Einige Anmerkungen aus aktuellem Anlaß von Giuseppe Nardi
Wir Christen sind nicht Partei der Hamas, aber auch nicht Partei Israels: Wir sind Partei des Heiligen Landes. Wer anderes behauptet, dürfte sich verlaufen haben.
Jede der Konfliktparteien im Nahen Osten versucht seit langem die Christen aus ebenso verständlichen wie durchsichtigen Gründen auf ihre Seite zu ziehen, dafür wird großer und oft nicht leicht erkennbarer Propagandaaufwand betrieben. Dadurch wird jedoch die Spaltung in die Christenheit getragen. Christen überbieten sich in Empörungsrhethorik und greifen sich gegenseitig an, weil die einen Partei für die Juden, die anderen Partei für die Muslime ergreifen. Christen stehen plötzlich hochemotional gegeneinander für eine Sache, die nicht die ihre ist. Das sollte nicht sein. Sie helfen dadurch mit, fremde Konflikte in unser Haus zu tragen, was in unseren Ländern ohnehin schon durch die Massenmigration geschieht.
Die katholische Kirche, katholische Organisationen und katholische Medien, auch im deutschen Sprachraum, sollten sich einer Vereinnahmung verweigern und die nötige Nüchternheit und eine klare Vorstellung vom Eigenen wiedergewinnen. Der Tonfall und Eifer, den manche – die sich beispielsweise beim Bergkarabach-Konflikt vor drei Wochen nicht einmal umdrehten – in den vergangenen Tagen dabei zeigten, auf einen bestimmten Zug aufzuspringen, wirkt befremdlich.
Grausamkeit ist Grausamkeit, Mord ist Mord, Unrecht ist Unrecht, egal von welcher Seite und unter welchem Vorwand. Es gibt keine gute Grausamkeit und keine gute Unmenschlichkeit. Die meisten Christen im Westen haben kaum eine Vorstellung von dem Unrecht, das beide Konfliktparteien im Heiligen Land und auch gegen die Christen angehäuft haben.
Der Lateinische Patriarch von Jerusalem Kardinal Pierbattista Pizzaballa, der vorher schon langjähriger Kustos der Franziskanerkustodie des Heiligen Landes war und einer der besten Kenner der schwierigen, ja komplexen Situation im Heiligen Land ist, nimmt in dieser Lage eine katholische Position ein. Das allein ist angemessen und sollte Kirchenvertretern, auch in Deutschland, als Richtschnur gelten. Er verurteilt die Verbrechen, betet für den Frieden, vermeidet aber jede Parteinahme in einem Konflikt der nicht im geringsten so eindimensional ist, wie er derzeit von vielen dargestellt wird.
Grundsätzlich ist man gut beraten, sich besonders dann in acht zu nehmen, wenn der Mainstream ein großes Geschrei anstimmt und diktieren will, was gedacht werden soll. Man sieht und hört nur, was einem selektiv vorgesetzt wird, das andere sieht und hört man nicht.
Vor allem aber ist es nicht unser Konflikt. Das hat nichts mit Gleichgültigkeit zu tun, wenn auch derzeit von manchen bereitwillig und mit dem erhobenen Zeigefinger des irreführenden „Haltungs“-Moralismus das Gegenteil unterstellt wird. Es ist auch keine Frage persönlicher Sympathien oder fehlender Empathie, sondern heißt: Unsere Aufgabe ist es, für den Frieden zu beten, humanitär zu helfen, aber ohne einseitig die Fahne einer der Konfliktparteien in die Höhe zu halten oder auf Gebäude zu projizieren. Gegebenenfalls ist es unsere Aufgabe, wo dies möglich ist, zu deeskalieren und durch Vermittlung für den Frieden einzutreten, jedoch: kein Geschrei nach Waffen, kein Geschrei nach Rache und Vergeltung, kein Geschrei nach Vernichtung und keine lautstarke Parteinahme für die Sache anderer.
Bild: MiL