(Rom) Am 1. Juli setzte Papst Franziskus mit der Ernennung seines Ghostwriters Msgr. Victor Manuel Fernández zum Präfekten des römischen Glaubensdikasteriums zum finalen Umbau des Heiligen Stuhls an, denn die Glaubenskongregation stellt ein Herzstück der tridentinischen Kirchenreform dar. Heute gab Franziskus bereits, schneller als erwartet, die Erhebung seines Protegés zum Kardinal bekannt.
Zehn Jahre kreiste der argentinische Papst um die Glaubenskongregation. Daß er ihr nicht freundlich gesinnt ist, war bekannt. Der „Hort der Glaubenswächter“ stand für progressive Kirchenkreise schon lange ganz oben auf der Liste der zum Abschuß freigegebenen Einrichtungen. Franziskus ging den Weg der kleineren Schritte, ohne zum Frontalangriff anzusetzen. Mit dem Tod seines Vorgängers Benedikt XVI. war das Haupthindernis weggefallen. Das eigene fortgeschrittene Alter drängte Franziskus, der stets ein Getriebener scheint, zum Handeln, um seinen Plan der irreversiblen Paradigmenwechsel umzusetzen.
Nur neun Tage nach der Ernennung Fernández’ zum künftigen Glaubenspräfekten gab Franziskus heute die Einberufung eines neuen Konsistoriums zur Kardinalserhebung bekannt, obwohl kein Bedarf dafür besteht. Derzeit verfügt die Kirche über 121 Papstwähler, die in einem eventuellen Konklave stimmberechtigt sind. Papst Johannes Paul II. legte die Höchstzahl der Papstwähler mit 120 fest. Die von ihm vorgenommene Definition ist eindeutig. Es soll nicht mindestens, sondern höchstens 120 wahlberechtigte Kardinäle geben. Seit seiner Wahl baut Franziskus den Wahlkörper konsequent in seinem Sinne um. Dieser Umbau ging ihm stets zu langsam, weshalb er bereits in der Vergangenheit mehr Kardinäle kreierte, als die Höchstgrenze erlauben würde.
Das heute von Franziskus einberufene Konsistorium wird am 30. September stattfinden. Bis dahin werden zwei Kardinäle das 80. Lebensjahr vollenden, weshalb die Zahl der Papstwähler auf 119 sinken wird, nur ein Purpurträger weniger als die Höchstzahl. Franziskus gab heute jedoch die Ernennung von gleich 18 neuen Papstwählern bekannt, so viele wie noch nie. Die Gesamtzahl der Papstwähler wird damit auf 137 steigen:
- Robert F. Prevost OSA, Präfekt des Dikasteriums für die Bischöfe (USA)
- Claudio Gugerotti, Präfekt des Dikasteriums für die orientalischen Kirchen (Italien)
- Víctor Manuel Fernández, Präfekt des Dikasteriums für die Glaubenslehre (Argentinien)
- Emil Paul Tscherrig, Apostolischer Nuntius in Italien und San Marino (Schweiz)
- Christophe Pierre, Apostolischer Nuntius in den Vereinigten Staaten (Frankreich)
- Pierbattista Pizzaballa, Lateinischer Patriarch von Jerusalem (Heiliges Land)
- Stephen Brislin, Erzbischof von Kapstadt (Südafrika)
- Ángel Sixto Rossi SJ, Erzbischof von Córdoba (Argentinien)
- Luis José Rueda Aparicio, Erzbischof von Bogotá (Kolumbien)
- Grzegorz Ryś, Erzbischof von Łódź (Polen)
- Stephen Ameyu Martin Mulla, Erzbischof von Juba (Südsudan)
- José Cobo Cano, Erzbischof von Madrid (Spanien)
- Protase Rugambwa, Koadjutorerzbischof von Tabora (Tansania)
- Sebastian Francis, Bischof von Penang (Malaysia)
- Stephen Chow Sau-yan SJ, Bischof von Hongkong (Volksrepublik China)
- François-Xavier Bustillo OFMConv, Bischof von Ajaccio (Frankreich)
- Américo Manuel Alves Aguiar, Weihbischof von Lissabon (Portugal)
- Ángel Fernández Artime SDB, Generaloberer der Salesianer Don Boscos (Spanien)
Franziskus bricht mit einem weiteren ungeschriebenen Gesetz der Kirche, indem er Erzbischof José Cobo Cano von Madrid zum Kardinal kreieren wird, obwohl dessen Vorgänger Carlos Kardinal Osoro Sierra erst 2025 das 80. Lebensjahr vollenden wird, also bis dahin zwei Erzbischöfe von Madrid als Papstwähler an einem eventuellen Konklave teilnehmen werden.
