Reist Kardinal Zuppi nach Washington auch nach Peking?

Die China-Besuche der Purpurträger


Papst Franziskus mit Kardinal Zuppi, dessen nächstes Reiseziel China sein soll.
Papst Franziskus mit Kardinal Zuppi, dessen nächstes Reiseziel China sein soll.

(Peking) Seit 1980 haben nur zwei Kar­di­nä­le – ein fran­zö­si­scher und ein ame­ri­ka­ni­scher – mehr­mals Peking besucht. Kar­di­nal Matteo Zup­pi, der päpst­li­che Son­der­ge­sand­te für den Ukrai­ne­kon­flikt, wäre der drit­te, seit 1951 der dama­li­ge Apo­sto­li­sche Nun­ti­us Msgr. Anto­nio Ribe­ri von den kom­mu­ni­sti­schen Macht­ha­bern aus­ge­wie­sen wurde.

Anzei­ge

Seit meh­re­ren Tagen beför­dert der Hei­li­ge Stuhl auf ver­schie­de­ne Wei­se die Medi­en­er­war­tun­gen, daß der päpst­li­che Son­der­ge­sand­te nach sei­nen Besu­chen in Kiew, Mos­kau und Washing­ton in naher Zukunft auch Chi­na besu­chen könn­te. Die Rede ist davon, daß er bereits Mit­te August, unmit­tel­bar nach dem Welt­ju­gend­tag in Por­tu­gal, nach Peking rei­sen könnte.

Die vier Rei­se­zie­le Zup­pis zei­gen die Kon­flikt­par­tei­en im Ukrai­ne­krieg und zugleich die glo­ba­len Macht­ver­hält­nis­se an.

Kar­di­nal Zup­pi wäre der erste offi­zi­el­le hoch­ran­gi­ge Vati­kan­ver­tre­ter seit Kar­di­nal Roger Etche­ga­ray, der Peking besucht. Er wür­de sogar mit dem Rang eines päpst­li­chen Son­der­ge­sand­ten und, wie es heißt, mit einem per­sön­li­chen Schrei­ben von Papst Fran­zis­kus an Chi­nas Staats- und Par­tei­chef Xi Jin­ping anreisen.

Nach Kar­di­nal Etche­ga­ray rei­ste aller­dings noch ein Pur­pur­trä­ger nach Chi­na. Dabei han­delt es sich um ein noch sehr undurch­sich­ti­ges Kapi­tel. 2016 hielt sich Kar­di­nal Theo­do­re McCar­ri­ck im kom­mu­ni­sti­schen „Reich der Mit­te“ auf. Mit wel­cher Mis­si­on der damals über­aus mäch­ti­ge US-Kar­di­nal sei­nen Fuß nach Chi­na setz­te, ist bis heu­te unge­klärt. Er war sogar mehr­mals nach Peking gereist, um ver­trau­li­che Kon­tak­te mit hoch­ran­gi­gen Ver­tre­tern der Kom­mu­ni­sti­schen Par­tei Chi­nas (KPCh) zu pflegen.

McCar­ri­ck, der bis 2010 als Erz­bi­schof von Washing­ton im Zen­trum der west­li­chen Macht saß, war von Papst Bene­dikt XVI. wegen damals noch nicht näher bekann­ter Miß­brauchs­vor­wür­fe mit Sank­tio­nen belegt wor­den. Die­se wur­den von Papst Fran­zis­kus jedoch 2013 auf­ge­ho­ben. Unter dem argen­ti­ni­schen Papst stieg McCar­ri­ck sogar zum ein­fluß­reich­sten US-Kar­di­nal auf, der maß­geb­li­chen Ein­fluß auf eine gan­ze Rei­he von Bischofs­er­nen­nun­gen in den USA, Beru­fun­gen von US-Ame­ri­ka­nern nach Rom und Beför­de­run­gen von sol­chen in Rom hat­te. 2018 fiel McCar­ri­ck dann in Ungna­de, als die New York Times sein Dop­pel­le­ben als homo­se­xu­el­ler Päd­erast ent­hüll­te. Die Grün­de, wie es zu die­ser Ent­hül­lung kam und war­um genau zu jenem Zeit­punkt, sind noch unklar.

Jeden­falls ver­lor McCar­ri­ck sei­ne Kar­di­nals­wür­de und wur­de dann auch lai­siert. Sei­ne zahl­rei­chen homo-pro­gres­si­ven Pro­te­gés sit­zen aller­dings wei­ter­hin in Amt und Wür­den und wer­den von Papst Fran­zis­kus wei­ter­hin nach Kräf­ten geför­dert und befördert.

Sei­ne Chi­na-Kon­tak­te wur­den erst rela­tiv spät bekannt. Da offi­zi­ell kei­ne Anga­ben dazu vor­lie­gen, kann über Auf­trag, Inhalt und Umfang die­ser Bezie­hun­gen nur spe­ku­liert wer­den. All­ge­mein wer­den sie mit dem Geheim­ab­kom­men in Ver­bin­dung gebracht, das am 22. Sep­tem­ber 2018 zwi­schen dem Hei­li­gen Stuhl und der Volks­re­pu­blik Chi­na unter­zeich­net und 2020 und 2022 ver­län­gert wur­de. McCar­ri­ck, der zum Zeit­punkt der Unter­zeich­nung bereits gestürzt war, habe nach die­ser Les­art das Abkom­men vor­be­rei­tet. Einig sind sich Beob­ach­ter aber ledig­lich dar­in, daß die Chi­na-Rei­sen des US-Kar­di­nals nur mit päpst­li­cher Zustim­mung erfolgt sein können.

