(Managua) Am vergangenen Wochenende wurden Bischof Rolando Álvarez und mehr als ein Dutzend Priester aus Nicaragua ausgewiesen und in den Vatikan gebracht. Nach 500 Tagen Haft erfolgte die Freilassung des Bischofs von Matagalpa. Allerdings mußte er den Gang ins Exil antreten.
Msgr. Álvarez war Anfang August 2022 von der Polizei in der bischöflichen Residenz belagert und am 19. August verhaftet worden. Nachdem mehrere Bischöfe vor ihm wegen ihrer Kritik am sandinistischen Regime von Daniel Ortega des Landes verwiesen worden waren oder auf Empfehlung des Heiligen Stuhls sicherheitshalber Nicaragua verlassen hatten, war Bischof Álvarez zum führenden Regimekritiker aufgerückt. Die Sandinisten duldeten es nicht lange.
Nach seiner Verhaftung, die für internationales Aufsehen sorgte, befand sich der Bischof unter Hausarrest. Das Regime wollte ihn ins Exil zwingen, was Álvarez jedoch ablehnte, denn sein Platz sei dort, wo die ihm anvertraute Herde ist. Auch der Vatikan bemühte sich vergeblich um seine Ausreise. Als alles arrangiert war und am 9. Februar 2023 ein Flugzeug mit mehr als 200 Regimekritikern in die USA ausfliegen sollte, weigerte sich der Bischof, das Flugzeug zu besteigen.
Die Sandinisten reagierten darauf drakonisch. In einem Nacht-und-Nebel-Prozeß wurde der Bischof noch am selben Tag wegen „Hochverrats“ und „Verbreitung falscher Nachrichten“ zu 26 Jahren Haft und dem Entzug der Staatsbürgerschaft verurteilt. Seither befand sich Msgr. Álvarez im Gefängnis.
Papst Franziskus bat im Juni 2023 seinen persönlichen Freund, den sozialistischen brasilianischen Staatspräsidenten Luiz Inácio Lula da Silva, zugunsten des nicaraguanischen Bischofs zu intervenieren, was Lula auch tat. Im August 2023 sagte Franziskus in einem Interview: „Wir versuchen zu verhandeln“. Lula gab unterdessen Daniel Ortega zu verstehen, daß es seinem Ansehen schade, solange Msgr. Álvarez sein Gefangener ist.
Hinter den Kulissen gab es ein langes Tauziehen, währenddessen das Regime die Daumenschraube gegen die Kirche anzog, die Daniela Ortega als „Mafia“ beschimpft, die ihn stürzen wolle. Am 21. Dezember wurde mit Msgr. Isidoro del Carmen Mora ein weiterer Bischof verhaftet. Der einzige Grund, weshalb die Nationalpolizei den Bischof von Siuna abführte, war, weil er in einer Predigt erklärt hatte, für seinen inhaftierten Mitbruder Álvarez zu beten.
Der Vatikan drängte darauf Álvarez doch eine Exilierung in Betracht zu ziehen, um eine weitere Verschlimmerung der Situation abzuwenden.
Am vergangenen Samstag, war es dann soweit. Die beiden inhaftierten Bischöfe Álvarez und Mora wurden zusammen mit mindestens 14 weiteren Priestern und einigen Seminaristen des Landes verwiesen und ausgeflogen. Die gute Nachricht: Sie befinden sich nicht mehr im Gefängnis. Die schlechte Nachricht: Sie werden Nicaragua fehlen. Hier eine unvollständige Liste der Exilierten:
- Msgr. Rolando Álvarez Lagos, Bischof der Diözese Matagalpa
- Msgr. Isidoro del Carmen Mora, Bischof der Diözese Siuna
- Msgr. Carlos Avilés, Generalvikar der Erzdiözese Managua
- Msgr. Óscar Escoto Salgado, Generalvikar der Diözese Matagalpa
- Msgr. Silvio Fonseca, Pfarrer von Santa Faz und Bischofsvikar für die Familien, Kinder und Jugendlichen der Erzdiözese Managua
- Msgr. Marcos Díaz Prado, Pfarrer von Santo Tomás Apóstol von Puerto de Corinto der Diözese León
- Don Ismael Reineiro Serrano Gudiel, Pfarrer von San Miguel Arcángel und Exorzist der Erzdiözese Managua
- Don Pablo Villafranca, Pfarrer von Nuestra Señor de Veracruz von Nindirí der Erzdiözese Managua
- Don Héctor Treminio, Pfarrer von Santo Cristo de Esquipulas der Erzdiözese Managua
- Don Mykel Monterrey, Pfarrer von Nuestra Señora de Candelaria der Erzdiözese Managua
- P. Raúl Zamora, Pfarrer von Jesús de la Divina Misericordia der Erzdiözese Managua
- P. Gerardo José Rodríguez, Pfarrer von Purísima Concepción der Erzdiözese Managua
- P. Miguel Mántica, Pfarrer von San Francisco de Asís der Erzdiözese Managua
- P. Jhader Hernández, Pfarrer von Madre del Divin Pastore von Nejapa der Erzdiözese Managua
- Don José Gustavo Sandino Ochoa, Pfarrer von Nuestra Señora de los Dolores von Santa María de Pantasma der Diözese Jinotega.