Unter den Neuernannten befinden sich drei Vatikandiplomaten, aus deren Reihen Franziskus eine Prätorianergarde rekrutierte, darunter sowohl Msgr. Emil Paul Tscherrig, der Apostolische Nuntius für Argentinien zur Zeit, als er zum Papst gewählt wurde, und den er 2017 zum Nuntius für Italien ernannte, als auch Msgr. Christophe Louis Yves Georges Pierre, der Nuntius für die USA, den Franziskus nach der Emeritierung von Erzbischof Carlo Maria Viganò ernannt hatte. Sowohl Italien als auch die USA sind zwei Schlüsselnuntiaturen, die für die Kirche von erstrangiger Bedeutung sind. Franziskus weiß Loyalität zu schätzen, das gilt auch gegenüber einem Mitbruder im Jesuitenorden P. Ángel Sixto Rossi, den er 2021 zum Erzbischof von Cordoba in Argentinien ernannt hatte.
Fast ausnahmslos alle künftigen Purpurträger wurden von Franziskus in ihre heutigen Positionen berufen.
Insgesamt ernannte Franziskus sogar 21 neue Kardinäle, von denen drei jedoch bereits über 80 Jahre alt sind und wegen Verdiensten um die Kirche ausgezeichnet werden.
Zu den Besonderheiten der Bekanntgabe gehört, daß sich unter den künftigen Kardinäle auch Msgr. Agostino Marchetto befindet. Der ehemalige Vatikandiplomat ist ein langjähriger persönlicher Freund von Franziskus. Von 2001 bis 2010 war er Sekretär des Päpstlichen Migrantenrats. Er fiel in den vergangenen Jahren jedoch vor allem als einer der aktivsten Apologeten einer „Hermeneutik der Kontinuität“ von Papst Benedikt XVI. auf. Nach der heute vom Heiligen Stuhl veröffentlichten Biographie bat er im Alter von 70 Jahren um Entbindung von seinem Amt im Migrantenrat, um sich ganz „dem Studium des Zweiten Vatikanischen Konzils“ widmen zu können: „Papst Franziskus hält ihn für den größten Hermeneutiker des Zweiten Vatikanischen Konzils“ (siehe dazu Franziskus lobt „den besten Hermeneutiker des Konzils“. Diese Verbindung erstaunte in den vergangenen Jahren schon mehrfach und sorgte für Verwirrung. Die Lösung des Rätsels ist aller Wahrscheinlichkeit darin zu suchen, daß für Franziskus die Kategorien der alten Gegensätze zur Konzilsinterpretation keine Rolle mehr spielen, weshalb der Begriff „Kontinuität“ eine ganz andere Bedeutung hat als für die Vertreter der „Schule von Bologna“, die der „restaurativ“ verstandenen Kontinuität den Bruch entgegenstellte. Msgr. Marchetto vollendete bereits 2020 sein 80. Lebensjahr, weshalb er und zwei weitere Kardinäle in einem Konklave nicht mehr stimmberechtigt sind.
Voraussichtlich erst mit dem Jahreswechsel 2024/25 wird die Höchstzahl der Papstwähler wieder unterschritten werden. Die große Zahl der neuen Kardinäle unterstreicht, daß Franziskus der Meinung ist, daß ihm die Zeit davonläuft und er sicherstellen will, daß der mit ihm begonnene „Prozeß“ nach ihm fortgesetzt wird.
Das erste Interview in einem italienischen Medium gab der neue Glaubenspräfekt der linken Tageszeitung La Repubblica, der „einzigen“ Tageszeitung, die Franziskus täglich liest ‒ eine Aussage, die seit einiger Zeit nicht mehr wiederholt, sondern abgeschwächt wird, weil es erhebliche Kritik dazu gab. Die Auswahl des Mediums erfolgte demnach nicht zufällig. Auf die Frage, ob laut Auftrag von Franziskus tatsächlich nicht mehr damit zu rechnen sei, daß „Irrtümer in der Lehre korrigiert“ werden, antwortete Msgr. Fernández im antiautoritären Sinn:
„Die tiefere Bedeutung dieser Worte besteht nicht darin, einen historischen Kommentar abzugeben. Es ist klar, daß sich der Vatikan heute nicht mehr so verhalten würde wie zur Zeit der Inquisition. Was Franziskus erwähnt, bedeutet, zum Ausdruck zu bringen, daß die Lehre nicht so sehr durch Kontrolle, Sanktionierung, Verbot behandelt werden darf, sondern vor allem dadurch, daß wir unser Verständnis von ihr erweitern, sie vertiefen und ihren ganzen Reichtum im Studium und Dialog zwischen den Theologen, aber auch im Dialog mit der heutigen Welt zur Geltung bringen.“
Insgesamt gab sich Msgr. Fernández sehr zeitgeistig, was La Repubblica zur Überschrift veranlaßte: „Mehr Macht den Frauen. Bezüglich Homo-Paaren kann die Kirche nicht nur verbieten“.
Die ersten Tage der diesjährigen „Sommerferien“ der Römischen Kurie brachten zwei einschneidende Weichenstellungen: den Abbau der Glaubenskongregation und eine Verbissenheit, bergoglianische Mehrheiten für die Nach-Franziskus-Zeit zu sichern.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: La Repubblica (Screenshot)