
(Rom) Italiens Außenminister Antonio Tajani (Forza Italia) bestätigte indirekt, dem Heiligen Stuhl den Empfang des ukrainischen Staatspräsidenten Wolodymyr Selenskyj aufgedrängt zu haben. Zugleich sagte der Außenminister, daß die italienische Regierung „keine Kenntnis von Friedensplänen des Papstes“ gehabt hätte.
Dabei hatte Papst Franziskus auf dem Rückflug aus Ungarn eine vatikanische Friedensmission zur Beilegung des russisch-ukrainischen Konfliktes angekündigt, ohne jedoch zu sagen, worin diese bestehe. Dies werde erst geschehen, wenn die Zeit „reif“ sei, so das Kirchenoberhaupt. Seither wird spekuliert, ob die Bemühungen, im kommenden Juni an die 30 Friedensnobelpreisträger im Vatikan zu versammeln, damit zu tun haben. Zwischen dem Vatikan und der italienischen Regierung findet traditionell ein enger Austausch statt.
Die Ankündigung des Papstes fand bemerkenswerterweise kaum Aufmerksamkeit. Es gibt Stimmen, die den Grund darin sehen, daß eine aufsehenerregende päpstliche Friedensmission die Kriegsinteressen stören könnte. Vielmehr wurde durch den Schachzug der italienischen Regierung der Versuch unternommen, Franziskus in das transatlantische Boot zu holen, indem ihm am vergangenen Samstag ein Besuch von Wolodymyr Selenskyj „aufgedrängt“ wurde. Es ging alles sehr schnell. Am Mittwoch abend tauchten erste Stimmen auf, die am Donnerstag von Medien berichtet wurden. Im Vatikan gab es einige Bedenken. Daher begab sich am Freitag dann Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni persönlich überraschend zu einer Privataudienz nach Santa Marta.

Die Vatikandiplomatie war offenbar nicht sehr glücklich darüber, da es ihr Bemühen um eine Vermittlerposition gefährdete. Wollte nämlich Wladimir Putin dem Vatikan einen Besuch abstatten, würde er von der italienischen Regierung verhaftet werden. Das verdeutlicht das Ungleichgewicht hinter dem Schachzug vom vergangenen Samstag. Zudem gab Selenskyj noch am selben Abend nach der Audienz bei Papst Franziskus im italienischen Fernsehen unmißverständlich zu verstehen, daß ihn ein Papst, der als Friedensvermittler handle, nicht interessiere.
Das erklärt die Widersprüchlichkeit in den Aussagen des italienischen Außenministers Tajani. Der ehemalige EU-Parlamentspräsident ist Vorsitzender von Silvio Berlusconis Partei Forza Italia, die der kleinste Koalitionspartner in der derzeitigen italienischen Rechtsregierung, aber zugleich der Türöffner zu den wirklichen Machtzentren ist. Tajani genießt den Ruf eines sehr moderaten Politikers, der allerdings fest transatlantisch verankert ist. In einem Interview mit der italienischen Tageszeitung La Stampa sagte er am Sonntag zunächst zu der von Papst Franziskus angekündigten Friedensinititiave, die der Selenskyj-Besuch konterkarierte:
„Wußten wir von dem Friedensplan des Vatikans? Ehrlich gesagt, nein. Es ist offensichtlich, daß er sich für den Frieden einsetzt, daß er alles tut, damit die Parteien eine Einigung erzielen.“
Gleich darauf fügte Tajani jedoch hinzu:
Ein „gerechter Frieden“ sei, „bei dem das internationale Recht wiederhergestellt wird und die Russen sich von ukrainischem Territorium zurückziehen“, um dann noch maximalistisch nachzulegen:
„Italien ist bereit, jeden Vorschlag zu hören, der zu einem Ende des Konflikts führen könnte, aber unsere Position – die dieselbe wie die Europas und der NATO ist – ist klar: Wir unterstützen die zehn Punkte des Friedensvorschlags von Selenskyj. Niemand kann sich Lösungen vorstellen, die nicht von Kiew geteilt werden. Andernfalls würden wir nicht von Frieden sprechen, sondern von einer ukrainischen Niederlage.“
In der Eurokraten-Sprache wird die EU bewußt mit Europa verwechselt. Zudem sagte Tajani bereits ein Nein zum Friedensplan des Papstes, ohne diesen zu kennen.
