
Anläßlich seines Portugal-Besuches gab Papst Franziskus der Zeitschrift Vida Nueva ein Interview. Darin nahm er zur Lage in Nicaragua Stellung. Vor einem Jahr wurde Bischof Rolando Álvarez, Bischof von Matagalpa, zunächst im bischöflichen Ordinariat von der Nationalpolizei belagert und nach einigen Tagen verhaftet. Im vergangenen Februar wurde er unter Ausschluß der Öffentlichkeit wegen „Hochverrats“ zu 26 Jahren Gefängnis verurteilt. Anfang Juli schien eine Einigung erzielt worden zu sein. Es hieß, der Bischof werde ausgeflogen und ins Exil gebracht. Doch es tat sich nichts. Laut Indiskretionen weigerte sich der Bischof, wie schon im Februar, auf einen solchen Handel einzugehen. Zusammen mit der langen Haftstrafe war ihm auch die Staatsbürgerschaft entzogen worden.
Der Vatikan versucht weiterhin, mit der nicaraguanischen Regierung zu verhandeln, um die Freilassung von Bischof Álvarez zu erreichen. „Wir machen weiter, wir versuchen zu verhandeln“, antwortete der Papst der Zeitschrift Vida Nueva auf die Frage nach der Lage im mittelamerikanischen Land.
Franziskus bestätigte bei dieser Gelegenheit, daß er am 21. Juni, als er Brasiliens sozialistischen Präsidenten Lula da Silva in Audienz empfing, diesen gebeten hat, sich beim nicaraguanischen Diktator Daniel Ortega für die Freilassung des Bischofs einzusetzen. „Ja, ich habe ihn darum gebeten“, antwortete Franziskus auf eine entsprechende Frage, ohne nähere Angaben zu machen.
Bisher hatte nur Lula da Silva am Tag nach der Audienz von einer solchen Bitte gesprochen und erklärt, sich um die Freilassung von Bischof Álvarez bemühen zu wollen. Lula bezeichnete die Verhaftung und Verurteilung des Bischofs als „Fehler“ Ortegas.
„Ich werde mit Ortega sprechen, damit er freigelassen wird, denn man muß lernen, um Vergebung zu bitten (…) und diesen Fehler anzuerkennen“, sagte Lula damals.
Lula versicherte, daß es „eine Arbeit der Geduld“ sein wird, aber daß er viel Geduld hat und versuchen wird, dies zu erreichen.
Im vergangenen Februar hatte die Regierung Ortega 222 politische Gefangene freigelassen und des Landes verwiesen, die mit einem von der US-Regierung gecharterten Flugzeug nach Washington geflogen wurden. Zwei Gefangene weigerten sich jedoch, das Land zu verlassen, darunter der Bischof, der daraufhin zu 26 Jahren Haft verurteilt und seiner Staatsbürgerschaft beraubt wurde.
Zudem wurden von Ortega die diplomatischen Beziehungen zum Vatikan abgebrochen. Seit der Abberufung von Eliette Ortega Sotomayor im September 2021 ernannte das sandinistische Regime keinen Botschafter mehr beim Heiligen Stuhl. Der Apostolische Nuntius für Nicaragua, Msgr. Waldemar Sommertag, verließ das Land im März 2022, um einer Ausweisung zuvorzukommen. Im März 2023, nachdem der Vatikan Kritik an der Verurteilung von Bischof Álvarez geübt hatte, suspendierte Nicaragua die diplomatischen Beziehungen zum Heiligen Stuhl.
Der nicaraguanische Präsident beschimpfte die Kirche als „Mafia“ und „undemokratisch“ und beschuldigt sie seit den Bürgerprotesten von 2018, ihn stürzen zu wollen.
Der Sandinist Daniel Ortega ließ sich verfassungswidrig im November 2021 ein viertes Mal in Folge zum Präsidenten des Landes wählen, obwohl die Verfassung ursprünglich nur zwei Amtsperioden vorsah. Die Wahlen manipulierte er, indem er alle seine wichtigen Konkurrenten ins Exil zwang, verhaften oder von der Wahl ausschließen ließ. Vizepräsidentin des Landes ist seine Frau Rosario Murillo. Auch andere Schlüsselpositionen werden von Familienmitgliedern eingenommen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vida Nueva (Screenshot)