Von Pater Serafino Lanzetta*
Mit der Erklärung Fiducia supplicans (FS) vom 18. Dezember 2023 hat das Dikasterium für die Glaubenslehre mit einer gewissen Eile bezüglich der noch frischen Synodenergebnisse Papst Franziskus ex audientia gebeten, neue Segnungen zu genehmigen, die ad hoc „für Paare in irregulären Situationen“ und „gleichgeschlechtliche Paare“ geschaffen wurden. Die Betonung liegt in beiden Fällen auf dem „Paar“. Um sie auf prinzipieller Ebene zu genehmigen und damit ihre moralischen Handlungen zu rechtfertigen, wird versucht, den liturgischen Aspekt des Segens von seinem vorherigen, „theologischen“, aber nicht rituellen Stadium zu trennen. Mit welchem Ergebnis?
Bene-dicere, aber ohne es zu sagen
Zunächst sollen Überlegungen über die Unterscheidung zwischen liturgischen Segnungen und solchen der Frömmigkeit angestellt werden. Indem man letzteren ihren liturgischen Status abspricht, glaubt man einen Weg anbieten zu können, um die oben genannten Paare doch segnen zu können. Und zwar mit einer echten Spitzfindigkeit. Dieser neue Segen darf nicht zu „einem liturgischen oder halbliturgischen Akt werden, der einem Sakrament ähnelt“ (FS 36). Bleibt die Handlung aber ein Sakramentale, um ein Segen zu sein und nicht eine „talismanhafte Anrufung“?
Fiducia supplicans unterscheidet zwischen liturgischen Segnungen, die also mit einem Sakrament verbunden sind, und sakramentalen Segnungen, die außerhalb der Sakramente als aktuelle Gnaden gespendet werden. All dies würde immer noch „eine streng liturgische Sicht“ voraussetzen, in der „die Segnung erfordert, daß das, was gesegnet wird, dem Willen Gottes entspricht, wie dies in der Lehre der Kirche zum Ausdruck kommt“ (FS 9). Neben diesem „streng liturgischen“ Kontext soll es jedoch noch einen dritten, „flexibel liturgischen“ Bereich geben. Zu diesen Segnungen kämen nämlich noch die spontanen, frommen oder pastoralen Segnungen hinzu, die einerseits unabhängig vom kirchlichen Ritual sind, sodaß sie elastischer sind und unter den verschiedensten Umständen verwendet werden können, auch wenn diese dem Willen Gottes widersprechen, andererseits aber dennoch mit den liturgisch-theologischen Konnotationen der Sakramentalien versehen sind. FS 31 drückt es so aus: „Diese Formen des Segens sind Ausdruck der Bitte an Gott, jene Hilfen zu gewähren, die aus den Anregungen seines Geistes hervorgehen – die die klassische Theologie „helfende Gnaden“ nennt –, damit die menschlichen Beziehungen in der Treue zur Botschaft des Evangeliums reifen und wachsen, sich von ihren Unvollkommenheiten und Schwächen befreien und sich in der immer größeren Dimension der göttlichen Liebe ausdrücken können.“
Auf zweideutige Weise werden diese neuen Segnungen de facto mit den Sakramentalien gleichgesetzt, ohne sie jedoch als solche zu definieren, was den Anschein erweckt, als habe man eine neutrale Unterkategorie geschaffen, nur um eine Segnung dessen zu rechtfertigen, was nicht gesegnet werden kann, weil es objektiv im Widerspruch zu Gott und seiner Schöpfung steht. Wir haben es mit Segnungen zu tun, die anonyme Sakramentalien sind, so wie Rahners „anonyme Christen“, d. h. diejenigen, die Christen sind, ohne es zu wissen, weil das Christsein im Grunde nicht zur Gnade, sondern zur Natur gehört, die auf der Ebene der Erkenntnis mit der Gnade eins ist. Der Übergang von einem a‑thematischen oder transzendentalen Gesegnetwerden zur thematischen oder kategorialen Segnung wird mit der Zeit folgen, wenn es aufgrund des normalen Gebrauchs, den man von diesen Segnungen machen wird, in die Köpfe und Herzen der Christen eingedrungen sein wird, daß man auch die Sünde segnen kann. In der Zwischenzeit zeigt sich ein grundlegender Nominalismus, der ein vorherrschendes Merkmal unserer Zeit ist: „Segen“ ist ein bloßer flatus vocis, das heißt ein Wort, das nicht sagt, was es bedeutet, sondern mit derselben scheinbaren Bedeutung eine andere Realität ausdrückt, nämlich die Legitimierung von irregulären und gleichgeschlechtlichen Paaren. Der Nominalismus ist die Unterwerfung der Begriffe unter die Macht.