Selenskyjs Besuch am Samstag galt nur nebenbei Papst Franziskus. Das Hauptanliegen war, italienische Waffenlieferungen zu erhalten. Da die italienische Öffentlichkeit Waffenlieferungen mehrheitlich ablehnt, diente der Auftritt des ukrainischen Präsidenten den transatlantischen Kräften, die Waffen liefern wollen, sprich der Regierung Meloni-Tajani, um dafür Stimmung im Land zu machen. Deshalb begab sich Bruno Vespa, der Barde des transatlantischen Narrativs, mit seiner Fernsehsondersendung Porta a Porta samt Selenskyj als Hauptgast auf den Vaterlandsaltar in Rom. Eine beispiellose martialische Inszenierung, die eine andere martialische italienische Inszenierung mit weltweit unglaublich weitreichenden Folgen in Erinnerung rief, als Militärlastwagen die Särge von „Corona-Toten“, in Wirklichkeit vor allem von durch Fehlbehandlung zu Tode intubierten Patienten, aus Bergamo abtransportierten. Oder das sinnwidrige plötzliche Auftauchen von Militärs im Tarnanzug als Leiter der „Corona-Bekämpfung“ (in Rom, Wien, Berlin, Paris …). Diese Militarisierung sollte grundsätzlich hellhörig machen. Auf die Waffenlieferungen war jedenfalls auch Tajanis Zusatz gemünzt:
„Der einzige akzeptable Friedensplan ist der ukrainische. Ich wäre enttäuscht, wenn die Demokratische Partei von Elly Schlein zur Waffenlieferung an Kiew die Richtung ändern würde.“
Die Aussagen Tajanis zeigen, wie wenig Bereitschaft von Seiten der EU und der NATO, sprich Washingtons, besteht, Friedensgespräche zu suchen. In der Tat gab es bisher von dieser Seite auch keinen Versuch dazu. Das bestätigt die Annahme, daß der Krieg in der Ukraine ein gewollter, letztlich gegen Rußland gerichteter Stellvertreterkrieg ist, der von der Ukraine im Auftrag und Interesse Washingtons ausgefochten wird, die dafür vom Westen mit Waffen beliefert und mit Geld bezahlt wird. Die oft wiederholte Parole vom „Aggressor und Opfer“ dient dabei mehr der Verschleierung als der Klärung. Dokumente, die mutmaßlich Kriegsverbrechen dokumentieren und dringend gerichtlich untersucht werden müßten, wie sie Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk bei einer Tagung am vergangenen Samstag beklagte, um mit dem Finger auf Moskau zu zeigen, liegen indes von beiden Kriegsparteien vor.
Eine besondere Tragik liegt darin, wenn man solche Videodokumente sieht, daß beide Seiten dieselbe Sprache sprechen, die sich weniger voneinander unterscheidet als das Oldenburgische vom Alemannischen und erst recht das Sizilianische vom Lombardischen. Die Frage bleibt, was vor dem 24. Februar 2022 alles schiefgelaufen ist und unterlassen wurde.
Es gibt eine Zeit für den Frieden, aber derzeit will von den Entscheidungsträgern auf beiden Seiten niemand davon hören, wohl deshalb, weil es in diesem Krieg um mehr geht als um die Krim oder den Donbas. Es geht für beide Seiten um Rußland.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL/InfoVaticana (Screenshot)
Ein sehr informativer und neutraler Artikel über den Donbaskonflikt und die Aktivitäten des italienischen Staates und des Vatikans.
Daß die Ankündigung von PFranziskus einer „vatikanischen Friedensmission“ kaum Aufmerksamkeit fand, ist jedoch nicht bemerkenswert.
PFranziskus hat schon so viel wirres Zeug und soviel Kontradiktorisches gesagt, daß auf ihn nirgends Verlaß ist.
Und Selensky hat schon so viel warme Luft geschlagen, daß er an Konkretem nicht interessiert ist.
Im Westen, gerade bei der NATO und in den USA, ist man Selenskys inzwischen müde wie kalten Breis – im Augenblick wird der vor wenigen Jahren mit Schimpf und Schande weggejagte ukrainische Ex-Präsidenten Poroschenko wieder reaktiviert, um endlich die „Gegenoffensive“ zu starten.
Wirklich bemerkenswert ist hingegen, daß die Ukraine den Eurosong-Wettbewerb nicht gewonnen hat…