
(Rom) Die Freundschaft mit dem realen Sozialismus hielt einer Belastungsprobe nicht stand. Diese Erfahrung macht derzeit Papst Franziskus. Der sandinistische Diktator Daniel Ortega nannte Franziskus noch vor wenigen Jahren seinen „Freund“, während er die Kirche seines Landes verfolgte. Nun setzte Nicaragua die diplomatischen Beziehungen mit dem Heiligen Stuhl aus.
Der Heilige Stuhl und Nicaragua unterhalten seit 1908 volle diplomatische Beziehungen. Erster Apostolischer Nuntius war Erzbischof Giovanni Cagliero, den Papst Pius X. ernannte. Dessen Nachfolger Benedikt XV. nahm den Vatikandiplomaten 1915 in das Kardinalskollegium auf. Der zuletzt amtierende Nuntius Erzbischof Waldemar Sommertag hatte bereits im März 2022 Nicaragua verlassen, um einer Ausweisung durch das sandinistische Regime zuvorzukommen.
Nachdem Medienberichte den einseitigen Abbruch der diplomatischen Beziehungen durch Nicaragua gemeldet hatten, präzisierte das dortige Außenministerium gestern, daß es sich „nur“ um eine „Aussetzung der diplomatischen Beziehungen“ handle.
Die nicaraguanische Regierung bezichtigte zugleich „Quellen, die offensichtlich mit der katholischen Kirche verbunden sind“, eine Falschmeldung zu verbreiten. Sich selbst bezeichneten die Sandinisten in der Presseerklärung des Außenministeriums als „Regierung der Versöhnung und der nationalen Einheit“. Sie habe lediglich „eine Aussetzung der diplomatischen Beziehungen zwischen dem Vatikanstaat und der Republik Nicaragua vorgeschlagen“.
Die Formulierung ist bewußt irreführend oder bemerkenswert schlampig, denn vom Vatikanstaat (Staat der Vatikanstadt) wurden nie diplomatische Beziehungen zu Nicaragua unterhalten, sondern vom Heiligen Stuhl. Das sind zwei verschiedene Völkerrechtssubjekte.
Dessen ungeachtet gibt das nicaraguanische Außenministerium noch weitere bemerkenswerte Einblicke in seine Wahrnehmung der Wirklichkeit:
„Es wird festgestellt, daß die Medien, die mit dem Putschterrorismus verbunden sind, der das nicaraguanische Volk im April 2018 angegriffen und ermordet hat, jene waren, die diese verzerrten Nachrichten als Falschmeldungen verbreitet haben.“
2018 hatte das sandinistische Regime auf Anweisung des Internationalen Währungsfonds, um „kreditwürdig“ zu bleiben, die Renten gekürzt. Darauf kam es zu Bürgerprotesten, von denen die Ortega-Diktatur nun sagt, diese hätten „das nicaraguanische Volk angegriffen und ermordet“. In Wirklichkeit wurden die Proteste vom Regime blutig abgewürgt. Dabei wurden nach glaubwürdigen Schätzungen rund 400 Demonstranten getötet. Mit einer Gesetzesänderung erklärte das Regime auch friedliche Proteste zu einer Form von „Terrorismus“. Seit 2018 lebt das Regime in einer Putsch-Paranoia und sieht in der Kirche ihren gefährlichsten Feind.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Il Sismografo