Gnade als Recht für alle
Wie könnte man nicht die Gefahr der Naturalisierung der Gnade einerseits und ihrer Reduzierung auf ein Recht für alle andererseits sehen? Es sind zwei Seiten derselben Medaille. Die Segnung irregulärer und homosexueller Paare, die eine Art sui generis der aktuellen Gnade wäre, ist die Rechtfertigung der Sünde und ihre Absicherung durch das Gebot der Gnade für alle und in allen Situationen. In Wahrheit ist die aktuelle Gnade als eine vorübergehende Bewegung kein anonymer übernatürlicher Schub, den Gott anbietet, damit man in der Sünde bleibt. Allein schon so zu denken wäre blasphemisch. Sie ist immer ein Anstoß zum Guten und zur heiligmachenden Gnade, damit der Mensch sich durch die Bekehrung Gott öffnet und das Geschenk des neuen Lebens annimmt, das Gewand der Gnade, die Glauben, Hoffnung und Liebe im übernatürlichen Sinn schenkt. Diese Segnungen hingegen sind nicht nur unfähig zu segnen, weil die Gnade, die auf die Beziehung des Paares herabgerufen wird, objektiv der sündigen Situation entgegengesetzt ist, sondern sie haben auch die unvermeidliche Wirkung, die Paare in ihrem Gott widersprechenden Status der Unordnung zu bestätigen.
Um dem Offensichtlichen zu entgehen, hat man versucht, das Prinzip dieser Segnungen zu rechtfertigen, indem man zwischen den gesegneten Personen und dem Paar als solchem unterscheidet oder vielmehr der Verbindung, die, obwohl im Widerspruch zum Gebot Gottes, nicht der eigentliche Gegenstand der Segnung sei. Man spielt mit den Worten.
Entweder manifestiert sich das Paar durch die Verbindung und Beziehung oder es existiert nicht. Es ist jedoch dieselbe Erklärung Fiducia supplicans, die in Nr. 31 von Segnungen „menschlicher Beziehungen“ spricht, d. h. konkret, von widernatürlichen Beziehungen. Das wird nie gesagt, so wie auch nie von der Sünde gesprochen wird, oder der Sodomie, aber genau darum geht es, und anonym versucht man sie zu segnen. Auch von Bekehrung ist nicht die Rede, geschweige denn von einer Beichte, um – wenn schon – von der Sünde losgesprochen zu werden. Die Mens des Dokuments ist mehr als eindeutig. Wir haben es mit Segnungen zu tun, die solche sein wollen, aber ohne den Anschein zu erwecken, daß sie es sind. Aber das stellt nicht einmal die Bewegungen zur Förderung und Integration der Homosexualität zufrieden, von denen eine, die chilenische, Fiducia supplicans als „eine neue und nicht zu tolerierende Form der Exklusion“ und als „Apartheid“ bezeichnete.
