Von Fabio Fuiano*
Fatima, Rußland und die Ukraine in der gegenwärtigen historischen Stunde waren das Thema eines von der Lepanto-Stiftung organisierten Treffens, das am Samstag, dem 13. Mai, vormittags in der Aula Magna der Universität Lumsa in Rom stattfand. Daran nahmen Seine Seligkeit Swjatoslaw Schewtschuk, Oberhaupt der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche, in direkter Online-Verbindung aus Kiew, und Prof. Roberto de Mattei, Vorsitzender der Lepanto-Stiftung, teil.
Zahlreiche Zeitungen haben die historische Bedeutung dieses Treffens hervorgehoben, darunter auch die Presseagentur AdnKronos, die insbesondere auf den „merkwürdigen Zufall“ hinwies, daß der Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Rom genau zum Zeitpunkt der Konferenz an der Lumsa stattfand. Trotz der imposanten Sicherheitsvorkehrungen, die zur Bewachung der Hauptstadt getroffen wurden, verfolgte ein aufmerksames und qualifiziertes Publikum die Veranstaltung. Unter den Persönlichkeiten aus Kirche und Politik waren S.E. Irynej Bilyk, emeritierter Eparch von Butschatsch und Kanoniker der Patriarchalbasilika Santa Maria Maggiore, ein direkter Zeuge der Grausamkeit des Sowjetregimes und des KGB, Senatorin Lavinia Mennuni [eine mutige Lebensschützerin, die 2022 in ihrem Wahlkreis im direkten Duell die ehemalige EU-Kommissarin Emma Bonino besiegte] und der ehemalige Parlamentsabgeordnete Alberto Michelini.
Die Konferenz wurde mit einer Rede von Prof. Roberto de Mattei eröffnet: In dieser lenkte er die Aufmerksamkeit der Anwesenden sofort auf die Botschaft von Fatima, deren Kern betont, daß „Rußland nach den Worten der Gottesmutter das Werkzeug einer göttlichen Strafe sein wird, die die Welt für ihre Sünden treffen wird. Doch nachdem Rußland seine Irrtümer in der Welt verbreitet hat, wird es sich bekehren, und der Welt wird eine Zeit des Friedens zuteil, die mit dem Triumph des Unbefleckten Herzens Mariens zusammenfallen wird“.
Der Vorsitzende der Lepanto-Stiftung erinnerte dann daran, daß der von Wladimir Putin geführte Krieg „hybrider“ Natur ist, bei dem physische Waffen von narrativen Waffen flankiert werden, die „an psychologische und mentale Aspekte der Menschen, ihre Gemütszustände und ihre Gefühle“ appellieren, was zu einer Cancel Culture führt, die sowohl vom nihilistischen Westen als auch von Putin verübt wird, der darauf aus ist, „die Vergangenheit neu zu erfinden und die Geschichte Rußlands und Europas umzuschreiben“. Nach der Beschreibung von Putins These stellte Prof. de Mattei die drei wichtigsten historischen Fälschungen vor, auf denen diese These beruht, und erläuterte anhand von Quellen, wie sich die Ereignisse tatsächlich zugetragen haben. Dies beginnt bei der Taufe des heiligen Wladimir im Jahr 988, geht über das orthodoxe Schisma von 1054 bis hin zu den Jahren des kommunistischen Sowjetregimes, in denen die Gestalt von Kardinal Josef Slipyi, „ein großer Apostel der Botschaft von Fatima, wie seine Nachfolger“, für „den heroischen Widerstand der ukrainischen Kirche gegen die sowjetische Verfolgung“ stand.
Denjenigen, die davon überzeugt sind, daß der tödlichste Irrtum in der heutigen Welt nicht mehr der Kommunismus, sondern der globalistische Westen ist, stellte de Mattei eine unausweichliche Frage: „Ist es möglich, daß die Gottesmutter sich geirrt hat, daß sie nicht in der Lage war, die Zukunft vorherzusehen, daß sie Rußland gesagt hat, obwohl sie Amerika oder den Westen hätte sagen müssen?
Wenn der Westen heute korrupt ist, erklärte der Professor, dann liegt die Ursache genau in jenem atheistischen, relativistischen und materialistischen Kommunismus, „den Rußland in der Welt verbreitet hat“. In Wahrheit wolle Rußland nicht den verdorbenen Westen bekämpfen, wie er behauptet, sondern vielmehr „die römischen und katholischen Wurzeln des alten Westens durch neue slawische, orthodoxe und neostalinistische Wurzeln ersetzen, um Europa […] zu einem Anhängsel des asiatischen Kontinents zu machen“, indem es die so genannte Ideologie der „Russischen Welt“ (Russki mir) durchsetzt. Die Lösung für die Korruption unserer Zeit besteht darin, uns nicht von einem selbstzerstörerischen Haß auf den Westen blenden zu lassen, sondern „unsere Liebe zur Kirche, der Mutter der abendländischen und christlichen Zivilisation, und zu den Worten der Hoffnung von Fatima, die den Triumph des Unbefleckten Herzens und die Bekehrung Rußlands ankündigen, zu verstärken“.
