Was verbindet die Kardinäle Casaroli und Nguyên Van Thuân, was unterscheidet sie?

Was die Kardinäle Casaroli und Nguyên Van Thuân gemeinsam haben – und was unerwähnt blieb


Am 27. August kreierte Papst Franziskus im Petersdom neue Kardinäle, denen er zwei bekannte Mitbrüder der jüngeren Zeit zum Vorbild gab.
Am 27. August kreierte Papst Franziskus im Petersdom neue Kardinäle, denen er zwei bekannte Mitbrüder der jüngeren Zeit zum Vorbild gab.

(Rom) Papst Fran­zis­kus kre­ierte am Sams­tag, dem 27. August, im Rah­men eines außer­or­dent­li­chen Kon­si­sto­ri­ums 19 neue Kar­di­nä­le. Erst­mals in der jün­ge­ren Kir­chen­ge­schich­te fand eine Kar­di­nals­er­he­bung im Hoch­som­mer statt. Fran­zis­kus leg­te den neu­en Pur­pur­trä­gern dabei Vor­bil­der nahe.

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Vor drei Mona­ten hat­te das Kir­chen­ober­haupt uner­war­tet eine erneu­te Erwei­te­rung des Kar­di­nals­kol­le­gi­ums ange­kün­digt, obwohl eine Auf­fül­lung des Wahl­kör­pers noch gar nicht not­wen­dig war. Die Höchst­zahl der Papst­wäh­ler war von Paul VI. erwei­tert, aber zugleich auf 120 Kar­di­nä­le fest­ge­legt wor­den. Die­se Zahl wird nun deut­lich überschritten.

Außer­ge­wöhn­li­cher war, daß Fran­zis­kus das Kon­si­sto­ri­um zur Kar­di­nals­kre­ierung im Hoch­som­mer ansetz­te, was zwei­er­lei Spe­ku­la­tio­nen nähr­te: sein mög­li­cher Rück­tritt oder Plä­ne für erneu­te Coro­na-Ein­schrän­kun­gen im Win­ter­halb­jahr (oder Sor­gen wegen sol­cher), die eine Zusam­men­kunft des Kar­di­nals­kol­le­gi­ums erschwe­ren, wenn nicht unmög­lich machen würden.

Alle desi­gnier­ten Kar­di­nä­le waren am Sams­tag in Rom anwe­send, auch Msgr. Richard Kuuia Baa­wobr, der unbe­kann­te Bischof von Wa in Gha­na. Ihm war die Anrei­se noch mög­lich, dann erlitt er einen Schwä­che­an­fall, „etwas mit dem Her­zen“, sag­te Fran­zis­kus, wes­halb sei­ne Kre­ierung erst dem­nächst statt­fin­den wird. Ein Ter­min dafür wur­de noch nicht genannt.

In sei­ner Pre­digt nann­te Fran­zis­kus den Kar­di­nä­len zwei ver­stor­be­ne Mit­brü­der als Vor­bil­der, denen sie nach­stre­ben soll­ten – zwei ziem­lich gegen­sätz­li­che Kir­chen­män­ner: Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Ago­sti­no Casaro­li (1914–1998) und Kar­di­nal Fran­çois Xavier Nguy­ên Van Thuân (1928–2002), Erz­bi­schof von Sai­gon in Vietnam.

Kar­di­nal Casaro­li zeich­ne­te als ober­ster Diplo­mat des Vati­kans für die umstrit­te­ne „Ost­po­li­tik“ gegen­über den kom­mu­ni­sti­schen Dik­ta­tu­ren ver­ant­wort­lich. Der Hei­li­ge Stuhl, so die offi­zi­el­le Les­art, erleich­ter­te dadurch das Los der ver­folg­ten Kir­che hin­ter dem Eiser­nen Vor­hang. Das hat­te aller­dings sei­nen Preis: Die Kir­che schwieg zum Mar­xis­mus und sei­nen real­so­zia­li­sti­schen Ablei­tun­gen. In Wirk­lich­keit gab es seit Johan­nes XXIII. eine Strö­mung in der Kir­che, die zum Teil ganz offen mit dem Sozia­lis­mus sym­pa­thi­sier­te und die Ver­ei­ni­gung von Sozia­lis­mus und Chri­sten­tum anstrebte. 

Kar­di­nal Nguy­ên Van Thuân hin­ge­gen war ein Opfer des Kom­mu­nis­mus und galt als einer der „leben­den Mär­ty­rer“. Drei­zehn Jah­re muß­te er in einem real­so­zia­li­sti­schen Gefäng­nis sei­ner Pei­ni­ger ver­brin­gen, von 1975 bis 1988, als auf diplo­ma­ti­schem Wege sei­ne Frei­las­sung erreicht wur­de unter der Bedin­gung, ins Exil zu gehen. Johan­nes Paul II. berief ihn an die Römi­sche Kurie und ernann­te ihn zu einem Dikasterienleiter. 

