Franziskus ernennt mehr neue Papstwähler denn je

Neuer Glaubenspräfekt wird Kardinal ‒ und weitere Belohnte


Obwohl der Wahlkörper in einem Konklave überbesetzt ist, wird Papst Franziskus im September 21 neue Kardinäle ernennen, von denen 18 Papstwähler sein werden.
Obwohl der Wahlkörper in einem Konklave überbesetzt ist, wird Papst Franziskus im September 21 neue Kardinäle ernennen, von denen 18 Papstwähler sein werden.

(Rom) Am 1. Juli setz­te Papst Fran­zis­kus mit der Ernen­nung sei­nes Ghost­wri­ters Msgr. Vic­tor Manu­el Fernán­dez zum Prä­fek­ten des römi­schen Glau­bens­dik­aste­ri­ums zum fina­len Umbau des Hei­li­gen Stuhls an, denn die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on stellt ein Herz­stück der triden­ti­ni­schen Kir­chen­re­form dar. Heu­te gab Fran­zis­kus bereits, schnel­ler als erwar­tet, die Erhe­bung sei­nes Pro­te­gés zum Kar­di­nal bekannt.

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Zehn Jah­re krei­ste der argen­ti­ni­sche Papst um die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on. Daß er ihr nicht freund­lich gesinnt ist, war bekannt. Der „Hort der Glau­bens­wäch­ter“ stand für pro­gres­si­ve Kir­chen­krei­se schon lan­ge ganz oben auf der Liste der zum Abschuß frei­ge­ge­be­nen Ein­rich­tun­gen. Fran­zis­kus ging den Weg der klei­ne­ren Schrit­te, ohne zum Fron­tal­an­griff anzu­set­zen. Mit dem Tod sei­nes Vor­gän­gers Bene­dikt XVI. war das Haupt­hin­der­nis weg­ge­fal­len. Das eige­ne fort­ge­schrit­te­ne Alter dräng­te Fran­zis­kus, der stets ein Getrie­be­ner scheint, zum Han­deln, um sei­nen Plan der irrever­si­blen Para­dig­men­wech­sel umzusetzen.

Nur neun Tage nach der Ernen­nung Fernán­dez’ zum künf­ti­gen Glau­bens­prä­fek­ten gab Fran­zis­kus heu­te die Ein­be­ru­fung eines neu­en Kon­si­sto­ri­ums zur Kar­di­nals­er­he­bung bekannt, obwohl kein Bedarf dafür besteht. Der­zeit ver­fügt die Kir­che über 121 Papst­wäh­ler, die in einem even­tu­el­len Kon­kla­ve stimm­be­rech­tigt sind. Papst Johan­nes Paul II. leg­te die Höchst­zahl der Papst­wäh­ler mit 120 fest. Die von ihm vor­ge­nom­me­ne Defi­ni­ti­on ist ein­deu­tig. Es soll nicht min­de­stens, son­dern höch­stens 120 wahl­be­rech­tig­te Kar­di­nä­le geben. Seit sei­ner Wahl baut Fran­zis­kus den Wahl­kör­per kon­se­quent in sei­nem Sin­ne um. Die­ser Umbau ging ihm stets zu lang­sam, wes­halb er bereits in der Ver­gan­gen­heit mehr Kar­di­nä­le kre­ierte, als die Höchst­gren­ze erlau­ben würde.

Das heu­te von Fran­zis­kus ein­be­ru­fe­ne Kon­si­sto­ri­um wird am 30. Sep­tem­ber statt­fin­den. Bis dahin wer­den zwei Kar­di­nä­le das 80. Lebens­jahr voll­enden, wes­halb die Zahl der Papst­wäh­ler auf 119 sin­ken wird, nur ein Pur­pur­trä­ger weni­ger als die Höchst­zahl. Fran­zis­kus gab heu­te jedoch die Ernen­nung von gleich 18 neu­en Papst­wäh­lern bekannt, so vie­le wie noch nie. Die Gesamt­zahl der Papst­wäh­ler wird damit auf 137 steigen:

  1. Robert F. Pre­vost OSA, Prä­fekt des Dik­aste­ri­ums für die Bischö­fe (USA)
  2. Clau­dio Guge­rot­ti, Prä­fekt des Dik­aste­ri­ums für die ori­en­ta­li­schen Kir­chen (Ita­li­en)
  3. Víc­tor Manu­el Fernán­dez, Prä­fekt des Dik­aste­ri­ums für die Glau­bens­leh­re (Argen­ti­ni­en)
  4. Emil Paul Tscher­rig, Apo­sto­li­scher Nun­ti­us in Ita­li­en und San Mari­no (Schweiz)
  5. Chri­sto­phe Pierre, Apo­sto­li­scher Nun­ti­us in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten (Frank­reich)
  6. Pier­bat­ti­sta Piz­za­bal­la, Latei­ni­scher Patri­arch von Jeru­sa­lem (Hei­li­ges Land)
  7. Ste­phen Bris­lin, Erz­bi­schof von Kap­stadt (Süd­afri­ka)
  8. Ángel Six­to Ros­si SJ, Erz­bi­schof von Cór­do­ba (Argen­ti­ni­en)
  9. Luis José Rueda Apa­ri­cio, Erz­bi­schof von Bogo­tá (Kolum­bi­en)
  10. Grze­gorz Ryś, Erz­bi­schof von Łódź (Polen)
  11. Ste­phen Ameyu Mar­tin Mul­la, Erz­bi­schof von Juba (Süd­su­dan)
  12. José Cobo Cano, Erz­bi­schof von Madrid (Spa­ni­en)
  13. Prota­se Rugambwa, Koad­ju­to­r­erz­bi­schof von Tabo­ra (Tan­sa­nia)
  14. Seba­sti­an Fran­cis, Bischof von Penang (Malay­sia)
  15. Ste­phen Chow Sau-yan SJ, Bischof von Hong­kong (Volks­re­pu­blik China)
  16. Fran­çois-Xavier Bustil­lo OFMConv, Bischof von Ajac­cio (Frank­reich)
  17. Amé­ri­co Manu­el Alves Agui­ar, Weih­bi­schof von Lis­sa­bon (Por­tu­gal)
  18. Ángel Fernán­dez Arti­me SDB, Gene­ral­obe­rer der Sale­sia­ner Don Bos­cos (Spa­ni­en)

Fran­zis­kus bricht mit einem wei­te­ren unge­schrie­be­nen Gesetz der Kir­che, indem er Erz­bi­schof José Cobo Cano von Madrid zum Kar­di­nal kre­ieren wird, obwohl des­sen Vor­gän­ger Car­los Kar­di­nal Osoro Sier­ra erst 2025 das 80. Lebens­jahr voll­enden wird, also bis dahin zwei Erz­bi­schö­fe von Madrid als Papst­wäh­ler an einem even­tu­el­len Kon­kla­ve teil­neh­men werden.

Unter den Neu­ernann­ten befin­den sich drei Vati­kan­di­plo­ma­ten, aus deren Rei­hen Fran­zis­kus eine Prä­to­ria­ner­gar­de rekru­tier­te, dar­un­ter sowohl Msgr. Emil Paul Tscher­rig, der Apo­sto­li­sche Nun­ti­us für Argen­ti­ni­en zur Zeit, als er zum Papst gewählt wur­de, und den er 2017 zum Nun­ti­us für Ita­li­en ernann­te, als auch Msgr. Chri­sto­phe Lou­is Yves Geor­ges Pierre, der Nun­ti­us für die USA, den Fran­zis­kus nach der Eme­ri­tie­rung von Erz­bi­schof Car­lo Maria Viganò ernannt hat­te. Sowohl Ita­li­en als auch die USA sind zwei Schlüs­selnun­tia­tu­ren, die für die Kir­che von erst­ran­gi­ger Bedeu­tung sind. Fran­zis­kus weiß Loya­li­tät zu schät­zen, das gilt auch gegen­über einem Mit­bru­der im Jesui­ten­or­den P. Ángel Six­to Ros­si, den er 2021 zum Erz­bi­schof von Cor­do­ba in Argen­ti­ni­en ernannt hatte.

Fast aus­nahms­los alle künf­ti­gen Pur­pur­trä­ger wur­den von Fran­zis­kus in ihre heu­ti­gen Posi­tio­nen berufen.

Ins­ge­samt ernann­te Fran­zis­kus sogar 21 neue Kar­di­nä­le, von denen drei jedoch bereits über 80 Jah­re alt sind und wegen Ver­dien­sten um die Kir­che aus­ge­zeich­net werden.