„Die Kritiker des Westens haben Recht, wenn sie die Irrtümer der gegenwärtigen westlichen Führer anprangern, aber“, so de Mattei, „sie begehen selbst einen katastrophalen Fehler, wenn sie behaupten, diesen Irrtümern mit der Fahne des Kremls entgegenzutreten, anstatt mit der Fahne der heiligen katholischen Kirche, der einzigen, die Trägerin einer Botschaft der Wahrheit und des Lebens, des Friedens und der Gerechtigkeit sein kann, ungeachtet der Zerbrechlichkeit derer, die sie vertreten“.
Die Rede von Professor de Mattei schloß mit dem Hinweis, daß „die von Putin vorgeschlagene Russifizierung das Gegenteil der von der Gottesmutter in Fatima geforderten Bekehrung Rußlands ist“ und daß Rußland „sich von den falschen Erzählungen seiner Vergangenheit und der Ungerechtigkeit seiner Gegenwart befreien muß, um sich mit dem christlichen Westen zu versöhnen und die Wahrheit der Kirche von Rom anzunehmen, wie es der heilige Wladimir und seine frühen Nachfolger getan haben. Das ist die Bekehrung, die die Gottesmutter prophezeit hat und die mit Sicherheit eintreten wird, denn von Gott selbst kommen die Worte: ‚Rußland wird sich bekehren‘. Das ist die große Hoffnung der Botschaft von Fatima, die die Tragödie des gegenwärtigen Krieges erhellt.“
Seine Seligkeit Swjatoslaw Schewtschuk sprach anschließend aus Kiew, wo er seit fünfzehn Monaten unter den Bomben lebt. Das Oberhaupt der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche hielt unter großem Beifall eine leidenschaftliche Rede, in der er betonte, daß der unerwartete Besuch von Präsident Selenskyj und sein Treffen mit dem Papst ausgerechnet am 13. Mai kein bloßer Zufall, sondern eine wahre Fügung der göttlichen Vorsehung auf die Fürsprache der heiligen Jungfrau von Fatima sei. Bevor er begann, drückte er seine Wertschätzung für die historische Rekonstruktion von Professor de Mattei aus und wies darauf hin, daß sie von Bischof Bilyk selbst bestätigt wurde, der diese dramatische Geschichte aus erster Hand erfahren hat.
Seine Seligkeit wollte seinen Bericht auch mit einem historischen Hinweis eröffnen, indem er die katholischen Wurzeln Kiews und seine Verbindung mit Rom, die durch die historische Union von Brest gut repräsentiert wird, nachdrücklich hervorhob. Diese geschichtlichen Hinweise, so betonte der Großerzbischof, „zeigen uns, daß sich das ukrainische Volk im Gegensatz zum russischen Volk sowohl kulturell als auch kirchlich als integraler Bestandteil des europäischen Kontinents entwickelt und dabei stets seine byzantinische Identität bewahrt hat. Eine Geschichte, die in Putins Propaganda absolut geleugnet und entsprechend dem Narrativ der Ideologie der russischen Welt umgeschrieben wird“.
Im zweiten Teil seiner Rede veranschaulichte Großerzbischof Schewtschuk den zugleich dramatischen und berührenden Horizont der aktuellen ukrainischen Situation aufgrund des Krieges. „Seit mehr als einem Jahr“, so Schewtschuk, „ist die Ukraine das Opfer einer groß angelegten russischen Militäraggression, die Tod, Zerstörung und viel Leid über unser Land gebracht hat. In dieser dramatischen Phase unseres Lebens haben wir jedoch erkannt, daß es sich nicht nur um den Krieg eines Landes gegen ein anderes handelt, auch nicht um eine einfache ‚Militäroperation‘, sondern um einen echten Völkermord an unserem Volk und um schreckliche Kriegsverbrechen Rußlands in der Ukraine, die auch durch eine eindeutig ideologisch motivierte Geschichtsverfälschung verursacht wurden“.
Das Oberhaupt der ukrainischen Kirche war Augenzeuge der systematischen Verbrechen, die russische Soldaten an unschuldigen Ukrainern verübten, von der Tragödie der Massengräber über die Vergewaltigungen bis hin zum „erschütternden Zeugnis der hingerichteten und auf den Straßen unserer Städte zurückgelassenen Leichen“. Besonders ergreifend und schockierend war sein tragischer Bericht über eine Familie, Vater, Mutter und zwei kleine Mädchen im Alter von 6 und 11 Jahren, die getötet und anschließend verbrannt wurden. Ich gestehe Ihnen, menschlich gesprochen“, sagte Seine Seligkeit gerührt, „daß in mir die Frage aufkam: Herr, aber warum? […]. Diese Frage fordert heute unser menschliches und christliches Gewissen heraus und stellt Fragen an die zeitgenössische Zivilisation und an die intellektuelle Welt der Kirche“.