Das intrinsische Übel existiert nicht mehr
Was ist das Problem, das dem Ganzen zugrunde liegt? Zur angenehmen Überraschung erklären mehrere Episkopate, vor allem an den Rändern, ihre klare Ablehnung von Fiducia supplicans. Der Schwerpunkt liegt dabei in der Regel darauf, daß es unmöglich ist, gleichgeschlechtliche Paare zu segnen, wobei aber irreguläre Paare meist vergessen werden, z. B. die wiederverheirateten Geschiedenen, die zwar in einer heterosexuellen Beziehung leben, aber Gottes Willen, der im Sakrament der Ehe zum Ausdruck kommt, mißachten. Es handelt sich aber, letztlich, um dasselbe moralische Problem, das die beiden Kategorien von Paaren verbindet, die man nun segnen möchte, wenn auch die Schwere akzentuiert in der Sünde der Sodomie liegt. Die Öffnung für diese Segnungen bzw. die endgültige Anerkennung der objektiven und intrinsischen Sünde bei irregulären und gleichgeschlechtlichen Paaren hat ihren Anfang in Amoris laetitia (19. März 2016). Mit diesem Apostolischen Schreiben von Papst Franziskus wurde der Anstoß dazu gegeben. Mit ihr wurde das intrinsece malum, d. h. die an sich ungeordneten Sünden wie Ehebruch und Sodomie, abgeschafft. Wir alle erinnern uns an die sterile hermeneutische Kontroverse um die berühmte kleine Fußnote Nr. 356, die still und leise den Sakramentenempfang für irreguläre Paare öffnete („irregulär“ damals immer in Anführungszeichen geschrieben, um seine Überwindung zu markieren, jetzt aber ohne). Der Sakramentenempfang für diese Paare wurde inzwischen, nach einer wundersamen Unterscheidung, durch ein offizielles Reskript des Papstes bestätigt, das in den Acta Apostolicae Sedis 108 (2016) 1071–1074 enthalten ist. Mit Fiducia supplicans schließt der Diskurs auch gleichgeschlechtliche Paare ein. Diese neue Fußnote wird morgen in ein umfangreicheres und ausgefeilteres Dokument einfließen.
Die Bischöfe haben zu Amoris laetitia geschwiegen, und mit ihnen auch einige Kardinäle, die jetzt zu Recht als Löwen auftreten, aber es ist dieses Dokument, das respektvoll kritisiert und im Sinne von Veritatis splendor (79–83) dringend korrigiert werden muß. Dort findet sich nämlich der Paradigmenwechsel.
Seltsamerweise sagt Fiducia supplicans, eine „theologische Reflexion“ zu sein, „die sich auf die pastorale Vision von Papst Franziskus stützt“, die „eine wirkliche Weiterentwicklung über das hinaus (beinhaltet), was vom Lehramt und in den offiziellen Texten der Kirche über die Segnungen gesagt wurde“, (Präsentation). Es gibt sicherlich eine Weiterentwicklung, aber in der Art eines selbstreferentiellen Kreises: von Amoris laetitia bis heute, von den irregulären Paaren zu den homosexuellen Paaren, nach viel Arbeit in verschiedenen Synoden, die dieser letzten großen und endlosen Synode vorausgingen. Das heißt, von Fernández zu Fernández.
Die synodalste Synode und die Pastoral, die alles aufsaugt
Zwei abschließende Überlegungen zur gewählten Methode. Mit Fiducia supplicans wird der instrumentale Einsatz der Synodalitätssynode bestätigt, jetzt mehr denn je. Die Synode ist eine Methode, die darauf abzielt, die hierarchische Verfassung der Kirche und ihre Lehre auf pastorale Weise zu verändern. Zu den Lehren, die den Organisatoren am meisten am Herzen lagen, gehörte die Änderung jener über die Homosexualität. Seit Jahren wurde daran gearbeitet, mit verschiedenen Synoden, der Familiensynode, der Jugendsynode, dann der Amazonassynode, aber immer ohne Erfolg. Also wurde eine Synode konzipiert, um den Wandel als solchen in das Konzept der Synodalität einzubeziehen. Es war sicherlich überraschend, daß das Akronym LGBTQ+ nicht einmal im zusammenfassenden Bericht am Ende der ersten Synodensession zu finden war, der am 28. Oktober 2023 veröffentlicht wurde. Man hätte darin eine Niederlage für die Organisationsmaschine sehen können. Aber nein. Fiducia supplicans war schon in Vorbereitung, mit einem starken Eröffnungssignal vom Papst selbst vor Beginn der Synode, in der Antwort an die fünf Kardinäle, die ihm fünf neue Dubia vorgelegt hatten. Der Papst zeigte Offenheit für die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, solange sie nicht mit der Ehe oder einem Sakrament verwechselt wird. Ohne die zweite römische Phase der Synodalitätssynode im Oktober 2024 abzuwarten, veröffentlichte das Dikasterium von Kardinal Fernández auf sehr unsynodale Weise Fiducia supplicans.
