru­fen, weil er merk­te, daß die Trup­pen gegen ihn rebellierten.

Das hat zur Fol­ge, daß sich vie­le Wäh­ler des näch­sten Pon­ti­fex nicht ken­nen. Und das bedeu­tet natür­lich, daß die Kan­di­da­ten, die die besten Chan­cen haben, gewählt zu wer­den, die­je­ni­gen sind, die all­ge­mein am mei­sten bekannt sind. Daher die The­se, die wir ver­tre­ten, daß einer von ihnen Kar­di­nal Pie­tro Paro­lin ist, über den sich auch Mar­co Toss­at­ti vor eini­gen Tagen geäu­ßert hat: Der Staats­se­kre­tär wür­de von den pro­gres­si­ven Kuri­en­kar­di­nä­len unter­stützt wer­den, da er einer ist, und von eini­gen Kon­ser­va­ti­ven, die ihn ange­sichts der Mög­lich­keit eines neu­en Berg­o­glio als das klei­ne­re Übel betrach­ten würden.

Der Fall Fidu­cia sup­pli­cans hat nun einen völ­lig unbe­kann­ten Kar­di­nal ans Licht gebracht: Fri­do­lin Ambon­go, Erz­bi­schof von Kin­sha­sa, der den enor­men Mut hat­te, alle Bischö­fe der afri­ka­ni­schen Län­der süd­lich der Saha­ra zu orga­ni­sie­ren und sich fron­tal den For­de­run­gen des Por­no­kar­di­nals Fernán­dez und von Fran­zis­kus zu wider­set­zen. Nur weni­ge, sehr weni­ge Bischö­fe sind mutig genug für eine sol­che Kühn­heit. Ich sage nicht, daß Ambon­go ein Anwär­ter für das Papst­amt ist; ich sage, daß alle Kar­di­nä­le ihn nun ken­nen – was bis­her nicht der Fall war –, und so wie er die Ver­ach­tung der Deut­schen und Bel­gi­er auf sich gezo­gen haben wird, so wird er in ande­ren Erd­tei­len auch vie­le Sym­pa­thien auf sich gezo­gen haben. Es bleibt abzu­war­ten, wie viel und von wel­chem Kali­ber die­se Sym­pa­thien sind.

Schließ­lich gibt es noch eine wei­te­re Mög­lich­keit, deren Urhe­ber­schaft einem guten Freund zuzu­schrei­ben ist. Kar­di­nä­le sind, all­ge­mein gespro­chen (Aus­nah­men bestä­ti­gen die Regel), Män­ner ohne Glau­ben. Sie sind dort­hin gekom­men, wo sie sind, weil sie die rich­ti­gen Bünd­nis­se ein­ge­gan­gen sind und im rich­ti­gen Moment Ver­zicht geübt haben, nicht wegen ihrer Fröm­mig­keit und der Hei­lig­keit ihres Leben. Sie wol­len es sich gut­ge­hen las­sen und ihren Pur­pur genie­ßen. Sie fürch­ten nicht mehr Gott, son­dern nur noch die Medi­en, also wer­den sie nach Mög­lich­keit einen Papst wäh­len, der ihnen kei­ne Pro­ble­me berei­tet. Und die­se wür­den mit einem Papst ent­ste­hen, der aus­ge­spro­chen pro­gres­siv oder aus­ge­spro­chen kon­ser­va­tiv ist, oder der, selbst wenn er gemä­ßigt ist, sein Amt ernst nimmt. „Laßt uns in Ruhe fei­ern“, wer­den die Kar­di­nä­le sagen, „und eine unauf­fäl­li­ge und unbe­deu­ten­de Per­sön­lich­keit wäh­len“. Auf die­se Wei­se wer­den sie sich die Ruhe sichern, nach der sie sich seh­nen, denn sie den­ken, daß das Chri­sten­tum und sei­ne Idea­le bereits tot sind, getö­tet von den Kräf­ten der Welt, die gemäß die­ser Sicht am Ende tri­um­phie­ren. Lesen Sie ein­fach die erschrecken­den Aus­sa­gen von Kar­di­nal Ouellet.

Soll­te dies gesche­hen, wür­den wir mei­ner Mei­nung nach eine rasche Bal­ka­ni­sie­rung der Kir­che erle­ben, die auf glo­ba­ler Ebe­ne in Epi­sko­pa­te mit ver­schie­de­nen Schat­tie­run­gen von Katho­li­zi­tät zer­fal­len wür­de. Oder in eine Fül­le von mehr oder weni­ger katho­li­schen Diö­ze­sen, die dem Papst nur mehr sym­bo­li­schen Gehor­sam lei­sten wür­den. In eini­gen von ihnen wür­den irre­gu­lä­re und sogar sehr irre­gu­lä­re Paa­re geseg­net wer­den, in ande­ren nicht. In eini­gen wür­de die tra­di­tio­nel­le Lit­ur­gie erlaubt und geför­dert, in ande­ren wür­de die Hei­li­ge Mes­se, sogar die von Paul VI., ver­schwin­den und durch „Wort­got­tes­dien­ste“ ersetzt, denen Dia­ko­nis­sen und ande­re Para­de­stücke vor­ste­hen. In eini­gen wür­den die Kin­der die Glau­bens­wahr­hei­ten der Apo­stel im Kate­chis­mus ver­mit­telt bekom­men, in ande­ren die Wahr­hei­ten des Öko­lo­gis­mus und der Demo­kra­tie. Kurz­um, eine Art angli­ka­ni­sche Welt­ge­mein­schaft oder, wenn man nicht in die­sem Extrem den­ken will, eine „Pan-Ortho­do­xie“, in der jedes Patri­ar­chat für sich steht und mehr oder weni­ger tut, was es will, wäh­rend es besten­falls einen beschei­de­nen Respekt vor dem öku­me­ni­schen Patri­ar­chen von Kon­stan­ti­no­pel gibt.

Die hier vor­ge­brach­ten Hypo­the­sen sind sehr kurz­le­big. Wir wer­den sehen, wie sich die Bischö­fe und Prie­ster mobi­li­sie­ren wer­den, wenn die Ein­füh­rung von „nicht­sa­kra­men­ta­len“ Dia­ko­nis­sen ange­kün­digt wird – es ist nur noch eine Fra­ge von Wochen. Und wir wer­den sehen, wer auf der Log­gia des Peters­doms zu sehen sein wird, wenn der Herr Sei­ner Kir­che die Gna­de gewährt, auf die wir alle hoffen.

*Cami­nan­te Wan­de­rer ist ein argen­ti­ni­scher Blogger.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cami­nan­te Wanderer/Vatican.va (bear­bei­tet)

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