Der Erzbischof erinnerte dann an ein Dokument, das einige Wochen nach Kriegsbeginn auf der offiziellen russischen Website Ria Novosti veröffentlicht wurde und in dem die Gründe und Befehle für den Einsatz der russischen Soldaten erläutert wurden. Die darin enthaltenen Gräuel veranlaßten sogar den bekannten Wissenschaftler Timothy Snyder, der sich mit der Shoah auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion befaßt, das Dokument als „russisches Handbuch des ukrainischen Völkermords“ zu bezeichnen.
„Am meisten schmerzt jedoch“, so Schewtschuk, „die christliche Rechtfertigung für den russischen Krieg gegen die Ukraine, nämlich die Unterstützung der russisch-orthodoxen Kirche und ihre perfekte Harmonie mit der Ideologie der ‚russischen Welt‘ “. Während dieses schrecklichen Konflikts war von der Führung des Moskauer Patriarchats kein einziges Wort gegen den Krieg zu hören, auch kein Appell „an die russischen Soldaten, von grausamen Aktionen gegen Unschuldige abzusehen und sich human gegenüber Geiseln, Verwundeten und der Zivilbevölkerung zu verhalten. Ganz im Gegenteil: Wir haben die Verherrlichung von Kriegsverbrechen und der Ideologie der Gewalt durch Patriarch Kirill selbst gehört“.
Seine Seligkeit schloß seine bewegende Rede mit einem eindringlichen Appell an alle Gelehrten in der Welt, nicht zu schweigen. Wenn der von der Russischen Föderation verübte Völkermord am ukrainischen Volk nicht heute angeprangert und gestoppt werde, werde er morgen zahllose Opfer fordern, wie es der Nationalsozialismus und der Kommunismus im letzten Jahrhundert getan hätten. Aber es gibt Hoffnung, schloß der Großerzbischof unter dem Beifall der Anwesenden, und zwar die Botschaft von Fatima: „Hoffnung auf den Schutz des ukrainischen Volkes gegenüber dem Aggressor und Hoffnung auf die Bekehrung Rußlands. Auch wenn wir noch einen langen Weg vor uns haben, um uns – nicht nur in Russland – von der Ideologie der russischen Welt zu befreien und die Wahrheit anzunehmen, die uns in einzigartiger Weise frei macht“.
Fabio Fuiano hat an der Universität Roma Tre einen Master in Bioingenieurwesen erworben. Derzeit ist er Doktorand in Maschinenbau und Wirtschaftsingenieurwesen an der gleichen Universität. Er ist Vorsitzender der universitären Pro-Life-Bewegung „Universitari per la Vita“.
Übersetzung: Friedrich Wache
Bild: Corrispondenza Romana
Das wirft viele Fragen auf.
Erstens: Aus welcher Zeit stammt dieser Teil der Botschaft von Fatima? Seine Bedeutung steht und fällt, ob er 1917 noch vor der Oktoberrevolution erfolgte oder erst irgendwann in den 20-er Jahren, als in ganz Europa die kommunistischen Schrecken schon in allen Knochen saßen.
Zweitens: Russki mir ist bis zum Beweis des Gegenteils nicht mehr, aber auch nicht weniger als eine Staatsdoktrin (und keine Ideologie), vergleichbar der Monroe-Doktrin.
Wer sagt, dass Russki mir irgendeinen Anspruch erhebt, der über die Grenzen der russischen Welt hinausgeht? Wer sagt, dass Putin noch immer den Kommunismus vertritt? Ohne Belege dienen solche Aussagen nur dem Aufbau eines Feindbildes (und wer das derzeit wünscht, ist bekannt, darum)
Drittens: Warum wird beklagt, dass Europa ein Anhängsel Asiens werden könnte? Vielleicht, weil Europa schon seit Jahrzehnten ein Anhängsel Amerikas ist? Wenn als Gegenmodell gegen ein Russland, das nicht integraler Bestandteil Europas sein soll, die katholische Fahne vorgeschlagen wird, was ich ganz unterstütze, dann hat dies ebenso gegen das westliche Gegenstück, die angelsächsische Welt zu gelten, die in ihrem calvinistisch-maritimen Grundmuster aus katholischer Sicht nicht weniger außereuropäisch ist als Russland.
Viertens: Von „Völkermord“ kann derzeit keine Rede sein, daher sollte man dies auch nicht behaupten. Was in diesem Kulturkampf droht, ist das Auslöschen der Westorientierung oder der Ostorientierung in der Ukraine. Der Konflikt zwischen Westlern und Ostlern in ganz Russland ist schon 250 Jahre alt.
Die ukrainischen Katholiken, die historisch einzigen wirklichen Westler in der heutigen Ukraine, sollten den richtigen Moment nicht verpassen, um endlich ihren eigenen katholischen ukrainischen Staat zu gründen. Das wäre dann tatsächlich ein Staat Ukraine (nicht nur ein Grenzgebiet). Auf den könnte auch Russland keine legitimen Ansprüche erheben. Erzbischof Schewjtschuk selbst erhebt leider Anspruch auf Gebiete, in denen keine Katholiken leben. Zumindest in dieser Hinsicht wäre weniger vielleicht mehr.