
(Rom) Nach der Audienz am Mittwoch für Brasiliens Staats- und Regierungschef Luiz Inácio Lula da Silva blieben die Informationen, die über den Inhalt des Gesprächs bekanntgegeben wurden spärlich. Lula selbst sagte zunächst nur, man habe über „den Frieden und die Ukraine“ gesprochen. Gestern wurde er jedoch in einem Punkt präziser.
Der brasilianische Präsident kündigte an, daß er versuchen werde, seinen nicaraguanischen Amtskollegen Daniel Ortega davon zu überzeugen, Bischof Rolando Álvarez freizulassen. Msgr. Álvarez, der Bischof von Matagalpa und Apostolische Administrator von Estelí, befindet sich seit August 2022 in Haft. Im vergangenen Februar war der Regimekritiker „wegen Hochverrats und Verbreitung von Falschmeldungen“ zu 26 Jahren Gefängnis verurteilt worden.
In einer Pressekonferenz zum Abschluß seines Italienbesuches, bei dem er auch den Vatikan aufsuchte, erklärte Lula, daß die katholische Kirche in Nicaragua die Freilassung von Bischof Álvarez nur wünsche, damit er nach Italien ausreisen könne. Zugleich bezeichnete er die Inhaftierung des Bischofs als einen „Fehler“ Ortegas.
„Ich werde mit Ortega sprechen, damit er freigelassen wird, denn man muß lernen, um Vergebung zu bitten (…) und diesen Fehler anzuerkennen.“
Lula versicherte, daß eine solche Aktion „eine Arbeit der Geduld“ sein werde, er aber „viel Geduld“ habe und versuchen werde, dieses Ziel zu erreichen.
Am Tag zuvor hatte Lula eine Dreiviertelstunde mit Papst Franziskus im Vatikan gesprochen.
Unklar ist, ob Bischof Álvarez einen solchen „Deal“ akzeptieren wird. Das sandinistische Regime von Daniel Ortega hatte dem Bischof bereits Anfang des Jahres als Alternative den Weg ins Exil angeboten. Als im Februar 2023 222 politische Gefangene unter der Bedingung freigelassen und des Landes verwiesen wurden, daß sie Nicaragua verlassen, lehnte Bischof Álvarez diesen Schritt ab. Als Reaktion darauf wurde der für März angesetzte Prozeß gegen den Bischof von Matagalpa um einen Monat vorgezogen und Msgr. Álvarez in einer Nacht- und Nebelaktion zu 26 Jahren Gefängnis verurteilt. Zugleich wurde gegen ihn ein lebenslanges Verbot verhängt, öffentliche Ämter zu bekleiden, und ihm die Staatsbürgerschaft aberkannt.
Seit 2021 ernennt Ortega keinen Botschafter mehr beim Heiligen Stuhl. 2022 verließ der Apostolische Nuntius Nicaragua, um einer Ausweisung zuvorzukommen. Inzwischen wurden die diplomatischen Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und Nicaragua von Ortega eingefroren.
Lula und Ortega unterhalten seit vielen Jahren enge politische Kontakte auf verschiedenen Ebenen, unter anderem über das Forum von São Paulo. Zwischen der brasilianischen Arbeiterpartei und der Sandinistischen Befreiungsfront in Nicaragua gibt es erhebliche ideologische Überschneidungen, insbesondere zum „demokratischen Sozialismus“ und der marxistischen Befreiungstheologie.
Mit Papst Franziskus verbindet Lula eine lange Freundschaft. Im Januar 2020 sagte dieser über Papst Franziskus, er „denkt wie wir“.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL