Am 13. Oktober hatte der Vatikanist Sandro Magister die Antwort von Kardinal Gerhard Müller auf die Dubia seines Mitbruders Kardinal Dominik Duka veröffentlicht. Kardinal Müller hatte als ehemaliger Glaubenspräfekt jene Antwort übernommen, die Rom schuldig geblieben ist. „Daß es gut ist, auf ‚Dubia‘ zurückzugreifen, um den Glauben der Einfachen zu schützen, findet eine unmittelbare Bestätigung im brillanten Kommentar zum Brief von Kardinal Müller an Kardinal Duka, den Prof. Leonardo Lugaresi*, ein hervorragender Kenner der frühchristlichen Zeit und der Kirchenväter, verfaßte“, so Magister, der diesen Kommentar am Wochenende veröffentlichte.
Lugaresis Meinung nach hat Müllers Brief an Duka auch das Verdienst, „einen Ausweg aus den bewußten und systematischen Zweideutigkeiten von Franziskus in bestimmten Punkten der Lehre zu weisen, die er, der Papst, für unverändert erklärt, aber gleichzeitig als fließend behandelt“.
Magister schreibt dazu: „Es ist ein sicherer und einfacher Ausweg. Denn wenn die Lehre als unverändert erklärt wird und in klarer Form überliefert ist, müssen wir uns auf sie berufen, wenn die Worte und Taten des regierenden Papstes zweideutig und unpräzise sind“.
Lugaresi reagiert damit auf die faktische Weigerung von Franziskus auf von Kardinälen vorgebrachte Dubia zu antworten und setzt dieser Weigerung die Müller-Methode entgegen. Hier nun der Kommentar von Prof. Lugaresi zum Müller-Brief:
Sehr geehrter Herr Magister!
Ich glaube, daß das Schreiben, mit dem Kardinal Gerhard Müller seine Bewertung der Antwort des Glaubensdikasteriums auf die von Kardinal Dominik Duka im Namen der tschechischen Bischöfe vorgebrachten ‚Dubia‘ bezüglich der Auslegung von Amoris laetitia veröffentlicht hat, ein Dokument von großer Bedeutung ist.
Nicht nur wegen der hohen Qualität seines theologischen Inhalts, sondern auch und vor allem, weil es einen wertvollen Hinweis auf eine Methode enthält, die vielen guten Katholiken helfen kann, aus dem schwierigen Zustand der Aporie herauszukommen, in dem sie sich gegenwärtig befinden, gefangen zwischen dem aufrichtigen Wunsch, dem Papst weiterhin zu gehorchen, und dem tiefen Unbehagen, um nicht zu sagen Leiden, das bestimmte Aspekte seines Lehramtes in ihrem Gewissen hervorrufen, aufgrund dessen, was ihnen als klare Diskontinuität, wenn nicht gar als offener Widerspruch zum früheren Lehramt der Kirche erscheint.
In gewissem Sinn stellt der Text von Kardinal Müller tatsächlich einen Wendepunkt in der Dynamik des Prozesses der Formulierung von Dubia dar, mit denen eine kleine, aber deshalb nicht unbedeutende Gruppe von Kardinälen im Laufe dieser Jahre versucht hat, das zu beheben, was vielen als ein eigentümlicher Mangel in der Lehre von Papst Franziskus erscheint, nämlich ihre Zweideutigkeit.
Zu sagen, daß die Lehre des Papstes oft zweideutig ist, bedeutet nicht, ihm gegenüber feindselig oder respektlos zu sein: Ich würde sagen, es geht eher darum, eine offensichtliche Tatsache festzustellen. Wie Sie selbst, geehrter Herr Magister, in der Einleitung zu Müllers Brief in Erinnerung gerufen haben, gibt es inzwischen zahllose Fälle, in denen der Papst zweideutige Aussagen gemacht hat (in dem Sinn, daß sie sich für gegensätzliche Interpretationen eignen) und/oder einander widersprechen, insofern sie voneinander abweichen, und jedes Mal, wenn er gebeten wurde, ihre Bedeutung eindeutig zu präzisieren, hat er entweder eine Antwort vermieden, oder er hat, oft indirekt, in einer ebenso zweideutigen und ausweichenden Weise geantwortet.
In einem solchen modus operandi scheint die Mehrdeutigkeit nicht zufällig, sondern wesentlich zu sein, denn sie entspricht einem fließenden Wahrheitsbegriff, der jede begriffliche Festlegung verabscheut und sie als Verhärtung ansieht, die die christliche Botschaft ihres Lebens beraubt. Das Axiom, daß „die Wirklichkeit der Idee überlegen ist“, auf das sich Papst Jorge Mario Bergoglio wiederholt berufen hat, wird in der Tat so verwendet, daß es das Prinzip des Nicht-Widerspruchs und die daraus folgende Behauptung, daß man nicht gleichzeitig eine Idee und ihr Gegenteil bejahen kann, zunichte macht.
Das Neue an der Haltung von Kardinal Müller besteht meines Erachtens darin, daß er, Müller, auf die Fragen seiner Mitbischöfe an den Präfekten des Dikasteriums für die Glaubenslehre (und damit letztlich an den Papst, der ihn ernannt hat) so geantwortet hat, wie es sein jetziger Nachfolger in diesem Amt hätte tun müssen, nämlich klar, rational argumentierend und der Offenbarung entsprechend, wie sie uns die heilige Tradition und die Heilige Schrift überliefert haben.
Aber bedeutet dies nicht, daß man sich eine Funktion anmaßt, die einem nicht zusteht und die Autorität des Papstes untergräbt? Um diese Frage zu beantworten, muß man sich vergegenwärtigen, daß es bei aller magmatischen Fluidität des gegenwärtigen „neuen Lehramtes“ einen festen Punkt gibt, der vom Papst und allen seinen Mitarbeitern ausnahmslos immer wieder bekräftigt und nie geleugnet wird, nämlich die behauptete vollständige Kontinuität zwischen der Lehre von Franziskus und der seiner Vorgänger, insbesondere Benedikts XVI. und Johannes Pauls II. „Die Lehre ändert sich nicht“, wurde den zweifelnden und beunruhigten Katholiken wie ein Mantra tausendfach wiederholt.
Genau hier setzt Müllers Argumentation an, mit der entwaffnenden Schlichtheit vom „Ei des Kolumbus“, das uns einen Weg weist: Wenn das Lehramt von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. in irgendeiner Frage klar und eindeutig ist und das von Franziskus stattdessen mehrdeutig erscheint und in einem Sinn interpretiert werden kann, der ihnen zuwiderläuft, dann folgt aus dem Prinzip der Kontinuität, daß wir, wenn wir als Gläubige etwas nicht verstehen (und der Papst sich nicht erklärt), uns getrost an seine Vorgänger wenden und ihrer Lehre folgen können, als wäre es seine eigene, da er selbst uns garantiert, daß es keine Diskontinuität gibt. Die religiöse Zustimmung des Verstandes und des Willens kann in der Tat nur zu dem gegeben werden, was wir richtig verstehen: Wir können nicht einer Aussage zustimmen, deren Bedeutung uns nicht klar ist.
Die Rede von Kardinal Müller weist uns im wesentlichen die Richtung, in die wir blicken müssen: Wir Katholiken besitzen ein sehr reiches Erbe, das aus zwanzig Jahrhunderten der Entwicklung der christlichen Lehre stammt und das in den letzten Jahren gut erforscht, artikuliert und auf die heutigen Situationen und Probleme angewandt wurde, vor allem dank der Arbeit großer Päpste wie der beiden oben genannten. Dort finden wir die Antworten, die wir brauchen. Wenn wir uns daran halten, werden wir nichts falsch machen.
Was heute mehrdeutig bleiben will, bleibt aber auch für das Gewissen irrelevant, gerade weil es mehrdeutig ist im Vergleich zu dem, was in der Vergangenheit klar definiert war. Es wird, wenn man so sagen darf, durch das Prinzip der Kontinuität in Gewahrsam gehalten.
Erst wenn der Papst unmißverständlich erklärt, daß das Lehramt seiner Vorgänger nicht mehr zu befolgen ist, weil es durch sein eigenes außer Kraft gesetzt wurde, würde dieser Gewahrsam fallen. Aber dann würde auch vieles andere fallen. Und wir können darauf vertrauen, daß dies nicht der Fall sein wird.
Leonardo Lugaresi
*Jahrgang 1954, promovierte 1977 an der Universität Bologna in Kirchengeschichte mit einer Arbeit über Origenes; Forschungstätigkeit an der École Pratique des Hautes Études in Paris; Lehrtätigkeit an den Universitäten Bologna, Pisa, Urbino und Chieti; Gründungsmitglied der Vereinigung PATRES. Studien zur antiken Kultur und dem Christentum der frühen Jahrhunderte.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: MiL
Papst Franziskus kann gar nicht so eindeutig antworten weil er von der eigentlichen Lehre der Kirche kaum Ahnung hat. Menschen, die weniger Ahnung von einer Materie haben, ergehen sich immer in geschwurbel. Die Aussagen sind wie Pudding den man an eine Wand nageln muss es geht nicht. Ein wahrer Führer einer Gemeinschaft hat klare Vorstellungen und da hält er dran fest. Er führt und leitet er hilft und ist standhaft. All das ist der jetzige heilige Vater leider nicht. Ich bin auf das nächste Konklave gespannt, da werden Köpfe Rollen.
Nun ja, das Lehramt Benedikts XVI. Zur alten Messe ist ja schon gefallen, aber passiert ist nichts. Insofern würde ich hinten den Schluss dieses Artikels- leider – ein Fragezeichen machen. Fakt ist: Die Kirche interessiert ausserhalb niemand mehr und innerhalb der Kirche machen Franziskus und seine Nachfolger, was sie wollen. Die einzige Frage ist, wie lange wir alle das noch mitmachen. Und ich denke, genau das ist der entscheidende Punkt.
Sie fragen, „wie lange wir alle das noch mitmachen.“
Was aber können wir tun?
Abwarten und auf bessere Zeiten hoffen?
Ich persönlich besuche seit einiger Zeit am Sonntagmorgen und mittwochs die Hl. Messe der FSSPX und fühle mich dort mehr und mehr beheimatet.
Dafür bin ich sehr dankbar!