Wenn Fiducia supplicans einerseits und auf synodale Weise die ganze lehrmäßige Zweideutigkeit und pastorale Vereinfachung des Glaubens zeigt, die an Paroxysmus grenzt, eine Art „Do-it-yourself“-Segen, offenbart die Erklärung andererseits auch ein nicht unbedeutendes Problem, das für die vergangenen sechzig Jahre typisch ist. Eine zweite methodologische Überlegung drängt sich daher auf.
Fiducia supplicans ist das erfolgreichste Beispiel für eine pastorale Bemühung, die nicht nur die Doktrin aufgreift und verändert, sondern sich selbst als Doktrin aufdrängt. Wir erleben die Doktrin der Praxis, d. h. eine Praxis, die zur Doktrin wird und sich selbst den Gläubigen und Klerikern im Namen einer von der Wahrheit losgelösten Autorität aufzwingt. So aber wie Lehre und pastorale Praxis immer zusammengehören und letztere ontologisch von ersterer abhängig ist, so sind auch Wahrheit und Autorität voneinander abhängig. Die einzige gültige Autorität ist die der Wahrheit und der ununterbrochenen Weitergabe des Glaubens und der Moral: von Christus über die Apostel bis zu uns. Stattdessen mußten wir seit Johannes XXIII. leider erleben, daß das Glaubensgut eine Sache und die Art der Wahrheitsverkündigung eine ganz andere Sache ist und sich durch eine pastoralere Methode, die den Charakter des Lehramtes besser zum Ausdruck bringe, sogar ändern kann. Mit Fiducia supplicans zeigt sich auf lapidare Weise und als unglückliche Schlußfolgerung die ganze Heimtücke dieser Unterscheidung. Die Methode wird nicht nur selbst zur Doktrin, sondern geht noch viel weiter, indem sie neue Lehren vorschlägt. Zu all dem sagen wir schlicht und einfach: Non licet! Es ist nicht erlaubt!
*Pater Serafino M. Lanzetta übt seinen priesterlichen Dienst in der Diözese Portsmouth (England) aus, 2013 habilitierte er sich in Dogmatik, er ist Dozent für Dogmatik an der Theologischen Fakultät von Lugano und Redaktionsleiter der theologischen Zeitschrift Fides Catholica. Eine aktuelle Liste seiner Veröffentlichungen findet sich auf der Website der Theologischen Fakultät Lugano.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana
Hier setzt einer und leider der Papst seine eigene Vision mit der Pastoral über die Lehre. Das ist furchtbar genug. Warum aber verteidigen das Kardinäle und so viele Bischöfe und vor allem auch die Frauen mit dem 68ér Sex-Zeitgeist? Liegt darin der Schlüssel? Hat nicht der Sex-Zeitgeist längst die Familien infiltriert? Haben wir noch Ehen oder nicht vielmehr etliche Lebenskurzzeitgefährten, also Polygamie hintereinander? Und weil so viele davon schon betroffen sind, die ihr sündiges Lebenskurzzeitmodell nicht in Frage stellen oder gar beenden wollen, kommt ihnen die Änderung über die pastorale Praxis sehr entgegen. Sünde soll es nicht mehr geben, das schlechte Gewissen soll nicht mehr in den Beichtstuhl und zu einer Trennung führen, sondern pastoral betäubt werden. Nach dem zweiten Weltkrieg lebten vermehrt Menschen in irregulären Situationen, weil ihre Ehepartner die Kriegsgefangenschaft nicht abwarten wollten, sondern sich anderweitig gebunden hatten, mit der Folge, daß aus einer Ehe zwei irreguläre Verhältnisse wurden; und schon in den 1950ér Jahren sagten sie, daß sie die „pastorale Erlaubnis“ eines Priesters hatten, dennoch die Heilige Kommunion zu empfangen.