Zu den Beson­der­hei­ten der Bekannt­ga­be gehört, daß sich unter den künf­ti­gen Kar­di­nä­le auch Msgr. Ago­sti­no Mar­chet­to befin­det. Der ehe­ma­li­ge Vati­kan­di­plo­mat ist ein lang­jäh­ri­ger per­sön­li­cher Freund von Fran­zis­kus. Von 2001 bis 2010 war er Sekre­tär des Päpst­li­chen Migran­ten­rats. Er fiel in den ver­gan­ge­nen Jah­ren jedoch vor allem als einer der aktiv­sten Apo­lo­ge­ten einer „Her­me­neu­tik der Kon­ti­nui­tät“ von Papst Bene­dikt XVI. auf. Nach der heu­te vom Hei­li­gen Stuhl ver­öf­fent­lich­ten Bio­gra­phie bat er im Alter von 70 Jah­ren um Ent­bin­dung von sei­nem Amt im Migran­ten­rat, um sich ganz „dem Stu­di­um des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils“ wid­men zu kön­nen: „Papst Fran­zis­kus hält ihn für den größ­ten Her­me­neu­ti­ker des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils“ (sie­he dazu Fran­zis­kus lobt „den besten Her­me­neu­ti­ker des Kon­zils“. Die­se Ver­bin­dung erstaun­te in den ver­gan­ge­nen Jah­ren schon mehr­fach und sorg­te für Ver­wir­rung. Die Lösung des Rät­sels ist aller Wahr­schein­lich­keit dar­in zu suchen, daß für Fran­zis­kus die Kate­go­rien der alten Gegen­sät­ze zur Kon­zil­s­in­ter­pre­ta­ti­on kei­ne Rol­le mehr spie­len, wes­halb der Begriff „Kon­ti­nui­tät“ eine ganz ande­re Bedeu­tung hat als für die Ver­tre­ter der „Schu­le von Bolo­gna“, die der „restau­ra­tiv“ ver­stan­de­nen Kon­ti­nui­tät den Bruch ent­ge­gen­stell­te. Msgr. Mar­chet­to voll­ende­te bereits 2020 sein 80. Lebens­jahr, wes­halb er und zwei wei­te­re Kar­di­nä­le in einem Kon­kla­ve nicht mehr stimm­be­rech­tigt sind.

Vor­aus­sicht­lich erst mit dem Jah­res­wech­sel 2024/​25 wird die Höchst­zahl der Papst­wäh­ler wie­der unter­schrit­ten wer­den. Die gro­ße Zahl der neu­en Kar­di­nä­le unter­streicht, daß Fran­zis­kus der Mei­nung ist, daß ihm die Zeit davon­läuft und er sicher­stel­len will, daß der mit ihm begon­ne­ne „Pro­zeß“ nach ihm fort­ge­setzt wird.

Das erste Inter­view in einem ita­lie­ni­schen Medi­um gab der neue Glau­bens­prä­fekt der lin­ken Tages­zei­tung La Repubbli­ca, der „ein­zi­gen“ Tages­zei­tung, die Fran­zis­kus täg­lich liest ‒ eine Aus­sa­ge, die seit eini­ger Zeit nicht mehr wie­der­holt, son­dern abge­schwächt wird, weil es erheb­li­che Kri­tik dazu gab. Die Aus­wahl des Medi­ums erfolg­te dem­nach nicht zufäl­lig. Auf die Fra­ge, ob laut Auf­trag von Fran­zis­kus tat­säch­lich nicht mehr damit zu rech­nen sei, daß „Irr­tü­mer in der Leh­re kor­ri­giert“ wer­den, ant­wor­te­te Msgr. Fernán­dez im anti­au­to­ri­tä­ren Sinn:

„Die tie­fe­re Bedeu­tung die­ser Wor­te besteht nicht dar­in, einen histo­ri­schen Kom­men­tar abzu­ge­ben. Es ist klar, daß sich der Vati­kan heu­te nicht mehr so ver­hal­ten wür­de wie zur Zeit der Inqui­si­ti­on. Was Fran­zis­kus erwähnt, bedeu­tet, zum Aus­druck zu brin­gen, daß die Leh­re nicht so sehr durch Kon­trol­le, Sank­tio­nie­rung, Ver­bot behan­delt wer­den darf, son­dern vor allem dadurch, daß wir unser Ver­ständ­nis von ihr erwei­tern, sie ver­tie­fen und ihren gan­zen Reich­tum im Stu­di­um und Dia­log zwi­schen den Theo­lo­gen, aber auch im Dia­log mit der heu­ti­gen Welt zur Gel­tung bringen.“

Ins­ge­samt gab sich Msgr. Fernán­dez sehr zeit­gei­stig, was La Repubbli­ca zur Über­schrift ver­an­laß­te: „Mehr Macht den Frau­en. Bezüg­lich Homo-Paa­ren kann die Kir­che nicht nur verbieten“.

Die ersten Tage der dies­jäh­ri­gen „Som­mer­fe­ri­en“ der Römi­schen Kurie brach­ten zwei ein­schnei­den­de Wei­chen­stel­lun­gen: den Abbau der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on und eine Ver­bis­sen­heit, berg­o­glia­ni­sche Mehr­hei­ten für die Nach-Fran­zis­kus-Zeit zu sichern.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: La Repubbli­ca (Screen­shot)

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