In sei­ner Pre­digt hat­te Fran­zis­kus im Zusam­men­hang mit Kar­di­nal Casaro­li Papst Johan­nes XXIII. genannt, wäh­rend in der offi­zi­el­len Text­fas­sung der Inter­net­sei­te des Hei­li­gen Stuhls Johan­nes Paul II. auf­scheint. Ein Freud’scher Ver­spre­cher, wie eini­ge Vati­ka­ni­sten schmun­zelnd meinten?

Wie pas­sen zwei so kon­trä­re Momen­te der jüng­sten Kir­chen­ge­schich­te zusam­men? Die­se Fra­ge war am ver­gan­ge­nen Wochen­en­de wie­der­holt zu hören. Papst Fran­zis­kus stell­te sie nicht, denn die für bei­de Gestal­ten prä­gen­de Bezie­hung zum Sozia­lis­mus war kein The­ma. Kar­di­nal Casaro­li wur­de von Fran­zis­kus erwähnt, weil er häu­fig ein Gefäng­nis für jugend­li­che Straf­tä­ter in Rom besuch­te; Kar­di­nal Nguy­ên Van Thuân, weil die­ser für sei­ne Ker­ker­mei­ster gebe­tet hat. In bei­den Fäl­len ging es um pasto­ra­le Aspek­te. Die Grün­de und Hin­ter­grün­de, war­um etwa Nguy­ên Van Thuân „Ker­ker­mei­ster“ hat­te, blie­ben ausgeblendet.

Wört­lich sag­te Papst Fran­zis­kus:

„Ein Kar­di­nal liebt die Kir­che, immer mit dem­sel­ben geist­li­chen Feu­er, ob er nun mit gro­ßen oder klei­nen Fra­gen befasst ist, ob er die Gro­ßen die­ser Welt trifft – das muss er tun, sehr oft – oder die Klei­nen, die vor Gott groß sind. Ich den­ke zum Bei­spiel an Kar­di­nal Casaro­li, der zu Recht berühmt ist für sei­ne Auf­ge­schlos­sen­heit, mit der er die neu­en Mög­lich­kei­ten Euro­pas nach dem Kal­ten Krieg mit einem klu­gen und gedul­di­gen Dia­log beglei­tet hat – und Gott bewah­re uns davor, dass die mensch­li­che Kurz­sich­tig­keit die von ihm eröff­ne­ten Hori­zon­te wie­der ver­schließt! Aber in Got­tes Augen sind die Besu­che, die er regel­mä­ßig bei den jun­gen Insas­sen eines Jugend­ge­fäng­nis­ses in Rom mach­te, wo er „Don Ago­sti­no“ genannt wur­de, eben­so wert­voll. Er prak­ti­zier­te die gro­ße Diplo­ma­tie – das Mar­ty­ri­um der Geduld, so war sein Leben – und gleich­zei­tig besuch­te er wöchent­lich die Jugend­li­chen in Casal del Mar­mo. Und wie vie­le sol­cher Bei­spie­le lie­ßen sich anfüh­ren! Ich erin­ne­re mich an Kar­di­nal Van Thuân, der in einem ande­ren bedeu­ten­den geschicht­li­chen Zusam­men­hang des 20. Jahr­hun­derts dazu beru­fen war, das Volk Got­tes zu hüten, und der gleich­zei­tig vom Feu­er der Lie­be Chri­sti beseelt war, sich um die See­le des Gefäng­nis­wär­ters zu bemü­hen, der sei­ne Zel­len­tür bewach­te. Die­se Men­schen hat­ten kei­ne Angst vor dem „Gro­ßen“, vor dem „Maxi­mum“, aber sie lie­ßen sich auch auf das all­täg­li­che „Klei­ne“ ein. Nach einem Tref­fen, bei dem Kar­di­nal Casaro­li Johan­nes Paul II. über sei­ne letz­te Mis­si­on berich­tet hat­te – ich weiß nicht, ob in die Slo­wa­kei oder in die Tsche­chi­sche Repu­blik, eines die­ser Län­der, es ging um hohe Poli­tik – rief ihn der Papst beim Hin­aus­ge­hen und sag­te: „Ah, Mon­si­gno­re, eine Sache noch: Gehen Sie wei­ter­hin zu die­sen jun­gen Gefan­ge­nen?“ – „Ja“ – „Ver­las­sen Sie sie nie!“. Die gro­ße Diplo­ma­tie und die klei­ne pasto­ra­le Ange­le­gen­heit. Das ist das Herz eines Prie­sters, das Herz eines Kardinals.“

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati​can​.va (Screen­shot)

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1 Kommentar

  1. Muss er denn immer so inhalts­los spre­chen? Man been­det jede Lek­tü­re sei­ner Wor­te, ob vie­le oder weni­ge, mit dem ungu­ten Gefühl, sei­ne Zeit ver­schwen­det zu haben.

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