- P. Jader Danilo Guido Acosta, Domvikar der Kathedrale San Pedro Apóstol von Matagalpa
- P. Fernando Calero, Pfarrer von Nostra Signora di Fátima von Rancho Grande der Diözese Matagalpa.
Zudem wurden die beiden Seminaristen Lester de Jesús Sáenz Centeno und Tonny Daniel Palacio Sequeira des Landes verwiesen.
Unter den Ausgewiesenen befinden sich auch die beiden Priester, die während der Weihnachtsfesttage festgenommen worden waren. Andere Priester befinden sich aber weiterhin im Gefängnis.
Die 19 Betroffenen fügen sich in die schon lange Reihe von exilierten Kirchenmännern ein wie Msgr. Silvio Báez, Weihbischof der Erzdiözese Managua. Er sprach von Verhandlungen zwischen den USA, dem Vatikan und dem nicaraguanischen Regime, die zu der Aktion am Wochenende führten.
Das Flugzeug, das sie außer Landes brachte, startete in Nicaragua am Samstag und landete am Sonntag am Flughafen Fiumicino in Rom, wo die Bischöfe, Priester und Seminaristen von Vertretern des Vatikans empfangen wurden.
Am Sonntagnachmittag feierten die beiden Bischöfe eine Messe und wurden von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin empfangen.
Insgesamt wurden seit 2018 drei Bischöfe und mindestens 110 Priester vom Staat ausgewiesen. Hinzu kommen die Priester, denen die Rückkehr nach Nicaragua verweigert wird, und jene, wie Bischof Báez, die aus Sicherheitsgründen selbst das Land verlassen haben. Den meisten wurde, obwohl in Nicaragua geboren, die Staatsbürgerschaft entzogen.
Das Regime macht Tabula rasa. Das US-Medium The Pillar schreibt, daß bereits 15 Prozent des gesamten nicaraguanischen Klerus aus dem Land verdrängt wurden. In der Diözese Matagalpa von Bischof Àlvarez wurde die Priesterzahl von 51 auf 20 dezimiert.
Von den Drohungen und Einschüchterungen gegen Priester und Gläubige, dem Verbot von Prozessionen und Zelebrationen, tätlicher Gewalt gegen Kirchenvertreter, Sprengstoffanschlägen gegen Kirchen, der Schließung und Beschlagnahme von Universitäten und Schulen in kirchlicher Trägerschaft usw. ganz zu schweigen.
Lange Zeit setzte Papst Franziskus auf freundschaftliche Gesten auf der Linie seiner demonstrativen Sympathie für sozialistische Regime. Daniel Ortega erwiderte die Freundlichkeiten, indem er Franziskus seinen „Freund“ nannte, während er zugleich mit dem Finger auf die nicaraguanische Ortskirche zeigte. Doch der Kuschelkurs erwies sich als fatale Sackgasse.
Nun sind bereits drei von neun nicaraguanischen Diözesen ohne Bischof. Die vergangenen Wochen lassen erahnen, sollten Ortega und seine Sandinisten ihren Kampf fortsetzen, daß das Jahr 2024 für die Kirche in Nicaragua sehr schwierig werden könnte.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Centro Studi Livatino/MiL (Screenshots)