(Rom) Der unerwartete Tod von Kardinal George Pell beschäftigt weiterhin. Der hochgewachsene Purpurträger aus Australien, dem die Medien und Teile der Justiz in seiner Heimat, aber auch Papst Franziskus übel mitgespielt hatten, war am 11. Januar plötzlich verstorben, als es im Anschluß an eine als harmlos eingestufte Hüftoperation zu Komplikationen kam. Nun berichtete die Zeitung The Australian, der Kardinal sei der festen Überzeugung gewesen, daß ein Konklave unmittelbar bevorstehe, weshalb er sich nicht in Australien operieren habe lassen.
Die bürgerliche Zeitung berief sich auf Tess Livingstone und den Jesuiten Frank Brennan, die beide mit dem verstorbenen Kardinal befreundet waren. Livingstone schrieb am 2. Februar im Australian, einer der meistverkauften Zeitungen des Landes, daß sich Pell am Abend, bevor er sich ins Krankenhaus begab, über die Respektlosigkeit geärgert hatte, mit welcher der Heilige Stuhl den verstorbenen Benedikt XVI. beim Requiem und durch die dabei von Franziskus gehaltene Predigt behandelt hatte:
„Privat konnte er streng sein, wenn es um Respektlosigkeit gegenüber den Toten ging, so wie bei unserem letzten Gespräch in der Nacht vor seiner Einlieferung ins Krankenhaus. Bei dieser Gelegenheit ärgerte er sich darüber, daß der Vatikan während des Requiems für Papst Benedikt die Öffnung der Geschäfte auf dem Petersplatz erlaubt hatte, daß Papst Franziskus eine schlechte Predigt über seinen Vorgänger gehalten hatte, daß das römische Hochgebet zugunsten eines anderen eucharistischen Gebets weggelassen wurde und daß die Bürokraten der Kurie den Priestern die Konzelebration erschwerten.“
Pater Frank Brennan erinnerte zwei Tage später in derselben Zeitung an die Rolle, die der australische Kardinal bei den vergangenen beiden Konklaven gespielt hatte, wenn auch bei letzerem vergeblich, und sagte, daß er
„trotz seines Alters von über 80 Jahren, was ihn von der Papstwahl ausschloß, hoffte, einen maßgeblichen Einfluß auf das Ergebnis des nächsten Konklaves zu haben. Bei einem Mittagessen in Rom vor einigen Wochen versicherte er mir, daß das nächste Konklave nicht mehr weit entfernt sei. Dieser Wunsch, im entscheidenden Moment zur Stelle zu sein, war ausschlaggebend für seine Entscheidung, die Operation nicht in Australien durchzuführen, da er nicht das Risiko eingehen wollte, nach der Operation und vor dem Konklave am anderen Ende der Welt zu sein.“
Nico Spuntoni, der Vatikanist der Nuova Bussola Quotidiana, schrieb darauf am vergangenen Sonntag in der italienischen Tageszeitung Il Giornale, daß er diese Aussagen von Livingstone und P. Brennan bestätigen könne:
„Wer hier schreibt, kann beide Enthüllungen bestätigen: Es stimmt, wie Livingstone berichtet, daß die Art und Weise, wie die Beerdigung von Benedikt XVI. abgewickelt wurde, den Kardinal irritiert hatte, ebenso wie es stimmt, daß Pell trotz des Ratschlags von Freunden und Bekannten, sich in seinem Heimatland oder zumindest in London operieren zu lassen, unbedingt in Rom bleiben wollte, weil er davon überzeugt war, daß ein mögliches Konklave jederzeit hätte stattfinden können.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: VaticanMedia (Screenshot)