Da es sich um ein Geheim­ab­kom­men han­delt, ist sein Inhalt bis heu­te nicht ver­öf­fent­licht wor­den. Schwer­punkt­mä­ßig ist aller­dings bekannt, daß dar­in das Ver­fah­ren für Bischofs­er­nen­nun­gen gere­gelt ist. Bei der Umset­zung hapert es aller­dings. Peking hält sich nur in gerin­gem Maße dar­an, den­noch nickt der Hei­li­ge Stuhl wohl­wol­lend wie jüngst im Zusam­men­hang mit der Ernen­nung des neu­en Bischofs von Schanghai.

Die Fra­ge steht im Raum, wie hoch die Schmerz­gren­ze von Fran­zis­kus ist und wes­halb er es akzep­tiert, daß die kom­mu­ni­sti­schen Macht­ha­ber ihn trotz des Abkom­mens in meh­re­ren Fäl­len ein­fach igno­rier­ten. Man­che Beob­ach­ter gehen des­halb davon aus, daß es Fran­zis­kus gar nicht in erster Linie um die Bischofs­er­nen­nun­gen gehen könn­te, son­dern um geo­po­li­ti­sche Weichenstellungen.

Nach­dem 1949 die Kom­mu­ni­sten im chi­ne­si­schen Bür­ger­krieg gesiegt und im Land die Macht ergrif­fen hat­ten, bra­chen sie 1951 die diplo­ma­ti­schen Bezie­hun­gen zum Hei­li­gen Stuhl ab. Der dama­li­ge Apo­sto­li­sche Nun­ti­us Msgr. Anto­nio Ribe­ri wur­de des Lan­des ver­wie­sen. Seit­her gibt es kei­ne offi­zi­el­len diplo­ma­ti­schen Bezie­hun­gen mehr zwi­schen den bei­den Völ­ker­rechts­sub­jek­ten. Erst 1980 war Kar­di­nal Etche­ga­ray als erster Ver­tre­ter des Vati­kans wie­der nach Chi­na gereist. Damals bemüh­te sich der neu­ge­wähl­te Papst Johan­nes Paul II. um eine Wie­der­auf­nah­me der Bezie­hun­gen zu Peking. Er heg­te den Wunsch, als erster Papst Ruß­land zu besu­chen, aber auch Chi­na. Bei­des blieb ihm und bis­her auch sei­nen Nach­fol­gern verwehrt.

Um den Weg nach Peking nicht zu ver­bau­en, schlu­gen alle Päp­ste der ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­te Ein­la­dun­gen nach Tai­wan aus, jener ein­sti­gen chi­ne­si­schen Pro­vinz (For­mo­sa), auf die sich die geschla­ge­nen natio­nal­chi­ne­si­schen Kräf­te zurück­zo­gen und wo sie mit US-ame­ri­ka­ni­scher Unter­stüt­zung einen eige­nen Staat errich­te­ten. Bei­de Tei­le Chi­nas erhe­ben Anspruch, jeweils ganz Chi­na zu vertreten.

1983 schrieb Johan­nes Paul II. einen lan­gen Brief an den dama­li­gen chi­ne­si­schen Macht­ha­ber Deng Xiao­ping, den er jedoch nie beantwortete.

Nicht weni­ger bemüh­te sich sein Nach­fol­ger Bene­dikt XVI. um Chi­na und die freie Reli­gi­ons­aus­übung für die katho­li­sche Kir­che. Er schrieb einen Brief an Chi­nas Katho­li­ken und ver­öf­fent­lich­te 2008 ein Gebet an Unse­re Lie­be Frau von She­s­han, dem bedeu­tend­sten Mari­en­wall­fahrts­ort Chi­nas, das unter den chi­ne­si­schen Katho­li­ken sehr beliebt ist und häu­fig gebe­tet wird. Er ließ zudem durch den spä­te­ren Kar­di­nal Fer­nan­do Filoni, als die­ser Apo­sto­li­scher Nun­ti­us auf den Phil­ip­pi­nen war, die Kon­tak­te nach Hong­kong ver­stär­ken. Die­se ehe­ma­li­ge bri­ti­sche Kron­ko­lo­nie war Ende der 90er Jah­re an Chi­na zurück­ge­ge­ben wor­den unter dem Ver­spre­chen, demo­kra­ti­sche Bedin­gun­gen und weit­ge­hen­de Selbst­ver­wal­tung bei­zu­be­hal­ten. Kar­di­nal Filoni bau­te in Hong­kong eine soge­nann­te Stu­di­en­mis­si­on für die Bezie­hun­gen zu Chi­na auf, die als eine Art diplo­ma­ti­sche Ver­tre­tung fun­gier­te. Inzwi­schen wur­de die­se Ein­rich­tung von Papst Fran­zis­kus im Zuge sei­ner „neu­en Ost­po­li­tik“ geschlos­sen, um eine Art Vor­lei­stung gegen­über Peking zu erbringen.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati­can­Me­dia (Screen­shot)

Print Friendly, PDF & Email
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!